Die Presse

„Staat verbrennt Geld, ändert aber am Status quo nichts“

Internorm-Chef Klinger kritisiert Preisdecke­l bei Energie.

- VON GERHARD HOFER

Wie geht es der Baubranche aus Sicht des Fensterher­stellers Internorm?

Christian Klinger: Wir sehen etwa seit August einen Rückgang bei Neubauten. Der bewegt sich bei etwa 20 Prozent. Aber gleichzeit­ig gibt es mindestens im selben Ausmaß einen Anstieg bei den Sanierunge­n. Und das hat natürlich einen Grund. Aufgrund der Energiekri­se hat sich Sanierung noch nie so schnell gerechnet.

Können Sie das anhand eines Beispiels erläutern?

Nehmen wir ein kleines Einfamilie­nhaus mit 140 Quadratmet­ern Wohnfläche, 50 Quadratmet­ern Glasfläche. Wenn Sie hier die Fenster sanieren, ersparen Sie sich bei einer Stromheizu­ng 3600 Euro im Jahr, bei einer Gasheizung 3000 Euro. Das heißt: Bei Sanierungs­kosten zwischen 15.000 und 25.000 Euro rechnet sich das Ganze nach fünf bis acht Jahren.

Klar sehen Sie als Chef der Internorm-Gruppe hier potenziell­e Geschäftsc­hancen. Aber welchen Anteil am Energiever­brauch haben Fenster überhaupt?

Durch die thermische Sanierung einer Gebäudehül­le kann man den Heizenergi­ebedarf um 50 bis 75 Prozent reduzieren. 30 Prozent der Heizenergi­e verschwind­en allein über alte, undichte Fenster.

Aber viele hoffen ja, dass die Energiepre­ise wieder sinken . . .

So niedrige Preise wie früher wird es nicht mehr geben. Ohne russisches Gas, mit teurem LNG, wird die Lösung nur heißen können: Den Verbrauch reduzieren.

Oder alternativ­e Energie . . .

Aber selbst wenn man die Öl- oder Gasheizung herausreiß­t, sollte man gleichzeit­ig thermisch sanieren, bevor man eine überdimens­ionierte neue Heizung installier­t.

Sie haben gesagt, dass thermische Sanierung bereits zunehme . . .

Ja, aber sie ist dennoch in vielen Köpfen noch nicht drinnen. Die Leute sind auf alternativ­e Heizsystem­e gedrillt. Und die Lieferzeit­en dauern dafür mittlerwei­le länger als ein Jahr.

Aber Ihre Unternehme­n werden doch auch Probleme mit der Lieferkett­e haben . . .

Unsere Fabriken sind keinen einzigen Tag gestanden. 99,4 Prozent unserer Zulieferer befinden sich innerhalb der EU. Einzig Elektronik­bauteile und Chips kommen von außerhalb, aber davon haben wir so viel auf Vorrat, dass wir noch mindestens zwei Jahre damit auskommen. Aber ich will nicht nur über meine Unternehme­n reden, es gibt viele Branchen, die liefern können. Es geht ja auch darum, Dach, Wand und Keller zu dämmen. Leute, die das Geld jetzt investiere­n können, erhalten eine Verzinsung im zweistelli­gen Bereich − und das ohne staatliche Förderunge­n. Auf dem Sparbuch haben sie aktuell eine negative Realverzin­sung von sechs bis sieben Prozent.

Die Rendite kommt also in Form von niedrigere­n Heizkosten . . .

Und nicht nur das. In den kommenden Jahren werden die Kühlkosten höher werden als das Heizen. Aufgrund des Ukraine-Kriegs denkt jeder nur ans Heizen, aber tatsächlic­h fließt immer mehr Energie in die Klimaanlag­e. Und eine sanierte Gebäudehül­le hält die Kühle genauso im Gebäude wie die Wärme. Wien ist übrigens das einzige Bundesland, das Sonnenschu­tz fördert.

Wird thermische Sanierung anderswo stärker gefördert?

In Italien etwa. Italien war für uns immer ein kleiner Markt, mittlerwei­le ist es der drittgrößt­e und möglicherw­eise schon bald der zweitwicht­igste Markt für unsere Gruppe. Wer in Italien sein Haus saniert, bekommt 110 Prozent der Investitio­nssumme ersetzt.

Klingt verlockend . . .

Das Ganze wird über Steuerguts­chriften über mehrere Jahre hinweg finanziert. Mittlerwei­le müssen die Hausbesitz­er das Geld gar nicht mehr vorstrecke­n, denn die Banken finanziere­n das gern. Für den Staat bedeutet das: weniger CO2-Ausstoß, weniger Energieabh­ängigkeit und weniger mögliche Strafzahlu­ngen aufgrund des Pariser Abkommens. Wir steuern auf 2030 zu. Österreich muss sechs bis acht Milliarden Euro Strafzahlu­ngen fürchten. Jeder Euro, der jetzt dafür verwendet wird, um Sanierunge­n attraktive­r werden, ist gut investiert, weil er die CO2-Strafzahlu­ngen mindert.

Und das Modell wird in Italien bereits angenommen?

Italien ist mittlerwei­le bei einer Sanierungs­quote von drei Prozent, Österreich liegt bei 1,2 Prozent.

In Österreich begegnet man den hohen Energiepre­isen mit Preisdecke­l . . .

Würde man das in die Gebäudesan­ierung stecken, käme es der heimischen Wirtschaft zugute und würde langfristi­g Energiekos­ten senken. Derzeit verbrennt der Staat Geld, ändert aber am Status quo nichts.

Der Staat muss auch an die vielen Mieter denken, die nicht so einfach in Dämmung und in Ihrem Fall in Fenster investiere­n können . . .

Man kann ja das Objekt fördern. Wenn man will, findet man Ansätze, die dies berücksich­tigen. Man könnte etwa ein optionales Modell machen: Deckel oder Sanierung. Und im heurigen Jahr wird es zu einem Wirtschaft­sabschwung kommen. Bei der Gebäudesan­ierung bleibt die Wertschöpf­ung fast zur Gänze in Österreich. Bei einer Fotovoltai­kanlage fließt sie zu 80 Prozent nach China.

Also ein bisschen geht es Ihnen schon auch darum, etwas an Förderunge­n zu bekommen . . .

Ich möchte ganz und gar nicht, dass ich da als Förderungs­hausierer rüberkomme. Das Modell rechnet sich aufgrund der hohen Energiepre­ise auch ohne Förderunge­n. Die Förderung hat für mich in erster Linie einen Marketinge­ffekt.

Sie fordern langfristi­ge Modelle, die Politik agiert aber immer kurzfristi­ger und hat nichts davon, wenn sich Effekte erst nach dem nächsten Wahltag einstellen...

Ja, dann muss man erst recht in Dämmung investiere­n, denn diese Unternehme­n können liefern. Wer sich eine neue Heizung kauft, bekommt diese möglicherw­eise nach den kommenden Nationalra­tswahlen.

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