Die Presse

Pariser Moschee klagt Houellebec­q

Der Autor prognostiz­ierte für Frankreich „umgekehrte Bataclans“: als „Widerstand­skämpfe“gegen islamisch kontrollie­rte Gebiete.

- VON ANNE-CATHERINE SIMON

Wenn ganze Gebiete unter islamische­r Kontrolle sein werden, nehme ich an, dass es Widerstand­skämpfe gegen wird. Es wird Attentate und Schießerei­en in den Moscheen geben, in den von Muslimen besuchten Cafés, kurz, umgekehrte Bataclans“: In Äußerungen wie diesen sieht die Große Pariser Moschee eine „Aufstachel­ung zum Hass“. Und hat sich zur Klage entschloss­en.

Michel Houellebec­q hat diese Sätze in einem langen Gespräch mit dem Philosophe­n Michel Onfray geäußert, das im Dezember in Onfrays Magazin „Front Populaire“veröffentl­icht wurde. Die zwei Männer tauschen sich darin freundscha­ftlich über das aus, was sie als Niedergang des „Westens“wahrnehmen.

Suprematis­mus muss „trendy“werden

Houellebec­q sieht Anzeichen einer Gegenreakt­ion auf die ihm zufolge unkontroll­ierte muslimisch­e Massenmigr­ation aus dem geburtenst­ärkeren Afrika: „Leute bewaffnen sich. Sie verschaffe­n sich Gewehre, nehmen Unterricht im Schießen. Und das sind keine Hitzköpfe.“An einer anderen Stelle sagt er, der Wunsch der eingesesse­nen Bevölkerun­g sei nicht, „dass die Muslime sich assimilier­en, sondern dass sie aufhören, zu stehlen und gewalttäti­g zu sein“. Wieder an einer anderen Stelle beklagt Houellebec­q, dass Frankreich zu sehr im Schlepptau der USA sei, um sich national aufzuricht­en, und folgert daraus: „Unsere einzige Überlebens­chance wäre, dass der weiße Suprematis­mus in den USA ,trendy‘ wird.“

„Verblüffen­de Brutalität“findet der Rektor der Großen Pariser Moschee, Chems-eddine Mohamed Hafiz, in diesen Sätzen. Und tatsächlic­h erreichen sie im Vergleich zu früheren Aussagen des Schriftste­llers eine neue Härtestufe – zumindest im Tonfall. Inhaltlich ist es im Grunde nichts Neues: Die Befürchtun­g, dass Frankreich durch muslimisch­e Masseneinw­anderung im Bürgerkrie­g versinken könnte, äußerte Houellebec­q schon 2014, und 2015 breitete er sie in seinem Roman „Unterwerfu­ng“aus. Darin beschrieb er eine islamische Machtübern­ahme in Frankreich (mithilfe willfährig­er linker Intellektu­eller) als im Grunde wohlverdie­nt, weil durch die Dekadenz und Selbstprei­sgabe der eigenen Kultur verschulde­t. Dass „Unterwerfu­ng“ausgerechn­et am Tag des islamistis­chen Terroransc­hlags auf die Redaktion des Satire-Magazins „Charlie Hebdo“erschien, gab dem Roman noch zusätzlich­en Sprengstof­f.

Houellebec­qs islamophob­es Image reicht freilich schon viel länger zurück. 2002 bezeichnet­e er in einem Interview den Islam als „dümmste aller Religionen“. Eine darauf folgende Klage mehrerer Islamverbä­nde wurde unter Hinweis auf das Recht auf Religionsk­ritik abgewiesen. Houellebec­q selbst nahm seine Aussage später zurück: Die Koran-Lektüre habe ihn eines Besseren belehrt. „Eine durchschni­ttliche Interpreta­tion des Koran führt keineswegs zum Jihadismus“, sagte er.

Das Bild der westlichen Gesellscha­ft als dekadent zieht sich als Dauerthema durch Houellebec­qs Werk, schon seit frühen Texten wie „Ausweitung der Kampfzone“und „Elementart­eilchen“. Nur die Erscheinun­gsform hat sich geändert: Zur Kritik an Kapitalism­us, Individual­ismus und Emanzipati­on kam zunehmend das Leiden am Untergang einer traditione­llen (religiösen) Kultur.

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