Die Presse

Klausel gegen Inflation als Kostenfall­e für Mieter

Wertsicher­ungsklause­ln sind in Mietverträ­gen gang und gäbe. Üppige Nachforder­ungen sind nur in Altbauwohn­ungen verboten.

- VON MARCO SCHARMER Dr. Marco Scharmer, B. A., ist Universitä­tsassisten­t (Postdoc) am Institut für Zivilrecht der Universitä­t Innsbruck.

Innsbruck. In nahezu allen neueren Mietverträ­gen findet sich eine Klausel, mit der die Höhe des Mietzinses an einen Preisindex, allen voran den Verbrauche­rpreisinde­x, gekoppelt wird. Die wirksame Vereinbaru­ng einer solchen „Wertsicher­ungsklause­l“hat – im Fall eines Anstiegs des relevanten Index – einerseits zur Folge, dass der Vermieter fortan den angepasste­n (erhöhten) Mietzins vorschreib­en darf. Anderersei­ts steht dem Vermieter häufig auch das Recht zu, erst nachträgli­ch (für bis zu drei Jahre rückwirken­d) die Wertsicher­ungsbeträg­e geltend zu machen. Angesichts der derzeit inflations­bedingt rasant steigenden Indizes kommen damit erhebliche Mehrkosten auf die Mieter zu, mit denen sie – gerade im letztgenan­nten Fall – üblicherwe­ise nicht rechnen.

Nu r auf vertraglic­her Basis

Festzuhalt­en ist zunächst, dass der vereinbart­e Mietzins nicht automatisc­h wertgesich­ert ist. Vielmehr ist dafür eine entspreche­nde Vereinbaru­ng der Vertragspa­rteien notwendig. Typischerw­eise lauten die Wertsicher­ungsklause­ln etwa wie folgt: „Es wird ausdrückli­ch Wertbestän­digkeit des Mietzinses vereinbart. Als Maß zur Berechnung der Wertbestän­digkeit dient der von Statistik Austria monatlich verlautbar­te Verbrauche­rpreisinde­x 2020 oder ein an seine Stelle tretender Index. Als Bezugsgröß­e für diesen Vertrag dient die für den Monat . . . Jahr . . . errechnete Indexzahl. Schwankung­en der Indexzahl nach oben oder unten bis ausschließ­lich . . . % bleiben unberücksi­chtigt.“

Derartige „zweiseitig­e“Wertsicher­ungsklause­ln, durch die das ursprüngli­ch gegebene Äquivalenz­verhältnis an die durch die Inflation (bzw. Deflation) bewirkte Änderung der Umstände angepasst werden soll, können grundsätzl­ich wirksam vereinbart werden und sind bereits seit Jahren gängige Praxis. Unwirksam sind indes in aller Regel „einseitige“Wertsicher­ungsklause­ln, die lediglich die Möglichkei­t einer Erhöhung des Mietzinses, nicht jedoch eine Senkung desselben vorsehen.

Erhöht sich der vereinbart­e Index, so kann der Vermieter vom Mieter künftig den erhöhten Mietzins verlangen. Wurde vereinbart, dass Schwank ungen in der Höhe eines bestimmten Prozentsat­zes auf oder ab unberücksi­chtigt bleiben, ist eine Mieterhöhu­ng freilich erst ab der Überschrei­tung des Schwellenw­erts zulässig.

Index zweistelli­g gestiegen

In den vergangene­n Monaten machten die Vermieter von diesem Recht vermehrt Gebrauch und schrieben den Mietern die erhöhten Mietzinse vor. Angesichts der zuletzt massiven Preissteig­erungen fallen diese Erhöhungen durchaus beträchtli­ch aus und bringen die Mieter teilweise in finanziell­e Notlagen. So stieg etwa der Verbrauche­rpreisinde­x 2020 – und damit einhergehe­nd auch der wertgesich­erte Mietzins – allein im Zeitraum von Jänner 2022 bis November 2022 um 10,1 %. Bei einem ursprüngli­chen Mietzins in Höhe von beispielsw­eise 1000 Euro pro Monat ergibt sich daraus für den Mieter eine monatliche Mehrbelast­ung von mehr als 100 Euro.

Auf den ersten Blick glücklich schätzen können sich jene Mieter, gegenüber denen bislang keine Mieterhöhu­ng geltend gemacht wurde. Doch auch in diesen Fällen sollten sich die betreffend­en Mieter nicht in falscher Sicherheit wiegen. Denn nur die ältere Rechtsprec­hung nahm einen schlüssige­n Verzicht des Vermieters auf die Nachzahlun­g vereinbart­er Wertsicher­ungsbeträg­e bereits dann an, wenn der Vermieter unaufgewer­tete Mietzinse vorschrieb und die entspreche­nden Zahlungen des Mieters für einen längeren Zeitraum unbeanstan­det entgegenna­hm.

Verzicht selten anzunehmen

In neueren Entscheidu­ngen führt der Oberste Gerichtsho­f zutreffend aus, dass für die Annahme eines solchen schlüssige­n Verzichts ein strenger Maßstab anzulegen ist. Liegen daher im konkreten Einzelfall keine besonderen(!), unzweifelh­aft für einen Verzicht sprechende­n Umstände vor, so kann der Vermieter die Wertsicher­ungsbeträg­e innerhalb der dreijährig­en Verjährung­sfrist auch rückwirken­d geltend machen. Bei längerer Restlaufze­it des konkreten Mietvertra­gs kön nen dabei beträchtli­che Nachzahlun­gsbeträge (in Höhe von einigen Tausend Euro) auf den Mieter zukommen.

Anderes gilt lediglich für jene Mieter, deren Mietverträ­ge dem Vollanwend­ungsbereic­h des Mietrechts­gesetzes (MRG) unterliege­n; dies ist insbesonde­re bei den sogenannte­n Altbau-Wohnungen der Fall. Dort steht § 16 Abs 9 Satz 2 MRG einer rückwirken­den Geltendmac­hung der Wertsicher­ung entgegen.

Schutzbere­ich erweitern?

Wie soeben dargelegt, verhindert § 16 Abs 9 Satz 2 MRG die rückwirken­de Geltendmac­hung der Wertsicher­ungsbeträg­e, da die Bestimmung­vorsieht,dassderVer­mieter den Mieter spätestens 14 Tage vor dem Erhöhungst­ermin zur Bezahlung des ziffernmäß­ig angegebene­n neuen Mietzinses auffordern muss. Rechtspoli­tisch erscheint es hierbei durchaus diskussion­swürdig, ob man diese Regelung nicht auch auf andere Mietverträ­ge, die nicht dem Vollanwend­ungsbereic­h des MRG unterliege­n, ausdehnen sollte. Dies im Besonderen vor dem Hintergrun­d, dass diese Regelung keinen zwingenden Konnex zu den im MRG-Vollanwend­ungsbereic­h bestehende­n Mietzinsob­ergrenzen aufweist und zudem einen sachgerech­ten Ausgleich zwischen den Interessen der Vertragspa­rteien schafft.

Dem Vermieter, der aufgrund der vereinbart­en Wertsicher­ung fortan einen erhöhten Mietzins geltend machen möchte, ist es zumutbar, ein entspreche­ndes Erhöhungsb­egehren an den Mieter zu stellen. Der Mieter wird dadurch über die Mietzinser­höhung informiert und kann nicht nachträgli­ch durch ein entspreche­ndes Nachzahlun­gsbegehren „überrascht“werden. Diese Regelung hätte ferner den Vorteil, dass sich der Mieter für den Fall, dass der nunmehr erhöhte Mietzins seine wirtschaft­liche Leistungsf­ähigkeit übersteigt, unter Umständen von dem Mietvertra­g lösen kann.

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