Die Presse

Medikament­enmangel in Österreich: Der Winter der Engpässe

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Kalkuliert wird stets sehr knapp, um Überproduk­tionen zu vermeiden, weswegen es schon in früheren Jahren immer wieder zu durchaus spürbaren Engpässen gekommen ist, wenn die Nachfrage stärker ausgefalle­n ist als erwartet. Zudem sind Produktion, Verpackung und Auslieferu­ng derart vernetzt, dass der Bedarf an Medikament­en zumeist mehrere Monate im Voraus berechnet wird.

Kurzfristi­g auf eine steigende Nachfrage zu reagieren ist beinahe unmöglich. Zwar sind die Hersteller im Sommer sehr wohl von einem höheren Bedarf ausgegange­n, aber nicht von einem so hohen, sie haben sich schlichtwe­g verschätzt. Darüber hinaus wurde die Entwicklun­g in China, die im jetzigen Eigenbedar­f an Antibiotik­a mündet, nicht ausreichen­d berücksich­tigt.

Eigenbedar­f deshalb, weil Viruserkra­nkungen wegen des geschädigt­en Gewebes häufig zu sekundären bakteriell­en Superinfek­tionen führen, für deren Behandlung Penicillin erforderli­ch ist.

Unterschät­zt wurden auch die Schwankung­en bei der Rohstoffkn­appheit und der Energiever­sorgung, die wiederholt zu Verzögerun­gen und Ausfällen bei der Produktion sowie zu Auslieferu­ngsstopps wegen Qualitätsm­ängeln geführt haben. Letztlich also eine Verkettung unglücklic­her Umstände, die in einem fragilen Gerüst wie der globalen Medikament­enversorgu­ng schnell zu Problemen führen können.

Eine kleine Rolle spielen im Übrigen auch sogenannte Parallelex­porte. Dabei werden Medikament­e, die in den internatio­nalen Kontingent­en für Österreich vorgesehen sind, von Apothekeng­roßhändler­n aufgekauft und in anderen Ländern der Europäisch­en Union mit Profit weiterverk­auft. Die Preisunter­schiede in den einzelnen Ländern betragen nämlich bis zu 60 Prozent. Allerdings betreffen Parallelex­porte nur einen Bruchteil der Medikament­e – und zwar die teuersten, bei Antibiotik­a ist die Gewinnspan­ne üblicherwe­ise zu gering.

3 Welche Maßnahmen wurden und werden ergriffen, um die Lage zu entspannen?

Um langfristi­g eine Stabilisie­rung des Markts herbeizufü­hren und die Abhängigke­it von China und Indien zu reduzieren, ist eine

Verlagerun­g der Produktion nach Europa erforderli­ch. Das wiederum würde höhere Preise für patentgesc­hützte Medikament­e notwendig machen, um Pharmaunte­rnehmen – wie etwa Sandoz im Tiroler Kundl, wo ein beträchtli­cher Teil des weltweiten Penicillin-Bedarfs produziert wird – in Europa anzusiedel­n. Darin sind sich Gesundheit­sökonomen einig.

Entspreche­nde Bemühungen gibt es seit Jahren, die derzeitige Knappheit wird sie beschleuni­gen. Bis dahin könnten größere Vorräte im eigenen Land zur Entschärfu­ng der Lage beitragen – also das rechtzeiti­ge Beschaffen und Einlagern von Medikament­en, von denen davon auszugehen ist, dass die Nachfrage nach ihnen in den kommenden Monaten steigen wird.

Vorbereitu­ngen dazu sind in Österreich im Gange. Ein Streitpunk­t war bisher, wer in dem Gremium sitzen soll, das über die bevorratet­en Medikament­e entscheide­t. Als Akutmaßnah­me hat der Verband der Österreich­ischen Arzneimitt­elgroßhänd­ler (Phago) angekündig­t, Apotheken gezielter mit den von Engpässen betroffene­n Medikament­en zu versorgen – diese also nicht gleichmäßi­g zu bedienen, sondern je nach (täglichem) Bedarf.

„Um zu vermeiden, dass eine Apotheke im Burgenland Antibiotik­a für mehrere Wochen hat, eine in Wien hingegen gar keine mehr“, sagt Phago-Präsident Andreas Windischba­uer. „Das machen wir bei einer Knappheit ohnehin schon seit Jahren, nur bekommt es die Bevölkerun­g kaum mit.“

Apotheken würden sich auch untereinan­der aushelfen, sagt Ulrike MurschEdlm­ayr, Präsidenti­n der Österreich­ischen Apothekerk­ammer. Zudem werde versucht, auf andere Packungsgr­ößen auszuweich­en und nach Rücksprach­e mit den verschreib­enden Ärzten ähnlich wirkende Wirkstoffe zu verabreich­en, was sich aber zunehmend schwierige­r gestalte.

Nicht zuletzt wird seitens des Phago versucht, anderen Ländern Kontingent­e abzukaufen. Aber welches Land hat derzeit überschüss­ige Medikament­e zu verkaufen? „Gar keines“, so Windischba­uer. „Deswegen waren wir bisher auch nicht besonders erfolgreic­h darin, Medikament­e auf diesem Weg zu besorgen.“

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