Die Presse

Mozarts „Cos`ı“zwischen Hinterhof und Hausbar

Tiroler Landesthea­ter. Die Inszenieru­ng bietet nur Klamauk. Musiziert und gesungen wird aber mit Niveau.

- VON WALTER GÜRTELSCHM­IED

Ehe sphärische Mozart-Klänge verzaubern können, tut sich schon einiges im Tiroler Landesthea­ter: Ein Zwischenvo­rhang verkündet das Motto „Change the rules“und zeigt eine flüchtige Skizze von Katz und Maus. Auch später kratzt die hemdsärmel­ige Inszenieru­ng von Anette Leistensch­neider mit ihrem Klamauk nur an der Oberfläche des Verführung­stheaters von „Cos`ı fan tutte“. Dabei geht es doch ums Eingemacht­e, um die menschlich­e Existenz, um die Qualität der Liebe und des Vertrauens, um die unerschütt­erliche Beständigk­eit von Beziehunge­n. Das sind keine neckischen Spielchen, keine kostümiert­en Kapriolen.

Der Zwischenvo­rhang vor dem zweiten Akt verniedlic­ht die Verführung­en und Treuebrüch­e als „masqued ball“. Aber Herzensang­elegenheit­en sind kein Maskenball. Selbst ein Otto Schenk implantier­te früher nur dezent Komödianti­k in dieses Stück. Theatergrö­ßen machten vor, wie man mit diesem (Spreng-)Stoff umgehen sollte: Oscar Fritz Schuh konnte wie mit dem chirurgisc­hen Besteck Seelen sezieren. Luc Bondy zeigte – bei aller Poesie und Eleganz – vor allem die böse Grundhaltu­ng von „Cos`ı fan tutte“. Die selbstbewu­ssten Männer wetten darin um Geld, die Damen sind die Täterinnen. Was haben sich freche Kerle wie Da Ponte und Mozart da nur ausgedacht . . .

Leistensch­neider geht es nicht um den bitteren Grundton dieses frivolen, teuflische­n Spiels. Die Szenen erschöpfen sich in Geblödel. Der Ausstattun­g mangelt es an

Charme und Ideen: auf der Drehbühne ein einstöckig­es Wohnhaus im Stil der Fünfzigerj­ahre, ein Hinterhof mit Müllsäcken, Kisten und einem riesigen Koloniaküb­el sowie ein armseliger Garten mit zwei Liegestühl­en. Dafür gibt’s im Wohnzimmer eine Hausbar, damit viel getrunken werden kann, was keineswegs zum Stück gehört.

Einspringe­r besteht Feuerprobe

Die musikalisc­he Façon hatte die optische Trübnis wettzumach­en. Die souveräne Fiordiligi von Susanne Langbein gab den Ton an. Lamia Beuque (Dorabella) tändelte nach Herzenslus­t. Ilya Lapich (Guglielmo) bewährte sich als baritonale­r Naturbursc­he. Jon Jurgens (Ferrando) wirkte schon mit „Un’ aura amorosa“überforder­t. Annina Wachter war als Despina allzu soubrettig. Dafür hatte Johannes Maria Wimmer als Don Alfonso alle Fäden in der Hand – eine Persönlich­keit mit rauchigem Timbre.

Weil Chefdirige­nt Lukas Beikircher an Grippe erkrankt war, musste der erste Kapellmeis­ter, Tommaso Turchetta, kurzfristi­g einspringe­n. Er bestand die Feuerprobe erfolgreic­h, wobei half, dass er als musikalisc­her Assistent an der Entstehung der Neuprodukt­ion beteiligt gewesen war. Turchetta hatte schlüssige Tempi zur Hand. Das Tiroler Symphonieo­rchester Innsbruck spielte engagiert, würzte den Ausdruck und achtete aufs Tempo des Handlungsa­blaufes. Die Kommunikat­ion zum Maestro funktionie­rte. An Durchsetzu­ngskraft mangelte es bei der Begleitung der Secco-Rezitative – das Hammerklav­ier wurde am Rande der Rampe versteckt.

 ?? [ Birgit Gufler] ?? Erschöpft vom Wechselspi­el der Paare: Mozarts Oper „Cos`ı fan tutte“im Tiroler Landesthea­ter.
[ Birgit Gufler] Erschöpft vom Wechselspi­el der Paare: Mozarts Oper „Cos`ı fan tutte“im Tiroler Landesthea­ter.

Newspapers in German

Newspapers from Austria