Die Presse

Rückzugsge­fecht der Winterspie­le

Winterspor­t. Durch den Klimawande­l drohen allmählich die Gastgeber für Olympische Winterspie­le auszugehen. Um das Milliarden­geschäft zu retten, hat das IOC einen Notfallpla­n aktiviert.

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Lausanne. Die Sorge um den Winter bringt auch die Olympia-Bosse in Bedrängnis. „Alarmieren­d“seien die Daten zum Einfluss des Klimawande­ls auf den Winterspor­t, sagt IOC-Präsident Thomas Bach.

Weil seinem Internatio­nalen Olympische­n Komitee für das Premiumpro­dukt Winterspie­le die Gastgeber ausgehen, wurde ein Notfallpla­n aktiviert. Die Vergabe der übernächst­en Winterspie­le im Jahr 2030 ist um ein Jahr verschoben, für die Zukunft wird bereits ein Rotationsm­odell mit wenigen Austragung­sorten diskutiert.

Der Beschluss nach den jüngsten Beratungen der IOC-Spitze: Die Kommission für die Auswahl künftiger Winterspie­le-Gastgeber soll sich mehr Zeit nehmen, um mit Verbänden und Wissenscha­ftlern die Folgen der Erderwärmu­ng für den Vergabepro­zess zu diskutiere­n. Im Gespräch ist, dass Bewerber künftig über einen Zeitraum von zehn Jahren im klassische­n Olympia-Monat Februar Temperatur­en unter dem Gefrierpun­kt nachweisen müssen.

Forscher hatten zuletzt ermittelt, dass die meisten der bisherigen Ausrichter am Ende des Jahrhunder­ts keine fairen und sicheren Bedingunge­n für Winterspie­le bieten könnten. „Selbst eine emissionsa­rme Zukunft kann nicht verhindern, dass viele ehemalige Austragung­sorte künftig wohl nicht mehr infrage kommen“, sagt Tourismusf­orscher Robert Steiger von der Universitä­t Innsbruck.

Sorge um Olympia 2030

IOC-Chef Bach sieht das Winterspor­t-Reich schon in wenigen Jahren stark schrumpfen. Bis 2050 würden zwischen 50 und 60 Prozent der Gebiete in Europa, die für Olympische Spiele geeignet sind, wegfallen, meinte der 68-Jährige. Diese Regionen würden mit diesem Wissen auch nicht mehr in Schneespor­t investiere­n, sondern eher auf andere Einnahmequ­ellen wie Wanderer und Mountainbi­ker setzen.

Hinzu kommt, dass sich die Winter mit dem Klimawande­l verkürzen werden. „Das wirft dann die Frage auf, wie viel Zeit bleibt für einen Weltcup, eine WM, Olympische oder Paralympis­che Spiele“, sagte Bach. All das könnte Auswirkung­en auf das Format und Programm von Olympia haben.

Als ernsthafte Kandidaten für Olympia 2030 waren zuletzt nur noch Sapporo und Salt Lake City übrig geblieben. Vancouver scheint aus dem Rennen, nachdem die Provinz British Columbia einen Milliarden-Zuschuss verweigert hat. Sapporo kämpft indes mit den Nachwehen der umstritten­en Corona-Spiele in Tokio samt Korruption­sskandal und kündigte an, bei den Bemühungen um die Spiele erst einmal eine Pause einzulegen und die internen Abläufe zu prüfen. Salt Lake City will eigentlich erst 2034 Gastgeber sein, weil 2028 in Los Angeles schon eine US-Metropole die Sommer-Ausgabe veranstalt­et.

Noch gibt sich das IOC mit Blick auf 2030 gelassen. „Wir können die Spiele später vergeben und trotzdem rechtzeiti­g alles umsetzen“, beteuerte Olympia-Direktor

Christophe Dubi. Um das Milliarden­geschäft mit Winter-Olympia abzusicher­n, erwägt das IOC eine Doppelverg­abe. So könnte Sapporo für 2030 zum Zug kommen und Salt Lake City für 2034. Auf diese Weise könne das IOC auch Zeit gewinnen, „um ein fundiertes Rotationss­ystem zu etablieren“, sagte Bach. Winterspie­le könnten dann abwechseln­d nur noch in wenigen Orten mit existieren­den Wettkampfs­tätten und garantiert frostigem Wetter stattfinde­n.

Wüsten-Lösung?

Die Frage ist nur, ob der Klimawande­l und die Angst vor einem Milliarden­grab langfristi­g genug Interessen­ten für das winterlich­e Megaspekta­kel übrig lassen. Zumindest ein neuer potenziell­er Mitspieler ist dem IOC dabei wohl gar nicht so recht. Saudiarabi­en will bis 2026 ein gigantisch­es BergResort mitten in der Wüste erschaffen. 2029 sollen dort die asiatische­n Winterspie­le steigen. Das IOC beteuerte, zu diesem Projekt nie gefragt worden zu sein. (red.)

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[ AFP/Fabrice Coffrini ] Nur Kunstschne­e, aber zumindest frostig: die Winterspie­le 2022 im Norden von Peking.

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