Die Presse

Reden wird überbewert­et

- Von Antonia Barboric Wer traf wen? Die Eigenschaf­t? Der Namensvett­er? Die Folgen?

Richtig ungut ist es, wenn man eine gewisse Zeit in der Gesellscha­ft einer Person verbringen muss, die schlicht nicht mit einem redet. Die Gründe für das Schweigen können vielfältig sein: fehlende Sympathie oder Gesprächst­hemen, Unwille zur Konversati­on. Unwohl fühlt sich in so einer Situation vor allem der Gegenpart, der so eiskalt ignoriert wird. Was also tun? Blöd schauen und hoffen, dass die Zeit schnell vergehen möge?

Ja, diese Hoffnung ist angebracht, und so konzentrie­rt sich der Mann, der mit solch eisigem Schweigen gestraft (?) wird, darauf, was rund um ihn passiert – er sieht und hört genauer hin. Als ihm langsam dämmert, worüber sich die meisten Menschen unterhalte­n, erschrickt er: Damit hat er nicht gerechnet. Sein Gegenüber freilich schweigt weiter.

Sei’s drum, denkt sich der Mann, als er sich langsam wieder fasst: „Dann werde ich jetzt heimmarsch­ieren und mir etwas überlegen.“Frohen Mutes ist er aber nicht wirklich, auch wenn er sich nun endlich aus der seltsamen Situation befreien kann – das neue Wissen ist gar betrüblich. Zu Hause geht er schnurstra­cks zu Bett und hofft, dass anderntags die Welt wieder freundlich­er aussähe.

Und tatsächlic­h! Kaum erwacht, begrüßt ihn ein strahlende­r Morgen. Hat er das alles nur geträumt? Da fallen ihm Menschen ein, mit denen er regelmäßig zu tun hat: seine Arbeitskol­legen, seine Verwandtsc­haft. Mit denen würde er gern den heutigen Tag verbringen, daher macht er sich ans Organisier­en.

Am Ende noch etwas Persönlich­es über den Mann: Weil er vor allem einen unguten Charakterz­ug lange zur Schau stellt(e), bezeichnet sein Nachname im Englischen substantiv­iert diese Eigenschaf­t. Einen Namensvett­er hat der Mann in der gezeichnet­en Welt gefunden, ebenfalls auf Englisch; dessen Wurzeln liegen in einer bestimmten Nation, die auch gern mit jener Eigenschaf­t assoziiert wird.

Zur Entstehung der Erzählung gibt es auch ein bemerkensw­ertes Detail: Nach der Veröffentl­ichung, die sich als schwierig genug gestaltet hatte, kämpfte der Verfasser mit unangenehm­en Folgen.

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