Göttinnen und Mamalieblinge
Spitting Ibex, das scharf tönende Quintett, wagt sich nach zehn Jahren mit dem neuen Album „E.G.O.“ziemlich weit in Richtung Rockmusik.
Mit wunderherrlichen Soulsongs wie „The Seeds of Your Sorrow“ist einstweilen Schluss. Das Quintett hat sich jetzt auf eine Rockästhetik festgelegt, die geradewegs aus den Siebzigerjahren zu kommen scheint. Vor allem die fett gespielte Gitarre von Bandleader Florian Kittner erstaunt. „Keinesfalls möchte ich altmodisch klingen, aber verleugnen kann ich es auch nicht, dass Frank Zappa und Jimi Hendrix meine musikalischen Heroen sind.“
Gemeinsam mit seinem Bassisten Florian Jauker hat Kittner das Quintett Spitting Ibex vor auch schon wieder zehn Jahren gegründet. Seither ist viel passiert. Zu Beginn hat die Kombo noch mit Rappern gearbeitet, dann stieg Sängerin Tanja Peinsipp ein und es wurde soulig und funky. Jetzt, mit dem dritten Album, folgt ein neuerlicher Stilwechsel. Sämtliche Bandmitglieder sind damit happy.
„Der neue Sound hat sich von ganz allein ergeben“, sagt Kittner. Er hat das Bandlogo samt Schriftzug deutlich sichtbar auf den rechten Arm tätowiert. Sängerin Tanja Peinsipp hat sich wiederum links einen Seitenstreifen mit Tinte applizieren lassen. Ihr Sprachduktus erstaunt. So subtil sie zu singen in der Lage ist, so unverstellt spricht sie ihr breites Oststeirisch. Ja, bellt es. Aus Hartberg stammt sie. Und in Pöllau, jenem Ort, an dem Steirisch sogar für viele Steirer zur Fremdsprache wird, hat sie Verwandte. „Ich kann aber schon schön auch sprechen“, versichert sie, um gleich wieder in breiten Dialekt zu verfallen, den wir hier behutsam rückübersetzen. „Corona hat den Wechsel zu härteren Sounds stark beschleunigt.“
Spuckender Steinbock
Ihren ungewöhnlichen Bandnamen hat die Kombo „von einem blöden YouTube-Video, in dem ein spanischer Komiker ein Interview mit einem Steinbock machte, der ihn permanent anspuckte. Das war eine spontane Entscheidung“, erinnert sich Keyboarder Valentin Zopp. Er spielt auf dem neuen Album alles mit Tasten. Vom delikaten Fender-RhodesPiano bis zum fiepsigen Synthesizer.
Warum das neue Album „E.G.O.“heißt? „Na, weil es ein hervorstechendes Merkmal unserer Zeit ist, dass sich vieles in Politik, Wirtschaft und Kunst auf Personen reduziert“, meint der 34-jährige Gitarrist Kittner. „Früher hat es noch kollektive Bewegungen gegeben, auch Jugendbewegungen. Heute scheinen alle isoliert zu sein. Auch durch Social Media, die ja das Gegenteil von Einsamkeit versprechen. Skater, Punks, Gruftis – sie alle haben sich in Gruppen organisiert. Das scheint mir nun verloren.“
Die 25-jährige Sängerin Peinsipp sieht es nicht so eng. Aber: „Das Egomanentum scheint mir zum Zeitgeist zu gehören. Wie auch die Fantasie vom starken Mann oder der starken Frau, wie wir gerade in Italien sehen.“Kurioserweise halten sich Spitting Ibex einen solchen auch innerhalb der Band. Kittner bekennt sich zu seiner Leadership. „Bei allen demokratischen Prozessen, die es im Bandgefüge gibt, am Ende muss doch einer sagen, wie es letztlich gemacht wird. Als Gründer der Band und als der, der die meiste Musik schreibt, bin ich das.“
Dabei spielt er nicht nur Gitarre, sondern zuweilen auch Keyboardmotive. „Da leidet dann der Valentin immer ein wenig“, meint die Sängerin mitfühlend. Sie schrieb auch den einen oder anderen Text auf dem neuen Album. Worum geht es in „Surface“? „Hier habe ich die Beziehung zu meiner Mutter etwas ausgelotet.“
Während diese ein wenig ambivalent sein dürfte, sind die beim Interview anwesenden Burschen jeweils Mamas Liebling. „Ich war ein Einzelkind. Meine Mutter ist mein größter Fan. Sie kommt praktisch zu allen Konzerten“, gesteht Kittner. Zopp pflichtet bei. Auch seine Mama ist stets präsent. Wollen sich Spitting Ibex wegen deren Anwesenheit nicht zu schärferer Gesellschaftskritik durchringen? „Nein. Wir stehen in erster Linie auf Humor. Es muss nicht alles bierernst sein“, so Kittner.
Und dann gibt es doch ein paar ernste Momente. Etwa „Mamagodoh“, ein religionskritisches Lied. Darin fragt sich Peinsipp, wie es wäre, „wenn die Menschen eine Göttin anbeten würden“. Das ist ihrer frühen Heldinnen Billie Holiday und Tina Turner durchaus würdig. Bei aller Freude über den Erfolg ist letztlich Applaus nicht etwas, was korrumpiert? „Nein“, sagt Zopp, „wir wollen Crowdpleaser sein, aber auch kritische Positionen vertreten.“