Die Presse

Winterspor­t ohne Schnee

Plusgrade und Seitenwind irritierte­n Halvor Granerud beim Neujahrssp­ringen nicht. Stefan Kraft haderte mit Wind und Wetter, Manuel Fettner verpasste das Podest.

- VON MARKKU DATLER

Vögel zwitschert­en, rundum schmückten grün-braune Wiesen die Szenerie, und wer bei frühlingsh­aften 13 Grad auf zwei weiße Streifen rund um das Olympiasta­dion von Garmisch-Partenkirc­hen blickte, wähnte sich eigentlich bei der falschen Veranstalt­ung. Der eine zeigte die Skisprungs­chanze, der andere war eine für den Weltcup präpariert­e Piste. Natürlich ist das Neujahrssp­ringen im Rahmen der Vierschanz­entournee echter Winterspor­t, ein Klassiker ist unbestritt­en auch die ins gleiche Zielstadio­n führende Kandahar-Abfahrt. Nur, wenn so überhaupt kein Winterflai­r mitspringt oder -fährt, ist es doch mehr als irritieren­d.

Was sich beim Saisonstar­t im polnischen Wisła angekündig­t hatte, als der Weltcup-Tross der Fußball-WM in Katar wegen im Oktober, also früher, abspringen und ob der Temperatur­en ohne Schnee gar auf grünen Matten landen musste, wiederholt sich jetzt bei der Tournee: Das Wetter spielt nicht mit.

„Wie auf einer Buckelpist­e“

Damit herrschen auch für Skispringe­r andere Bedingunge­n – 20.000 Fans schauten in T-Shirts zu, sie selbst müssen gegen Seitenwind, Strömungen oder neue „Hinderniss­e“arbeiten. „Also mich erinnerte das Neujahrssp­ringen an einen Ritt über die Buckelpist­e“, ätzte Jan Hörl, der als Fünfter (136/138,5 ) zweitbeste­r ÖSV-Adler wurde, direkt hinter Manuel Fettner (136/138).

Während Österreich weiterhin seit 2014 sieglos bleibt beim Neujahrssp­ringen, bestätigte Halvor Granerud seine Vorreiterr­olle. Der Norweger segelte mit Sprüngen auf 140 und 142 Meter zum zweiten Tagessieg nach Oberstdorf. Er gewann vor dem Slowenen Anže Lanisˇek und Dawid Kubacki und startet als Halbzeit-Führender als Topfavorit auf den Tourneesie­g.

In solchen Fällen kommt, wie immer, bei anderen das klassische Pech hinzu. Überfliege­r wie Granerud oder Kobacki kann derzeit nichts aus der Spur drängen. Sie springen, in Hochform, bei wirklich jedem Wetter. Andere, die um Weiten und mit dieser Schanze ohnehin ringen, wirbelt dann eine andere Umluft schon gewaltig durch.

Als Stefan Kraft abheben sollte, herrschten Windverhäl­tnisse, die durchaus zur Unterbrech­ung gereicht hätten. Doch der in Garmisch unglücklic­he Salzburger musste springen, weil der bürokratis­che FIS-Richter – in Oberstdorf wartete er noch mehrfach zu – jetzt auf den „Korridor“pochte. Kraft verlor mit einem zu kurzen Satz auf 122,5 Meter und Gesamt-18. zum sechsten Mal in Folge beim Neujahrssp­ringen die

Chance, die Tournee zu gewinnen. Bitter – jedoch alles regelkonfo­rm.

Zur Halbzeit steht fest: Ein ÖSV-Adler wird die 71. Vierschanz­entournee nicht gewinnen. Ein Tiroler wird aber jubeln, weil ein Norweger (betreut von Alexander Stöckl) oder ein Pole (Thomas Thurnbichl­er) den Triumph am Dreikönigs­tag landen wird.

Es bleibt warm und für Innsbruck (4. Jänner, 13.30 Uhr, live ORF1) und Bischofsho­fen (6. Jänner) bedeutet das Extraschic­hten der Schneearbe­iter. Max Obergruber, OK-Chef auf dem Bergisel, hat 3000 Kubikmeter Schnee produziere­n lassen und schickt sogar Pistenbull­ys über den Hügel. Skispringe­n bleibt ein Winterspor­t, auch bei Plusgraden. Allerdings weitaus extremer.

1. Halvor Granerud (NOR) 303,7 (140/142)

2. Anˇze Laniˇsek (SLO) 297,3 (140,5/137)

3. Dawid Kubacki (POL) 294,4 (135/138,5) ÖSV-Platzierun­gen: 4. Fettner 279,6 5. Hörl 278,9 7. Tschofenig 275,4 10. Hayböck 269,8 12. Leitner 262,2 18. Kraft 249,5

Tournee: Granerud (616,1) vor Kubacki (589,3);

7. Tschofenig 554,2 10. Kraft 541,5.

Ich glaube, dass der Wind schuld war. Es ist doch die Tournee, etwas zu warten wäre sicher nicht blöd gewesen.

Stefan Kraft

 ?? [APA] ?? Kein Schnappsch­uss vom Sommer-Grand-Prix, sondern aktuelle Flugshow beim Neujahrssp­ringen 2023.
[APA] Kein Schnappsch­uss vom Sommer-Grand-Prix, sondern aktuelle Flugshow beim Neujahrssp­ringen 2023.

Newspapers in German

Newspapers from Austria