Die Presse

Vŭcíc als Zündler und Feuerwehrm­ann

Präsident Vŭcíc hat die jüngste Krise im Kosovo mit angeheizt. Jetzt lässt er sich als Problemlös­er und Sieger im Barrikaden­streit feiern. Doch in der EU hat er weiteren Kredit verspielt.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad. Serbiens Staatschef, Aleksandar Vučić, kündigte das Ende des von Belgrad inszeniert­en Barrikaden­kampfs im Nordkosovo persönlich an. „Die Barrikaden werden entfernt, das Misstrauen nicht“, sagte der Chef der nationalpo­pulistisch­en SNS in der Nacht auf Donnerstag. Zuvor hatte er ein zweistündi­ges Treffen mit Vertretern der Kosovo-Serben in Rasˇka abgehalten. Falls Prishtina sich nicht an die von der EU und den USA gegebenen Garantien halten sollte, von einer Verfolgung der Barrikaden­besetzer abzusehen, „werden die Serben den Nordkosovo für immer absperren“.

An den Grenzüberg­ängen zu Serbien wurden bereits am Donnerstag­morgen nach 19 Tagen Blockade die ersten Lkw-Barrikaden im überwiegen­d serbisch besiedelte­n Nordkosovo geräumt. „Sieg!“, titelten in Belgrad die regierungs­nahen Boulevardb­lätter unisono. „Die entführten Serben sind befreit!“, vermeldete „Informer“. „Dies ist ein großer Sieg – vor allem für das serbische Volk im Kosovo“, versichert­e Peter Petković, der Chef von Serbiens Kosovo-Kanzlei.

Ausfälle gegen deutsche Diplomaten

Tatsächlic­h wurde mit der vorläufige­n Entlassung von zwei verhaftete­n Expolizist­en der Kosovo-Serben eine der Forderunge­n der Barrikaden­besetzer erfüllt. Gleichzeit­ig konnte Vučić erneut in seiner Lieblingsr­olle als Feuerwehrm­ann für selbst geschürte Brände glänzen. Doch sein vermeintli­cher Triumph könnte sich auch bald als Pyrrhussie­g erweisen. Mit den von Belgrad inszeniert­en Kriegsdroh­ungen hat Vučić in den vergangene­n drei Wochen in der EU weiteren Kredit verspielt. Die Zeiten, als ausländisc­he Politiker wie die damalige deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel den wendigen Politiker noch als „Reformer“priesen, sind längst vorbei.

Mit patzigen Ausfällen gegen die deutschen Diplomaten in Belgrad und Prishtina, die Kosovo-Berichters­tatterin Viola von Cramon und Außenminis­terin Annalena Baerbock haben Serbiens Regierungs­chefin, Ana Brnabić, aber auch Vučić ausgerechn­et in den Beziehunge­n zum wichtigste­n EU- und Handelspar­tner Deutschlan­d Porzellan zerschlage­n. Deutschlan­d wolle „blinde Hörigkeit“und „den Balkan völlig dominieren“, wütete Vučić vergangene Woche in einem Interview mit TV Pink.

Kosovo-Serben als Verlierer

Neben Mediengäng­elung und den ausbleiben­den Fortschrit­ten bei der Schaffung rechtsstaa­tlicher Verhältnis­se lasten ihm aber auch andere EU-Partner vor allem die hartnäckig­e Verweigeru­ng der EU-Sanktionen gegen Russland und das nicht erfüllte Verspreche­n eines Ausgleichs mit dem Kosovo an. Von einem drohenden „Rauswurf“seiner rechtspopu­listischen SNS aus der konservati­ven Parteienfa­milie der EVP berichtet bereits das Webportal nova.rs.

Doch vor allem die Kosovo-Serben, die auf Geheiß Belgrads erst den Dienst in der Kosovo-Polizei quittierte­n und dann die Barrikaden­besetzer mimten, könnten sich als die eigentlich­en Verlierer des von Belgrad inszeniert­en Blockadesp­ektakels erweisen. Eine Strafverfo­lgung haben sie wegen der EU-Garantien zwar nicht zu fürchten, aber den alten Job sind sie vorläufig los.

Er rufe alle Kosovo-Serben dazu auf, sich für die Hunderten von frei gewordenen Stellen in den Staatsinst­itutionen zu bewerben, „besonders diejenigen, die bisher keine Chancen hatten“, so Kosovos Premier, Albin Kurti. Belgrad will die arbeitslos gewordenen Ex-Gesetzeshü­ter im Nordkosovo zwar als eine Art stille Sicherheit­sreserve weiter finanziere­n. Doch besorgt bezeichnet die EURechtsst­aatlichkei­tsmission (Eulex) die „störende Präsenz von bewaffnete­n und maskierten Gruppen“im Nordkosovo schon jetzt als „inakzeptab­el“.

Premier Kurti kritisiert Kosovo-Justiz

Auch in Prishtina hängt der Haussegen nach dem vorläufige­n Ende des Barrikaden­streits schief. Besorgt zeigte sich der um die Unabhängig­keit der Justiz bangende Richterver­band darüber, dass Premier Kurti erbost den Namen des Staatsanwa­lts angeforder­t hat, der die Überstellu­ng eines inhaftiert­en Kosovo-Serben in den Hausarrest angeordnet hatte. Auch Justizmini­sterin Albulena Haxhiu hatte der Kosovo-Justiz vorgeworfe­n, sich mit der „Amnestie von Terroriste­n“an die Seite „kriminelle­r Gruppen“zu stellen.

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[ Reuters/Marko Djurica ] Serbiens Präsident Vucˇic´ kündigte persönlich den Abbau der Barrikaden im Kosovo an.

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