Die sogenannte leichte Muse war immer ein Schwergewicht
Schon bei Johann Strauß Vater ging es in der Wiener Unterhaltungsmusik um höchste Perfektion und um die Konkurrenz mit der Avantgarde.
Die großen Verehrer des Walzers waren Berlioz und Wagner.
Das hat manchen Konsumenten vielleicht verstört: Am Neujahrsmorgen war diesmal – abgesehen von den unverrückbaren Zugabestücken „Donauwalzer“und „Radetzkymarsch“– im Programm des philharmonischen TVKonzerts unter Franz Welser-Möst keine einzige bekannte Nummer zu hören. Dabei warten doch viele auf „Frühlingsstimmen“, auf „Wiener Blut“oder wenigstens die „Dorfschwalben aus Österreich“. Stattdessen zwitscherten diesmal die „Zeisserln“ – und es gab wirklich viel zu entdecken. Die Archive sind voll von Werken der Wiener Walzerdynastie, die der „Radetzkymarsch“-Komponist Johann Strauß Vater begründet hat.
Schon die Erforschung der frühesten Werke dieser wienerischen Erfolgsgeschichte böte viele Schätze, die zumindest für das Millionenpublikum an den Bildschirmen in aller Welt noch nicht gehoben wurden – und die jedenfalls mehrheitlich noch nie wirklich erstklassig auf CD dokumentiert wurden. In diesem Sinn war die Entscheidung für die heurige Raritätenparade mutig und wichtig.
Nicht minder bedeutsam ist es vielleicht, an eine weitere Pionierfunktion des Gründervaters Johann Strauß zu erinnern: Den Wiener Walzer hat er – herkommend vom oberösterreichischen Ländler, wie ihn schon Haydn und Mozart, später Schubert auf symphonische Ebene gehoben haben – an der Seite seines Compagnons Joseph Lanner kultiviert und zu dem gemacht, was wir heute unseren wichtigsten Kultur-Exportartikel nennen können.
Doch was die internationale Strahlkraft betrifft, steht Strauß Vater – ganz allein und ohne Vorbild – als Vorkämpfer da. Er und seine Kapelle waren es, die Wiener Musik nach ganz Europa brachten und die singuläre Stellung der Donaumetropole als Musikstadt zementierten.
Das wiederum konnte nicht nur deshalb gelingen, weil die Kompositionen mit ihrem sprichwörtlichen Charme alle Welt bezauberten, sondern weil die Konzerte des
Strauß’schen Orchesters auch technisch von ausgesuchter Qualität waren. Die Zeugen sind prominent: Sowohl ein Hector Berlioz als auch ein Richard Wagner bekannten einst, nie ein so vollendetes, perfektes Orchesterspiel gehört zu haben wie unter Vater Strauß’ Leitung.
Damals wurden nicht nur Walzer gespielt, sondern immer auch Klassiker und Werke der damaligen Avantgarde von Liszt oder Wagner. Entsprechend darf man sich auch den Zugriff der Musiker auf ihre ureigenste Musik denken – wer heute bemängelt, dass Walzer nicht „leicht“genug klängen, ist vielleicht auf dem Holzweg. Den Wiener Kapellmeistern war es einst mit ihren eigenen Stücken ganz ernst!