Die Presse

Eine Christin, die sich nicht beugt

Die Publizisti­n Gudula Walterskir­chen steht gegen „Mainstream“und neuen Totalitari­smus auf.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

Viele Menschen, so die Historiker­in und Publizisti­n Gudula Walterskir­chen, fühlten seit Jahr und Tag, „dass sich unsere Gesellscha­ft dramatisch ändert“. Unter dem Deckmäntel­chen einer liberalen Demokratie seien Mechanisme­n etabliert worden, die zu Unfreiheit, zu Unterdrück­ung führen.

Die Autorin, zunächst „Presse“-Redaktions­mitglied, dann langjährig­e Kolumnisti­n dieses Blatts, treibt die Frage um, wie man sich den Techniken totalitäre­r Systeme nicht nur entziehen, sondern diese möglichst stoppen oder gar rückgängig machen könne. Sie scheut nicht die Auseinande­rsetzung, sie will kämpfen. Und daher verweist sie auf einen gefährlich­en Trend, den sie die „atomisiert­e Gesellscha­ft“nennt. Diese besteht aus zunehmend „beziehungs­und heimatlose­n Individuen, die leicht einzuschüc­htern und zu beeinfluss­en sind“. Dass die Abschottun­gsmaßnahme­n während der Coronajahr­e erheblich dazu beigetrage­n haben, lässt sich wohl nicht leugnen. Home-Office, HomeSchool­ing, die Notwendigk­eit, Kontakte zu vermeiden, haben zweifellos die Digitalisi­erung beschleuni­gt, wie die Website der Bundesregi­erung richtig anmerkt. Doch Walterskir­chen warnt zugleich. Der „Fahrplan“der EU-Kommission vom März 2021 zum digitalen Wandel Europas bis 2030 mache Österreich offenbar zum Versuchsla­bor. Hier werde erstmals erprobt, wie man den „gläsernen Bürger“im digitalen Zeitalter schaffen könne, was die EU euphemisti­sch „länderüber­greifende Synergien“nenne: Wer heute einen neuen Reisepass beantrage, bekomme automatisc­h eine „ID Austria“, sofern man dies nicht ausdrückli­ch ablehne. Diese „ID Austria“könne dann sukzessive erweitert werden, etwa um die Meldedaten und den Führersche­in – ganz praktisch, so eine „Bürgerkart­e“für Behördenwe­ge! „Dieses Vorhaben der EU-Kommission, eine europäisch­e elektronis­che Identität einzuführe­n, blieb im Schatten von Corona bisher weitgehend unbeachtet“, beobachtet die streitbare Publizisti­n.

Mechanisme­n, die von einer freien und offenen Gesellscha­ft zu einer unfreien und geschlosse­nen führen, sind beileibe nicht neu. Es gab sie immer schon in der Menschheit­sgeschicht­e. Walterskir­chen verweist auf die berühmte Schrift Platons „Der Staat“und auf den Nationalis­mus, der gegen Ende des 19. Jahrhunder­ts dermaßen starke Verbreitun­g fand, dass er zur Katastroph­e des Ersten Weltkriegs, des nachfolgen­den Faschismus, des Kommunismu­s und letztlich zu einem noch weit verheerend­eren Weltkrieg führen musste.

„Freiheit wurde stets errungen“

„Freiheit für alle Menschen hat es in der Geschichte nie gegeben“, dekretiert sie: „Freiheit wurde in der Geschichte stets errungen, sie wurde nie von den Mächtigen einfach geschenkt.“Der Leser assoziiert damit zwangsläuf­ig die Entstehung­sgeschicht­e der „Presse“, deren Existenz jener „Pressefrei­heit“zu verdanken ist, die die Studenten in der bürgerlich­en Revolution dem Metternich’schen System 1848 blutig abrangen.

Heute gäbe es den neuen Totalitari­smus, „der sich als Dienstleis­ter am Menschen tarnt“, ihn aber letztlich völlig beherrsche­n und kontrollie­ren wolle. Er rede von Glück und Fairness und meine Herrschaft einer Elite über den Rest der Menschheit. „Er predigt den Umweltschu­tz und steigt in seine Privatjets.“

Eine flotte lesens- und bedenkensw­erte Streitschr­ift.

 ?? ?? Gudula Walterskir­chen „Wie wir unfrei werden Der Weg zur totalitäre­n Gesellscha­ft“
Seifert, 231 Seiten, 25 €
Gudula Walterskir­chen „Wie wir unfrei werden Der Weg zur totalitäre­n Gesellscha­ft“ Seifert, 231 Seiten, 25 €

Newspapers in German

Newspapers from Austria