Vŭcíc als Zündler und Feuerwehrmann
Präsident Vŭcíc hat die jüngste Krise im Kosovo mit angeheizt. Jetzt lässt er sich als Problemlöser und Sieger im Barrikadenstreit feiern. Doch in der EU hat er weiteren Kredit verspielt.
Belgrad. Serbiens Staatschef, Aleksandar Vučić, kündigte das Ende des von Belgrad inszenierten Barrikadenkampfs im Nordkosovo persönlich an. „Die Barrikaden werden entfernt, das Misstrauen nicht“, sagte der Chef der nationalpopulistischen SNS in der Nacht auf Donnerstag. Zuvor hatte er ein zweistündiges Treffen mit Vertretern der Kosovo-Serben in Rasˇka abgehalten. Falls Prishtina sich nicht an die von der EU und den USA gegebenen Garantien halten sollte, von einer Verfolgung der Barrikadenbesetzer abzusehen, „werden die Serben den Nordkosovo für immer absperren“.
An den Grenzübergängen zu Serbien wurden bereits am Donnerstagmorgen nach 19 Tagen Blockade die ersten Lkw-Barrikaden im überwiegend serbisch besiedelten Nordkosovo geräumt. „Sieg!“, titelten in Belgrad die regierungsnahen Boulevardblätter unisono. „Die entführten Serben sind befreit!“, vermeldete „Informer“. „Dies ist ein großer Sieg – vor allem für das serbische Volk im Kosovo“, versicherte Peter Petković, der Chef von Serbiens Kosovo-Kanzlei.
Ausfälle gegen deutsche Diplomaten
Tatsächlich wurde mit der vorläufigen Entlassung von zwei verhafteten Expolizisten der Kosovo-Serben eine der Forderungen der Barrikadenbesetzer erfüllt. Gleichzeitig konnte Vučić erneut in seiner Lieblingsrolle als Feuerwehrmann für selbst geschürte Brände glänzen. Doch sein vermeintlicher Triumph könnte sich auch bald als Pyrrhussieg erweisen. Mit den von Belgrad inszenierten Kriegsdrohungen hat Vučić in den vergangenen drei Wochen in der EU weiteren Kredit verspielt. Die Zeiten, als ausländische Politiker wie die damalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel den wendigen Politiker noch als „Reformer“priesen, sind längst vorbei.
Mit patzigen Ausfällen gegen die deutschen Diplomaten in Belgrad und Prishtina, die Kosovo-Berichterstatterin Viola von Cramon und Außenministerin Annalena Baerbock haben Serbiens Regierungschefin, Ana Brnabić, aber auch Vučić ausgerechnet in den Beziehungen zum wichtigsten EU- und Handelspartner Deutschland Porzellan zerschlagen. Deutschland wolle „blinde Hörigkeit“und „den Balkan völlig dominieren“, wütete Vučić vergangene Woche in einem Interview mit TV Pink.
Kosovo-Serben als Verlierer
Neben Mediengängelung und den ausbleibenden Fortschritten bei der Schaffung rechtsstaatlicher Verhältnisse lasten ihm aber auch andere EU-Partner vor allem die hartnäckige Verweigerung der EU-Sanktionen gegen Russland und das nicht erfüllte Versprechen eines Ausgleichs mit dem Kosovo an. Von einem drohenden „Rauswurf“seiner rechtspopulistischen SNS aus der konservativen Parteienfamilie der EVP berichtet bereits das Webportal nova.rs.
Doch vor allem die Kosovo-Serben, die auf Geheiß Belgrads erst den Dienst in der Kosovo-Polizei quittierten und dann die Barrikadenbesetzer mimten, könnten sich als die eigentlichen Verlierer des von Belgrad inszenierten Blockadespektakels erweisen. Eine Strafverfolgung haben sie wegen der EU-Garantien zwar nicht zu fürchten, aber den alten Job sind sie vorläufig los.
Er rufe alle Kosovo-Serben dazu auf, sich für die Hunderten von frei gewordenen Stellen in den Staatsinstitutionen zu bewerben, „besonders diejenigen, die bisher keine Chancen hatten“, so Kosovos Premier, Albin Kurti. Belgrad will die arbeitslos gewordenen Ex-Gesetzeshüter im Nordkosovo zwar als eine Art stille Sicherheitsreserve weiter finanzieren. Doch besorgt bezeichnet die EURechtsstaatlichkeitsmission (Eulex) die „störende Präsenz von bewaffneten und maskierten Gruppen“im Nordkosovo schon jetzt als „inakzeptabel“.
Premier Kurti kritisiert Kosovo-Justiz
Auch in Prishtina hängt der Haussegen nach dem vorläufigen Ende des Barrikadenstreits schief. Besorgt zeigte sich der um die Unabhängigkeit der Justiz bangende Richterverband darüber, dass Premier Kurti erbost den Namen des Staatsanwalts angefordert hat, der die Überstellung eines inhaftierten Kosovo-Serben in den Hausarrest angeordnet hatte. Auch Justizministerin Albulena Haxhiu hatte der Kosovo-Justiz vorgeworfen, sich mit der „Amnestie von Terroristen“an die Seite „krimineller Gruppen“zu stellen.