„Bringen Licht ins Dunkel, seit 2000 Jahren“
Interview. Der Grazer Bischof, Wilhelm Krautwaschl, warnt vor überzogenen Reformerwartungen an die Weltsynode. Die Kirchen seien zu Weihnachten voll wegen der Sehnsucht nach einer Antwort auf die Frage: „Gibt es einen, der mich rettet?“
Die Presse: Sie waren mit den Bischöfen soeben in Rom. Was sind gewissermaßen die Weihnachtswünsche gewesen, die Sie beim Treffen mit Papst Franziskus geäußert haben?
Wilhelm Krautwaschl: Was mich fasziniert hat in den zwei Stunden, war, dass er trotz allem, was er weltweit wahrnimmt und worunter er leidet, angefangen bei der Ukraine, zuversichtlich ist. Er hat das Vertrauen, dass sich das Gute durchsetzt. Das ist auch etwas, was Weihnachten ausdrückt.
Die Bischöfe haben viele Anliegen der Katholiken im Gepäck gehabt . . .
Die Fragen, die auch in unserem Bericht anlässlich der Synode angeführt sind (Frauen-Ungleichbehandlung, mehr Laien-Mitentscheidung; Anm. d. Red.), haben wir in den verschiedenen Dikasterien immer wieder geäußert. Wie es der Synodalität entspricht, haben wir dann auch die andere Seite gehört. Es hat in vielen Dikasterien geheißen: „Bitte sagt uns, was eure Anliegen sind.“Da hat es keine Redeverbote gegeben.
Auch keine Maßregelungen?
Nein, gar nicht. Es gab bei manchen Themen Auseinandersetzungen, aber im positiven Sinn, dass man miteinander ringt oder sagt, das ist eine offene Frage, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Das ist, wie die gesagt haben, für die ein derartiger Besuch nicht neu war wie für mich, ein ganz anderer Stil als früher.
Er hat das Vertrauen, dass sich das Gute durchsetzt. Das ist auch etwas, was Weihnachten ausdrückt.
Der steirische Bischof, Wilhelm Krautwaschl, über das Treffen mit Papst Franziskus
Sollte Zuhören nicht eine Selbstverständlichkeit sein?
Es gibt ein anderes Selbstverständnis der Kurie. Wir haben gesagt, welche Themen bei uns wichtig sind. Die kann man nicht einfach wegspiritualisieren.
Wo waren die Auffassungsunterschiede zwischen dem, was die Bischöfe vorgebracht haben, und den vatikanischen Kurienmitarbeitern besonders groß?
Es sind dieselben Themen, wie sie in Deutschland diskutiert werden, nur ohne dass dafür das Thema Missbrauch verantwortlich gemacht wird. Die Themen sind wichtig, weil die Gesellschaft eben so tickt, weil bei uns die gesellschaftlichen Entwicklungen so sind, wie sie sind. Wir haben uns gut vorbereitet. Wir haben einen ganzen Tag in Salzburg beraten, welche Themen wir wo vorbringen. Was ich mitgenommen habe: Bei welchem Thema bleibt welcher Bischof mit Rom im Dialog, dass wir einfach dranbleiben. Dialog funktioniert nicht nur mit E-Mails. Ich kann Dialog nicht nur in der Gesellschaft einmahnen, ich muss ihn auch im eigenen Haus leben.
War die berühmte Frauen-Frage die schwierigste in diesem Dialog?
Das war sicher eine der Fragen. Man hat uns eingeladen, auch an andere Themen in diesem Zusammenhang zu denken und nicht nur an die Weihe.
Ist die Frage des Diakonats für Frauen auch beim Papst angesprochen worden?
Ja, sicher. Wir haben alle diese Themen auch beim Papst angesprochen.
Und wie hat sich der Papst dazu geäußert?
Er hat gebeten, dass das unter uns bleibt. Da bitte ich um Verständnis. Dass er alles immer aus pastoraler Sicht sieht und nicht sofort auf die römisch-katholische Lehre verweist, hat er uns bei jedem Thema mitgegeben, das wir angesprochen haben.
Haben Sie in all den Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass am Ende des Synodalen Prozesses auch die Diakonatsweihe für Frauen stehen könnte?
Das eigentliche Thema dieser Synode ist: Wie leben wir Kirche? Wie lernen wir, die unterschiedlichen Sichtweisen ernst zu nehmen, aufeinander zuzugehen und gemeinsam als Volk Gottes voranzuschreiten? Reformen sind erst der nächste Schritt.
Sind die Erwartungen im deutschsprachigen Raum zu hoch an die Synode?
Wenn ich das so verstehe, dass gewisse Themen, die bei uns auf der Tagesordnung stehen, alle am Ende der Synode geklärt sind, dann sind sie zu hoch. Aber sie sind viel zu niedrig, was die Erwartungen anlangt, wie wir Kirche verstehen. Die große Gefahr besteht darin, zu glauben, dass es Abstimmungen geben wird: Das und jenes kommt, und das und jenes kommt nicht.
Gibt es etwas, was sich der Papst seinerseits von den Bischöfen, der Kirche in Österreich wünscht?
Das ist nicht speziell nur auf Österreich bezogen: Schaut auf das, was gelingt, und geht da voran. Schaut nicht darauf, wo wir scheitern, oder wo wir weniger werden. Das ist ja auch ein gesellschaftlicher Dienst.
Wir befinden uns inmitten gleich mehrerer Krisen. Stichworte Pandemie, Russlands Krieg gegen die Ukraine, Energieknappheit, Inflation, Klimakrise. Wie erleben Sie da Weihnachten?
Für mich ist es frappierend, dass wir die Mette immer in der Nacht feiern. Wenn es Nacht ist, siehst du ja immer weiter und tiefer hinein ins Universum, als wenn die Sonne alles überstrahlt. Dieses Erlebnis der Nacht ist eine wichtige Botschaft. Man blickt in Krisen tiefer. Wir bringen Licht ins Dunkel, nicht erst seit 50 Jahren (Anspielung auf die ORF-Hilfsaktion; Anm.), sondern seit 2000 Jahren. Die Leute haben Sehnsucht: Was kann mir in den kleinen und in den großen Sorgen meines Mensch-Seins helfen? Deshalb sind ja in der Mette die Kirchen voll. Klassisch theologisch würde man sagen: Gibt es einen, der mich rettet?
Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir uns, weil nicht mehr 75 Prozent hinter uns stehen, gar nichts mehr vom Evangelium zu sagen trauen.
Bischof Wilhelm Krautwaschl
Haben Sie den Eindruck, dass diese Frage in Krisen öfter gestellt wird, und dass man sich mit dieser Frage dann auch an die Kirche wendet?
Muss nicht sein. Aber die Frage, die ist da.
Ist Weihnachten nicht von seiner ursprünglichen Botschaft immer mehr entkernt, ist das Innerste des Festes nicht schon ziemlich ausgehöhlt?
Ich habe nicht den Eindruck, dass das dort der Fall ist, wo die Menschen Leute tatsächlich mit uns leben. Gesamtgesellschaftlich gesehen: Wenn Gott ein Fremdwort geworden ist, darf ich mich nicht wundern, dass das so ist. Aber man muss das sehr differenziert sehen. Vielleicht können wir damit auch positiv betrachtet umgehen, dass nicht alle mit dem innersten Kern von Weihnachten mitkönnen. In dem Sinn: Ich gehe mit euch mit, mag kommen, was will, ich begebe mich in eure Wirklichkeiten hinein, obwohl ich der Schöpfer der Welt bin. Er ist auch für den Mensch geworden, und er ist auch für die ans Kreuz gegangen, die da nicht unbedingt mitkönnen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir uns, weil nicht mehr 75 Prozent hinter uns stehen, gar nichts mehr vom Evangelium zu sagen trauen.
Haben Sie einen Weihnachtswunsch?
Dass wir nicht vom Weg der Suche nach dem Miteinander abkommen. Miteinander ist höchst notwendig in der Gesellschaft.