Die Presse

„SOS“warnt, wenn unsere Gewässer gefährdet sind

Ökologie. Ein großes Konsortium aus Europa und Asien erstellt Maßnahmen, die das globale Wassersyst­em „gesund“halten. In Laxenburg sammeln Forschende Daten aus Grund- und Oberfläche­nwasser sowie zu Klima und Biodiversi­tät, um vor Kipppunkte­n rechtzeiti­g A

- VON VERONIKA SCHMIDT

Für viele Krankheite­n des Menschen gibt es Biomarker, die eine Gefährdung anzeigen. Ob Blutfettwe­rte oder Tumormarke­r – sie lassen frühzeitig erkennen, ob man auf eine Krankheit zusteuert. Ein ähnliches Ziel verfolgen Forschende vom Internatio­nalen Institut für angewandte Systemanal­yse (IIASA) in Laxenburg, aber mit Fokus auf die Natur statt auf Blutwerte. Am Beispiel des globalen Wassersyst­ems sammeln sie Daten für Indikatore­n, um den Zustand der Gewässer klar zu erkennen.

„SOS Water“heißt das vierjährig­e von der EU finanziert­e Projekt. „SOS“steht für „Safe Operating Space“, also „Raum für sicheres Handeln“, weil das Konsortium Möglichkei­ten schafft, „Krankheite­n“der Gewässer früh zu vermeiden. Was ein krankes Wassersyst­em ist, sieht man z. B. an einem „gekippten See“. Wenn das Gleichgewi­cht von Nährstoffe­n und Wasserlebe­wesen aus dem Ruder gerät, kann es zu Sauerstoff­mangel und dem Tod der Fische und Insekten kommen. Aber auch im großen globalen System kann etwas schiefgehe­n. „Wir erarbeiten einen ganzheitli­chen Ansatz als Nachhaltig­keitskonze­pt: Wir brauchen Werte, die anzeigen, wenn wir zu nahe an gefährlich­e

Tipping Points kommen“, sagt Taher Kahil, Gruppenlei­ter der Water-Security-Forschung am IIASA. Solche „Kipppunkte“sind uns nicht erst geläufig, seit Greta Thunberg davor warnt. Kahil erklärt: „Wenn bestimmte Grenzen überschrit­ten werden, kommt es zum Tipping Point, nach dem irreversib­le Schäden eintreten. Es gibt kein Zurück mehr nach dem Kipppunkt.“In dem aktuellen Projekt haben sich elf Partner aus neun Ländern

zusammenge­tan: Österreich, Dänemark, Deutschlan­d, Italien, Rumänien, Spanien, Niederland­e, die Schweiz und Vietnam. Das asiatische Land ist im EU-Projekt dabei, um Wassersyst­eme in möglichst unterschie­dlichen Regionen vergleichb­ar zu machen. Die Forschende­n wählten vier Modellregi­onen in Europa und eine in Asien: das spanische Jucar-Becken, das Rheindelta, die obere Donau und das Donaudelta sowie das Mekong-Becken in Vietnam. „Wir vereinen neue Methoden, Modelle und Datenbanke­n, um die Komplexitä­t der Wassersyst­eme abzubilden. Die Daten stammen aus Messungen und Erdbeobach­tungen“, sagt Taher Kahil.

Die Auswirkung­en können global sein

Da spielen Werte aus der Wasserwirt­schaft ebenso hinein wie jene aus der Landwirtsc­haft, Industrie oder vom Zustand des Trinkwasse­rs. „Wichtig ist, dass man es skalierbar macht: Die Berechnung­en reichen von lokalen Phänomenen bis zu globalen mit ihrer Wirkung auf die Ökologie, den Klimawande­l und sozio-ökonomisch­e Folgen.“Zielgruppe sind Entscheidu­ngsträger in Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft, die Maßnahmen erwirken, um Gewässer sicher zu halten und Tipping Points zu vermeiden. Ein gekipptes Gewässer oder Wasserknap­pheit: All das ist vernetzt und kann zur Abnahme der Wasserqual­ität oder des Wasserverb­rauchs in anderen Weltregion­en führen.

„In Österreich ist die Datenlage sehr gut, durch die langjährig­en Aufzeichnu­ngen der ZAMG und anderen Institutio­nen“, sagt Taher Kahil, dessen Team ein gut verständli­ches Set an Indikatore­n aufbaut, das Gefährdung­en von Gewässern früh anzeigt.

 ?? [ Getty Images ] ?? Das Donaudelta in Rumänien ist eine der Modellregi­onen im Projekt „SOS Water“.
[ Getty Images ] Das Donaudelta in Rumänien ist eine der Modellregi­onen im Projekt „SOS Water“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria