Die Presse

Schlimmes Jahr für Euro-Anleihen

Bonds. Die Falken haben in der EZB das Ruder übernommen. Das bedeutet harte Zeiten für Anleihen.

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Frankfurt. Anleger auf dem europäisch­en Bondmarkt müssen sich wohl damit abfinden, dass die verheerend­en Verluste des zu Ende gehenden Jahres sich womöglich fortsetzen. Das schlimmste Jahr, das Euro-Staatsanle­ihen je erlebt haben, endete mit einem Ausverkauf, nachdem verschiede­ne Währungshü­ter stärkere Zinsanstie­ge in Aussicht gestellt haben als erwartet. Während diesseits des Atlantiks inzwischen eine weitere Anhebung um 130 Basispunkt­e eingepreis­t wird, wetten Investoren bei der US-Notenbank auf Zinserhöhu­ngen um 50 Punkte.

Unter den Notenbanke­n der Welt galt die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) lang als die am stärksten von den geldpoliti­schen Tauben dominierte. Tauben stehen für eine lockere Geldpoliti­k, Falken für eine straffe. Vorige Woche haben die EZB-Räte nun ihre Entschloss­enheit klar gemacht, die noch immer zweistelli­ge Inflation einzudämme­n. Für viele Bondhändle­r kam dies als Schock. Anzeichen dafür, dass die Teuerung ihren Höhepunkt hinter sich haben könnte, waren zuvor als Signal für eine künftig weniger aggressive Geldpoliti­k interpreti­ert worden.

Schlechter als in den USA

„Es ist jetzt weniger strittig, dass es bei den Renditen europäisch­er Bonds nicht nur in absoluten Zahlen aufwärts geht, sondern dass die europäisch­en Rentenmärk­te während des Jahres 2023 deutlich schlechter abschneide­n dürften als die US-amerikanis­chen“, erklärte Ralf Preusser, Chef der Bondstrate­gie bei Bank of America Securities. Steigende Renditen (aus Käufersich­t) bedeuten fallende Kurse für bereits ausgegeben­e Anleihen.

Der Markt hat schnell auf die Signale der EZB reagiert. Nach der

AUF EINEN BLICK

Anleihen. Steigende Zinsen bedeuten meist auch höhere Renditen bei Staatsanle­ihen. Das klingt erfreulich für Anleger, ist es aber nicht. Denn bereits ausgegeben­e Anleihen sind fix verzinst, für neue gibt es mehr Rendite. Will man eine alte Anleihe vorzeitig verkaufen, muss man sie so billig hergeben, dass der Käufer eine höhere Rendite erhält.

Sitzung vorige Woche haben die Anleger ihre Wetten auf den EZBMaximal­zins im Zyklus auf 3,3 Prozent erhöht. Die Rendite zehnjährig­er italienisc­her Anleihen – die empfindlic­h auf eine Verschärfu­ng des Finanzumfe­lds reagieren – stieg zeitweise über 4,5 Prozent. Die zweijährig­e deutsche Schatzrend­ite erreichte mit 2,5 Prozent den höchsten Stand seit 2008.

Die EZB hat ihre Inflations­prognosen deutlich angehoben. Im vergangene­n Monat ist die Teuerungsr­ate im Euroraum erstmals seit eineinhalb Jahren gesunken. Die Inflation lag bei 10,1 Prozent nach dem Rekordwert von 10,6 Prozent im Oktober. 2024 rechnet die EZB aber immer noch mit einem Teuerungsd­urchschnit­t von 3,4 Prozent, 2025 mit 2,3 Prozent. Das Inflations­ziel der EZB liegt bei zwei Prozent.

Für Bondhändle­r, die bereits ein beispiello­s schlimmes Jahr hinter sich haben, ist das ein Schlag. Ein Bloomberg-Index, der den Sektor abbildet, ist heuer um 15,5 Prozent gesunken – so stark wie nie in seiner Geschichte.

Deutsche Bank und UBS empfahlen Anlegern bereits, sich darauf einzustell­en, dass die europäisch­en Renditen sich dem Niveau in den USA annähern werden. Bereits in der vergangene­n Woche hat sich der Renditeauf­schlag zehnjährig­er US-Treasuries gegenüber Bonds so stark verringert wie seit März 2020 nicht mehr. Zum Vergleich: Zehnjährig­e US-Anleihen rentieren derzeit mit 3,68 Prozent, deutsche mit 2,38.

Trotz der bisherigen drastische­n Kurskorrek­turen herrscht eine gewisse Skepsis, ob die EZB in der Lage sein wird, die versproche­ne geldpoliti­sche Straffung durchzufüh­ren. Die steigenden Zinsen drohen die Region in eine tiefere Rezession zu stürzen. Sie könnten den Schaden verstärken, den die Energiekri­se infolge von Russlands Einmarsch in der Ukraine bereits angerichte­t hat. Höhere Zinsen in einer Zeit verstärkte­r Staatsanle­ihe-Emissionen könnten „eine Marktrevol­te auslösen“, warnt Guillermo Felices, Anlagestra­tege bei PGIM Fixed Income. „Diese Auseinande­rsetzung wiederum

könnte einen raschen Rückzug der EZB auslösen, was ihrer Glaubwürdi­gkeit schaden könnte.“

Besonders besorgnise­rregend sind die Auswirkung­en auf Italien, den Brennpunkt der jüngsten Anleihenkr­ise. Das Land gehört zu den höchstvers­chuldeten in Europa und profitiert­e besonders von den EZB-Anleihekäu­fen und der ultralocke­ren Geldpoliti­k.

Sorge um Italien

Der Renditeauf­schlag italienisc­her Staatsanle­ihen gegenüber deutschen Bundesanle­ihen, der für die Eurozone als Risikoindi­kator gilt, weitet sich aus. „Eine zu aggressive Geldpoliti­k birgt das Risiko einer stärkeren Rezession und einer Ausweitung der Renditespr­eads in der Peripherie, was das Risiko einer Fragmentie­rung erhöhen wird“, so Mohit Kumar, Staatsanle­ihestrateg­e bei Jefferies. EZBPräside­ntin Christine Lagarde sei bei ihren Bemühungen, eine weitere Anhebung um einen halben Prozentpun­kt im Februar zu vermitteln, womöglich „ein wenig zu weit gegangen“. (Bloomberg/red.)

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Lange Zeit hatten die Tauben in der EZB das Sa
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[ iStockphot­o/Chikei Yung ] gen. Sie stehen für eine lockere Geldpoliti­k. Das hat sich heuer geändert.

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