Der tiefe Fall der Tesla-Aktie
Die Tesla-Aktie findet keinen Boden. Das Unternehmen scheint mit einem Absatzproblem zu kämpfen. Doch was steckt noch dahinter?
Austin/New York. Auf sozialen Medien gehen die Wogen hoch, seit die ohnehin angeschlagene TeslaAktie am Dienstag um weitere elf Prozent abgestürzt ist. Auslöser war das Bekanntwerden einer geplanten Betriebspause im Jänner in Shanghai. Tesla scheint erstmals in seiner Geschichte ein Absatzproblem zu haben.
Das wirft die Frage auf: Ist das nur ein vorübergehender Effekt, der der anstehenden Rezession geschuldet ist? Oder sind Tesla-Autos generell weniger gefragt, weil die Konkurrenz aufgeholt hat und die Marke nach den umstrittenen Auftritten Elon Musks auf seiner neu erworbenen Plattform Twitter nicht mehr so attraktiv ist?
Tesla-Kritiker vermuten Letzteres und spotten über die „MuskFanboys“, die noch immer dazu aufrufen, den Rücksetzer zu kaufen („Buy the Dip!“). Wenigstens kommen die Leerverkäufer auf ihre Rechnung, die sich jahrelang mit Wetten gegen die Tesla-Aktie die Finger verbrannt hatten. Heuer haben sie gute Karten. Seit Jahresbeginn hat das Papier um 70 Prozent nachgegeben und ist damit der drittschlechteste Wert im S&P 500 nach dem Notstromgeneratorenhersteller Generac und der Tinder-Mutter Match.
Rabattaktionen
Der Nimbus der Tesla-Aktie, die sich seit dem Börsengang im Jahr 2010 ver-68-facht hat und damit eine der besten Aktien der vergangenen Jahre ist, ist angekratzt. Die Nachricht, dass Tesla in seiner Fabrik in Shanghai die Bänder vom 20. bis 31. Jänner anhalten will,
nährte die Befürchtung, dass die Nachfrage nach Tesla-Autos tatsächlich nicht mehr so stark wachsen dürfte wie bisher. Ein weiteres Indiz dafür sind die hohen Rabatte, die Tesla derzeit für Autokäufer in China und in den USA gewährt. Ein Problem, das Tesla in den vergangenen Jahren nicht hatte. Damals kam der E-Auto-Hersteller mit dem Produzieren kaum hinterher.
Nun hat Tesla die Produktion dank zweier neuer Werke in Texas und Deutschland ausgeweitet. Nachdem Tesla im Vorjahr 936.000 Autos ausgeliefert hatte, sollten es heuer 1,4 Millionen und jedes weitere Jahr im Schnitt um 50 Prozent mehr sein. Doch wenn die Nachfrage nicht entsprechend steigt, könnte das Unternehmen in den nächsten Jahren Musks Ziel verfehlen, jährlich um durchschnittlich 50 Prozent zu wachsen.
Das Narrativ des starken Wachstums hat zu dem steilen Kursanstieg in den vergangenen Jahren beigetragen. Es zu verteidigen werde hart, meinen die Bloomberg-Analysten. „Teslas geschätztes Umsatzwachstum
ist noch immer eindrucksvoll, aber nicht so eindrucksvoll, dass es einen Marktwert von 385 Milliarden Dollar rechtfertigen würde“, stellte Craig Irwin, Analyst bei Roth Capital Partners, fest. Analysten rechnen im Schnitt mit einem Umsatzwachstum von 54 Prozent im laufenden und 37 Prozent im nächsten Jahr, zeigen BloombergDaten. Doch wo wird sich das weitere Wachstum einpendeln?
Noch immer überbewertet
Davon hängt ab, ob die Tesla-Aktie günstig oder noch immer überbewertet ist. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 21 (auf Basis der geschätzten Gewinne der nächsten zwölf Monate) ist für einen Autohersteller sehr hoch, für ein stark wachsendes Technologieunternehmen nicht unbedingt.
Zuletzt dürften Margin Calls den Abwärtstrend verstärkt haben. Einen Margin Call erhalten Anleger, die kreditfinanziert auf einen steigenden Kurs wetten, wenn die Aktie so stark fällt, dass die Bank um ihre Sicherheiten fürchtet und zu einem Verkauf drängt. Auch die milliardenschweren Aktienverkäufe, die Musk tätigen musste, um die Twitter-Übernahme zu stemmen, dürften sich negativ auf den Kurs ausgewirkt haben.
Doch wenn das abgeebbt ist, kommt dann eine Bodenbildung? Analysten sehen im Schnitt ein Kursziel von 253 Dollar, was bedeutete, dass sich die Tesla-Aktie, die kürzlich mit der 100-DollarGrenze kämpfte, mehr als verdoppeln würde. Doch scheinen viele Analysten angesichts des Kursverfalls nicht mit dem Kurszielsenken nachgekommen zu sein. Seit Ende November haben sie ihr durchschnittliches Kursziel bereits um zehn Prozent gesenkt. Jeffrey Osborne von Cowen verweist etwa auf die starke China-Abhängigkeit, die ihm Sorgen mache.
Doch überwiegen die Kaufempfehlungen. „Trotz der Aktienkursentwicklung scheint sich Teslas Innovationskurve zu beschleunigen, im Gegensatz zu anderen Technologiefirmen, bei denen es nur schrittweise Produktverbesserungen gibt“, meint George Gianarikas von Canaccord.