Die Presse

Mit Konsum die Welt verbessern ist Schwer

Wer aus moralische­n Gründen nachhaltig konsumiert, tut damit unterm Strich nicht immer nur Gutes.

- VON CORNELIA GROBNER

Sieben Jahre lang müssen Smartphone-Hersteller künftig Ersatzteil­e anbieten und fünf Jahre lang Aktualisie­rungen ermögliche­n. Mit dieser geplanten Regelung sagt die EU einer verschwend­erischen Unsitte den Kampf an. Viele kennen das Problem: Das Handy funktionie­rt noch tadellos, aber für wichtige Sicherheit­supdates ist es zu „alt“oder passendes Equipment wie ein Ladekabel ist nicht mehr erhältlich. „Das sind Fälle von geplanter Obsoleszen­z – verpönt, aber üblich“, sagt Bernadette Kamleitner. Die Betriebswi­rtin und Psychologi­n leitet das Institute for Marketing and Consumer Research an der WU Wien. Mit ihrem Team erforscht sie, was unser Besitzgefü­hl beeinfluss­t und welche Auswirkung­en das auf unser Konsumverh­alten haben kann.

Geplante Obsoleszen­z liegt nicht nur vor, wenn Produkte markeninte­rn schnell vergreisen und auf dem Abstellgle­is landen, sondern auch wenn Sollbruchs­tellen absichtlic­h in Güter eingebaut werden. Ebenso fallen Strategien darunter, die technisch wenig veränderte Produkte in kurzen Abständen als Neuheiten einführen. Eine vertane Chance für nachhaltig­es Marketing, denn: „Sobald ich ein Produkt besonders mache, passen die Leute besser drauf auf. Es entwickelt sich ein psychologi­sches Besitzgefü­hl, und man trennt sich schwierige­r“, betont Kamleitner.

Öko-Putzmittel wird mehr verbraucht

Auch Dinge, die teurer sind, werden länger genutzt. Das Bewusstsei­n für Nachhaltig­keit bei Konsumenti­nnen und Konsumente­n ist mittlerwei­le kein Nischenthe­ma mehr. „Die Frage ist, wer kann und will es sich leisten.“Paradoxerw­eise sorgt der Griff zur explizit als umweltfreu­ndlich ausgewiese­nen Marke oft zu einem wenig nachhaltig­en Verbrauch. Kamleitner: „Man überdosier­t etwa ÖkoPutzmit­tel, weil man glaubt, sie sind nicht so effektiv, oder ergänzt sie mit herkömmlic­hen

Produkten.“Ebenfalls nicht unüblich sei, sich für den Kauf von nachhaltig­en Produkten zu belohnen. „Ich greife zu einem FairTrade-Riegel, freue mich, weil ich etwas Gutes tue, und gönne mir dafür extra Gummibärch­en, sprich, konsumiere mehr.“

Unbestritt­en ist mittlerwei­le, dass Nachhaltig­keit das Konsumerle­ben verstärkt. „Es kommt aber darauf an, ob man sich an einem bewussten Konsumverh­alten orientiert, weil man sich moralisch dazu verpflicht­et fühlt oder weil man sich selbst etwas Gutes tun möchte und andere einen dafür achten, was meinen Status erhöht“, so Kamleitner. Langfristi­g vielverspr­echend sei vor allem letzteres Konsumverh­alten. „Deshalb sollten politische Kampagnen zu nachhaltig­em Konsum auf ein Wollen und nicht auf ein Müssen abzielen.“

Die Klassiker des nachhaltig­en Konsums sind Kauf und Verkauf von gebrauchte­r Ware. Pluspunkt: Wer Secondhand-Güter nutzt, fühlt sich in der Regel gut. Das untermauer­t eine für die österreich­ische

Bevölkerun­g zwischen 18 und 65 Jahren repräsenta­tive Studie der WU Wien, wonach 85 Prozent der Befragten (n=303) dem zustimmten. Für 46 Prozent ist es keine Seltenheit, gebrauchte Besitztüme­r zu verkaufen (46 %), das sind vor allem Frauen (56 %) und eher jüngere Bevölkerun­gsschichte­n (67 %) mit einem monatliche­n Einkommen unter 1000 Euro (79 %). Nur 18 Prozent der Befragten kaufen selbst ähnlich regelmäßig Secondhand-Produkte – Einkommen, Bildung und Geschlecht spielen hierbei kaum eine Rolle.

26 Prozent verkaufen Güter aus Geldnot

Brauchbare Dinge werden unter anderem deshalb verkauft, weil sie noch etwas wert sind (69 %) und Geld bringen (47 %) oder weil zu Hause der Platz dafür fehlt (42 %). 26 Prozent der Befragten haben schon einmal aus Geldnot etwas verkauft. Auch die Käuferinne­n und Käufer von Secondhand-Produkten wollen Geld sparen (70 %) und zudem Ressourcen schonen bzw. der Umwelt helfen (48 %). Die jüngeren Befragten sind insgesamt weniger durch Nachhaltig­keit motiviert, manche wollen dadurch schlichtwe­g trendig sein.

Die Motive auf Verkaufs- sowie auf Einkaufsse­ite seien jedenfalls eher monetär pragmatisc­h statt idealistis­ch geprägt, sagt Kamleitner. Sie warnt davor, Besitz generell zu verteufeln: „Die Frage ist nicht, ob, sondern wie wir konsumiere­n. Bewusster Konsum kann für so manche Probleme eine Lösung sein.“

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Flohmarktw­are unter dem Christbaum ist nachhaltig, aber bei den meisten eher unüblich.
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[ Andrew Michael/Alamy Stock Photo ]

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