Niederösterreichische Asylheim-Posse
Herbergssuche. Es gibt den Platz, das Geld und sogar das Einverständnis der Gemeinde. Trotzdem wird eine Unterkunft für Asylwerber mit Behinderung in Hollabrunn nicht geöffnet. Weil die Landesregierung in Wahlkampfzeiten schweigt.
In Österreich werden noch immer dringend Unterkünfte für Asylwerber gesucht, trotz Winter stehen noch immer Zelte. Kann es da sein, dass ein vorhandenes Quartier, mit dem die Gemeinde einverstanden ist und das der Bund finanzieren würde, nicht geöffnet wird? Ja, es kann. Was absurd klingt, ist niederösterreichische Realität, wie der Fall Hollabrunn zeigt. In der Weinviertler Gemeinde steht ein ehemaliges Caritas-Heim für Menschen mit Behinderung leer. Die früheren Bewohner sind in einen Neubau nebenan übersiedelt. Im Frühjahr wurden in dem Komplex Ukraine-Vertriebene untergebracht, die inzwischen jedoch private Quartiergeber gefunden haben. Bereits vor Monaten hat die Caritas Wien daher dem Land angeboten, dort Asylwerber zu beherbergen. 70 bis 90 Menschen hätten dort Platz.
Quote erfüllen? Sicher nicht
Eigentlich hätte Niederösterreich sofort zugreifen müssen. Denn das Land erfüllt – wie die meisten Bundesländer – seine PflichtQuote nicht. Wie die Statistik der Asylkoordination zeigt, sind mit Stand 19.12. nur 69,39 Prozent derer, die das Land unterbringen müsste, hier in Grundversorgung. Im Oktober waren es noch 73,91 Prozent. Und auch wenn man die Bundesbetreuung – Stichwort: Erstaufnahmezentrum Traiskirchen – mitrechnet, erfüllt Niederösterreich die Quote nur zu 83,74 Prozent. Wobei die Mehrzahl der Untergebrachten – 10.445 von 14.644 Menschen – Ukrainerinnen sind.
Der Datenlage zum Trotz hat der zuständige Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) jedoch kategorisch ausgeschlossen, neue Landesquartiere zu öffnen. Sein Argument: Solang der Bund nicht die Migration eindämme, solange gebe es keine neuen Quartiere des Landes. Punkt.
Vor diesem Hintergrund erklärte sich die Bundesbetreuungsagentur (BBU) bereit, das Hollabrunner Heim gemeinsam mit der Caritas zu betreiben. Und das, obwohl die BBU – wie schon oft berichtet – Tausende Menschen betreut, die eigentlich die Länder hätten längst übernehmen müssen. Aber: Besser noch ein weiteres Bundesquartier als gar keines, so offenbar das Motto. Ein Brief mit dem Vorhaben wurde in den vergangenen Wochen an Waldhäusl geschickt.
Woran hakt es? Jedenfalls nicht an der Gemeinde. Gegen die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge gab es zwar Widerstand, aber gegen ein Heim für
Asylwerber mit Behinderung bzw. Betreuungsbedarf habe man nichts, sagt der Bürgermeister Alfred Babinsky (ÖVP) zur „Presse“. Eine Bedingung, mit der auch die Caritas gut leben kann. Das habe ja auch durchaus Sinn, so ein Sprecher, da das Gebäude ursprünglich so genutzt worden sei und es mit dem neuen Heim nebenan auch Fachpersonal in der Nähe gebe.
Ja, nein, weiß nicht
Was allerdings fehlt, ist die Zustimmung des Landes. Und hier wird es etwas kompliziert. Auf eine erste Anfrage antwortete der für Asylfragen in der Regierung zuständige Landesrat Waldhäusl, er wisse gar nichts von dem Vorhaben der BBU – „an mich wurde nichts herangetragen“. Und er meinte weiter: „Gegen das Quartier habe ich nichts. Denn ich kann gar nichts dagegen haben, weil der Bund gar nicht die Zustimmung des Landes braucht. Die fragen uns nie.“
Das allerdings stimmt so nicht, heißt es aus der BBU. Und man zitiert den Artikel 3 der Grundversorgungsvereinbarung (15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern). Dieser hält fest: „Der Bund stellt vor Neuerrichtung oder Schließung von Bundesbetreuungsstellen das Einvernehmen mit dem jeweiligen Bundesland her.“
Damit konfrontiert, räumt Waldhäusl dann ein, dass es tatsächlich einen Brief der BBU zu dem Projekt gebe, „der jetzt bei der Fachabteilung liegt“. Die Abteilung werde prüfen, „ob er oder Landeshauptfrau MiklLeitner zuständig ist“. Wobei Waldhäusl selbst sich jedenfalls „nicht zuständig fühlt“. Dasselbe gilt freilich auf Nachfrage auch für das Mikl-Leitner-Büro. Und jetzt? Heißt es warten. Viel spricht dafür, dass der Zustand der Schwebe noch einige Zeit anhalten wird – und noch viel mehr dafür, dass es bis zu einem Ja (oder Nein) bis nach der Landtagswahl am 29. Jänner dauern wird.