Klausel gegen Inflation als Kostenfalle für Mieter
Wertsicherungsklauseln sind in Mietverträgen gang und gäbe. Üppige Nachforderungen sind nur in Altbauwohnungen verboten.
Innsbruck. In nahezu allen neueren Mietverträgen findet sich eine Klausel, mit der die Höhe des Mietzinses an einen Preisindex, allen voran den Verbraucherpreisindex, gekoppelt wird. Die wirksame Vereinbarung einer solchen „Wertsicherungsklausel“hat – im Fall eines Anstiegs des relevanten Index – einerseits zur Folge, dass der Vermieter fortan den angepassten (erhöhten) Mietzins vorschreiben darf. Andererseits steht dem Vermieter häufig auch das Recht zu, erst nachträglich (für bis zu drei Jahre rückwirkend) die Wertsicherungsbeträge geltend zu machen. Angesichts der derzeit inflationsbedingt rasant steigenden Indizes kommen damit erhebliche Mehrkosten auf die Mieter zu, mit denen sie – gerade im letztgenannten Fall – üblicherweise nicht rechnen.
Nu r auf vertraglicher Basis
Festzuhalten ist zunächst, dass der vereinbarte Mietzins nicht automatisch wertgesichert ist. Vielmehr ist dafür eine entsprechende Vereinbarung der Vertragsparteien notwendig. Typischerweise lauten die Wertsicherungsklauseln etwa wie folgt: „Es wird ausdrücklich Wertbeständigkeit des Mietzinses vereinbart. Als Maß zur Berechnung der Wertbeständigkeit dient der von Statistik Austria monatlich verlautbarte Verbraucherpreisindex 2020 oder ein an seine Stelle tretender Index. Als Bezugsgröße für diesen Vertrag dient die für den Monat . . . Jahr . . . errechnete Indexzahl. Schwankungen der Indexzahl nach oben oder unten bis ausschließlich . . . % bleiben unberücksichtigt.“
Derartige „zweiseitige“Wertsicherungsklauseln, durch die das ursprünglich gegebene Äquivalenzverhältnis an die durch die Inflation (bzw. Deflation) bewirkte Änderung der Umstände angepasst werden soll, können grundsätzlich wirksam vereinbart werden und sind bereits seit Jahren gängige Praxis. Unwirksam sind indes in aller Regel „einseitige“Wertsicherungsklauseln, die lediglich die Möglichkeit einer Erhöhung des Mietzinses, nicht jedoch eine Senkung desselben vorsehen.
Erhöht sich der vereinbarte Index, so kann der Vermieter vom Mieter künftig den erhöhten Mietzins verlangen. Wurde vereinbart, dass Schwank ungen in der Höhe eines bestimmten Prozentsatzes auf oder ab unberücksichtigt bleiben, ist eine Mieterhöhung freilich erst ab der Überschreitung des Schwellenwerts zulässig.
Index zweistellig gestiegen
In den vergangenen Monaten machten die Vermieter von diesem Recht vermehrt Gebrauch und schrieben den Mietern die erhöhten Mietzinse vor. Angesichts der zuletzt massiven Preissteigerungen fallen diese Erhöhungen durchaus beträchtlich aus und bringen die Mieter teilweise in finanzielle Notlagen. So stieg etwa der Verbraucherpreisindex 2020 – und damit einhergehend auch der wertgesicherte Mietzins – allein im Zeitraum von Jänner 2022 bis November 2022 um 10,1 %. Bei einem ursprünglichen Mietzins in Höhe von beispielsweise 1000 Euro pro Monat ergibt sich daraus für den Mieter eine monatliche Mehrbelastung von mehr als 100 Euro.
Auf den ersten Blick glücklich schätzen können sich jene Mieter, gegenüber denen bislang keine Mieterhöhung geltend gemacht wurde. Doch auch in diesen Fällen sollten sich die betreffenden Mieter nicht in falscher Sicherheit wiegen. Denn nur die ältere Rechtsprechung nahm einen schlüssigen Verzicht des Vermieters auf die Nachzahlung vereinbarter Wertsicherungsbeträge bereits dann an, wenn der Vermieter unaufgewertete Mietzinse vorschrieb und die entsprechenden Zahlungen des Mieters für einen längeren Zeitraum unbeanstandet entgegennahm.
Verzicht selten anzunehmen
In neueren Entscheidungen führt der Oberste Gerichtshof zutreffend aus, dass für die Annahme eines solchen schlüssigen Verzichts ein strenger Maßstab anzulegen ist. Liegen daher im konkreten Einzelfall keine besonderen(!), unzweifelhaft für einen Verzicht sprechenden Umstände vor, so kann der Vermieter die Wertsicherungsbeträge innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist auch rückwirkend geltend machen. Bei längerer Restlaufzeit des konkreten Mietvertrags kön nen dabei beträchtliche Nachzahlungsbeträge (in Höhe von einigen Tausend Euro) auf den Mieter zukommen.
Anderes gilt lediglich für jene Mieter, deren Mietverträge dem Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) unterliegen; dies ist insbesondere bei den sogenannten Altbau-Wohnungen der Fall. Dort steht § 16 Abs 9 Satz 2 MRG einer rückwirkenden Geltendmachung der Wertsicherung entgegen.
Schutzbereich erweitern?
Wie soeben dargelegt, verhindert § 16 Abs 9 Satz 2 MRG die rückwirkende Geltendmachung der Wertsicherungsbeträge, da die Bestimmungvorsieht,dassderVermieter den Mieter spätestens 14 Tage vor dem Erhöhungstermin zur Bezahlung des ziffernmäßig angegebenen neuen Mietzinses auffordern muss. Rechtspolitisch erscheint es hierbei durchaus diskussionswürdig, ob man diese Regelung nicht auch auf andere Mietverträge, die nicht dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegen, ausdehnen sollte. Dies im Besonderen vor dem Hintergrund, dass diese Regelung keinen zwingenden Konnex zu den im MRG-Vollanwendungsbereich bestehenden Mietzinsobergrenzen aufweist und zudem einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Vertragsparteien schafft.
Dem Vermieter, der aufgrund der vereinbarten Wertsicherung fortan einen erhöhten Mietzins geltend machen möchte, ist es zumutbar, ein entsprechendes Erhöhungsbegehren an den Mieter zu stellen. Der Mieter wird dadurch über die Mietzinserhöhung informiert und kann nicht nachträglich durch ein entsprechendes Nachzahlungsbegehren „überrascht“werden. Diese Regelung hätte ferner den Vorteil, dass sich der Mieter für den Fall, dass der nunmehr erhöhte Mietzins seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigt, unter Umständen von dem Mietvertrag lösen kann.