Pariser Moschee klagt Houellebecq
Der Autor prognostizierte für Frankreich „umgekehrte Bataclans“: als „Widerstandskämpfe“gegen islamisch kontrollierte Gebiete.
Wenn ganze Gebiete unter islamischer Kontrolle sein werden, nehme ich an, dass es Widerstandskämpfe gegen wird. Es wird Attentate und Schießereien in den Moscheen geben, in den von Muslimen besuchten Cafés, kurz, umgekehrte Bataclans“: In Äußerungen wie diesen sieht die Große Pariser Moschee eine „Aufstachelung zum Hass“. Und hat sich zur Klage entschlossen.
Michel Houellebecq hat diese Sätze in einem langen Gespräch mit dem Philosophen Michel Onfray geäußert, das im Dezember in Onfrays Magazin „Front Populaire“veröffentlicht wurde. Die zwei Männer tauschen sich darin freundschaftlich über das aus, was sie als Niedergang des „Westens“wahrnehmen.
Suprematismus muss „trendy“werden
Houellebecq sieht Anzeichen einer Gegenreaktion auf die ihm zufolge unkontrollierte muslimische Massenmigration aus dem geburtenstärkeren Afrika: „Leute bewaffnen sich. Sie verschaffen sich Gewehre, nehmen Unterricht im Schießen. Und das sind keine Hitzköpfe.“An einer anderen Stelle sagt er, der Wunsch der eingesessenen Bevölkerung sei nicht, „dass die Muslime sich assimilieren, sondern dass sie aufhören, zu stehlen und gewalttätig zu sein“. Wieder an einer anderen Stelle beklagt Houellebecq, dass Frankreich zu sehr im Schlepptau der USA sei, um sich national aufzurichten, und folgert daraus: „Unsere einzige Überlebenschance wäre, dass der weiße Suprematismus in den USA ,trendy‘ wird.“
„Verblüffende Brutalität“findet der Rektor der Großen Pariser Moschee, Chems-eddine Mohamed Hafiz, in diesen Sätzen. Und tatsächlich erreichen sie im Vergleich zu früheren Aussagen des Schriftstellers eine neue Härtestufe – zumindest im Tonfall. Inhaltlich ist es im Grunde nichts Neues: Die Befürchtung, dass Frankreich durch muslimische Masseneinwanderung im Bürgerkrieg versinken könnte, äußerte Houellebecq schon 2014, und 2015 breitete er sie in seinem Roman „Unterwerfung“aus. Darin beschrieb er eine islamische Machtübernahme in Frankreich (mithilfe willfähriger linker Intellektueller) als im Grunde wohlverdient, weil durch die Dekadenz und Selbstpreisgabe der eigenen Kultur verschuldet. Dass „Unterwerfung“ausgerechnet am Tag des islamistischen Terroranschlags auf die Redaktion des Satire-Magazins „Charlie Hebdo“erschien, gab dem Roman noch zusätzlichen Sprengstoff.
Houellebecqs islamophobes Image reicht freilich schon viel länger zurück. 2002 bezeichnete er in einem Interview den Islam als „dümmste aller Religionen“. Eine darauf folgende Klage mehrerer Islamverbände wurde unter Hinweis auf das Recht auf Religionskritik abgewiesen. Houellebecq selbst nahm seine Aussage später zurück: Die Koran-Lektüre habe ihn eines Besseren belehrt. „Eine durchschnittliche Interpretation des Koran führt keineswegs zum Jihadismus“, sagte er.
Das Bild der westlichen Gesellschaft als dekadent zieht sich als Dauerthema durch Houellebecqs Werk, schon seit frühen Texten wie „Ausweitung der Kampfzone“und „Elementarteilchen“. Nur die Erscheinungsform hat sich geändert: Zur Kritik an Kapitalismus, Individualismus und Emanzipation kam zunehmend das Leiden am Untergang einer traditionellen (religiösen) Kultur.