Integration durch Leistung: Auch für Ayslwerbende?
Eine restriktive Arbeitsmarktpolitik für Geflüchtete verursacht volkswirtschaftlichen Schaden.
In Zeiten des spürbaren Arbeitskräftemangels mehren sich wieder Stimmen, die einen Arbeitszugang für Asylwerbende, also Personen, die sich noch im Verfahren befinden, fordern. Darunter Wiens Bürgermeister, Michael Ludwig, der damit aus dem restriktiven Migrationskurs der Bundespartei ausschert, aber auch der ÖVP-Politiker und Präsident der Tiroler Wirtschaftskammer, Christoph Walser, sowie Innsbrucks Bürgermeister, Georg Willi.
„Integration durch Arbeit“ist ein Gebot, das in Österreich mehrheitsfähig scheint, selbst für jene, die sonst für Abschottung und zuletzt gar für Mauerbau einstanden. Aus integrationspolitischer Sicht liegen die Vorteile von Beschäftigung auf der Hand: Ähnlich wie bei Österreichern auch hat Langzeitarbeitslosigkeit, wie sie von Asylwerbenden monatelang während des Verfahrens erlebt wird, einen massiv negativen Effekt auf die körperliche und seelische Gesundheit. Soziale Netzwerke und strukturierte Tagesabläufe, die durch Erwerbsarbeit entstehen, können beitragen, die potenziell traumatischen Erfahrungen, die viele Geflüchtete im Herkunftsland oder auf ihrem Weg nach Europa gemacht haben, besser zu verarbeiten. Nicht zuletzt stärkt die sinnvolle Beschäftigung jugendlicher Asylwerber wohl auch deren Selbstwert und in weiterer Folge das viel zitierte „subjektive Sicherheitsgefühl“der österreichischen Bevölkerung.
Und das Argument, Migranten aus dem globalen Süden erhielten durch den Arbeitsmarktzugang für Asylwerbende nur noch mehr Anreiz, nach Österreich zu kommen, ist wohl der mittlerweile hinreichend widerlegten Pull-FaktorMär zuzuschreiben. Unsere deutschen Nachbarn ermöglichen bereits seit einiger Zeit den sogenannten Spurwechsel in Form einer Ausbildungsduldung für (abgelehnte) Asylwerbende und verzeichnen dennoch geringere Pro-Kopf-Asylzahlen als Österreich. In Deutschland ansässige große Unternehmen wie Ben & Jerry’s oder Ikea fordern sogar ein noch großzügigeres Bleiberecht, um den steigenden Bedarf an Auszubildenden decken zu können.
Folgekosten sind hoch
Geschieht dies nicht, so sind die Folgekosten mitunter hoch. Denn eine restriktive Arbeitsmarktpolitik für Geflüchtete verursacht volkswirtschaftlichen Schaden, wie eine Studie der Universität Stanford und der ETH Zürich anhand eines natürlichen Experiments eindrucksvoll zeigt: Hätte Deutschland in den 1990ern den Arbeitsmarkt für Geflüchtete aus Exjugoslawien nur sieben Monate früher geöffnet, so wären durch weniger Sozialausgaben und mehr Steuereinnahmen pro Jahr 40 Millionen Euro eingespart worden. Das lässt sich durch den sogenannten Narbeneffekt von Arbeitslosigkeit erklären: Je länger ein Mensch nicht arbeiten darf, desto stärker und nachhaltiger sinkt die Motivation, und steigt auch nach erfolgtem Arbeitsmarktzugang nicht wieder so rasch an. Deshalb sind die ersten Monate im Aufnahmeland ganz besonders entscheidend für die spätere, rasche Integration von Geflüchteten. Alles, was in dieser Phase falsch läuft, wirkt überproportional lange nach.
Der integrative und volkswirtschaftliche Nutzen der Erwerbstätigkeit von Asylwerbenden steht also außer Frage, auch wenn sich bei näherer Betrachtung gewisse Einschränkungen auftun, je nach Branche und Beschäftigungsform. Eine neue Studie von Sora zeigt, dass 13 Prozent der Migranten in Österreich von ihren Jobs nicht leben können, also zu den sogenannten Working Poor zu zählen sind. Personen mit Migrationsbiografie, und darunter besonders Geflüchtete und Frauen, arbeiten wesentlich häufiger in prekären Beschäftigungsverhältnissen und haushaltsnahen Tätigkeiten und sind stärker von beruflicher Dequalifikation betroffen als Einheimische.
Strukturelle Diskriminierung
Im Job sind sie mit höherer Gesundheitsbelastung und unregelmäßigen Arbeitszeiten konfrontiert. Das lässt sich nur teilweise mit schlechteren Deutschkenntnissen oder dem mühevollen Weg der Anerkennung von im Ausland erworbener Qualifikation erklären. Ein wesentlicher Faktor, so die Sora-Erhebung, sei die strukturelle Diskriminierung auf dem hiesigen Arbeitsmarkt. Studien, wonach Bewerber mit österreichisch klingenden Namen bis zu dreimal häufiger zu Vorstellungsgesprächen geladen werden als Menschen mit einem „ausländischen“Namen, belegen das (leider) immer wieder.
Beschäftigung für alle
Will man also Geflüchtete bereits während des Asylverfahrens nachhaltig durch Arbeit integrieren, so gilt es auch genau hinzuschauen, wo sie arbeiten und zu welchen Bedingungen. Das Ziel muss eine adäquate Beschäftigung für alle in Österreich lebenden Menschen sein, denn auch unter Geflüchteten finden sich Personen mit mittlerer oder hoher Ausbildung.
Zuletzt wurde das anhand der ukrainischen Vertriebenen sichtbar, die laut ersten Erhebungen des Österreichischen Integrationsfonds oder der Wirtschaftsuniversität Wien eine Akademikerrate um die 70 Prozent aufweisen. Anfangs schlechte Deutschkenntnisse dürfen da kein Hindernis sein, um ausbildungsgerecht auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das erfordert aber auch entsprechende Flexibilität und Bereitschaft der Arbeitgeber, am Arbeitsplatz für Weiterqualifikation zu sorgen.
Und nicht zuletzt braucht es wohl auch ein Umdenken der Politik: Jahrelang die deutsche Sprache als „Schlüssel zur Integration“zu postulieren, nun aber unmittelbaren Jobeinstieg bei nur geringem Deutschniveau zu fordern, geht sich, salopp gesagt, nicht aus.