Drei Konfliktregionen, die grellend rot blinken
In Osteuropa ist kein Ende des Krieges in Sicht, der Nahe Osten bleibt ein Pulverfass – genauso wie der Ferne Osten.
Das gerade angebrochene 2023 könnte ein grimmiges und gefährliches Jahr werden – noch grimmiger und gefährlicher als 2022. Neben drohenden sozialen Unruhen sowie gesellschaftspolitischen oder religiösen Verwerfungen in diversen Krisenstaaten rasseln in einigen Konfliktregionen die Säbel bedenklich, ja es wird bereits scharf geschossen. Soziale Konflikte und Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht oder Rasse könnten in Bürgerkriege ausarten, politische und religiöse Polarisierung den inneren Zusammenhalt von Gesellschaften auflösen. Auf der Weltkugel sind es neben vielen anderen vor allem drei Konfliktregionen, die derzeit grellend rot leuchten und in diesem Jahr in größere, überregionale Feindseligkeiten ausarten könnten.
Osteuropa
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist bereits über zehn Monate im Gange, hat weit über 100.000 Menschenleben gefordert und Schäden in Höhe von Abermilliarden Euro/Dollar verursacht. Dass er im Laufe dieses Jahres enden könnte, ist derzeit wenig wahrscheinlich.
Manches deutet darauf hin, dass die Fronten sich festfressen, es hier und da militärische Erfolge für die eine oder andere Seite gibt, sich der Abnützungskrieg aber fortsetzt. Möglich auch, dass sich die 2022 an mehreren Fronten von den ukrainischen Verteidigern heftig gebeutelten russischen Streitkräfte dank frisch zugeführter Kräfte und besserer Versorgung konsolidieren und einen neuen Anlauf zur Erreichung ihrer ursprünglichen Kriegsziele machen:
Kiew erobern, die dortige Führung vertreiben und ein Marionettenregime einsetzen.
Oder aber die ukrainischen Streitkräfte behalten dank überlegener Strategie und Taktik sowie westlicher Waffenlieferungen und militärischer Aufklärung die Initiative, drängen die russischen Angreifer immer weiter zurück und stehen plötzlich vor den Toren der Halbinsel Krim. Würde dann die bedrängte russische Seite den bereits mehrfach angedrohten Einsatz von – taktischen – Atomwaffen vornehmen?
Und was würden weitere militärische Rückschläge für Wladimir Putin bedeuten, der Russland in diesen Angriffskrieg gepeitscht hat? Der Krieg hat bereits Abertausend russischen Männern das Leben gekostet und beschleunigt Russlands demografische Abwärtsspirale; die westlichen Sanktionen beginnen zu beißen, die Wirtschaft befindet sich auf Talfahrt; der urbanen Mittelklasse zerrinnt das in den vergangenen 30 Jahren
Erreichte in den Händen, die Elite wird zunehmend nervös. Kann Putin die negativen Trends hin zu einem gescheiterten Staat noch aufhalten – oder wird er von einer Welle breiten Unbehagens weggeschwemmt werden?
Naher und Mittlerer Osten
Der Tod der 22-jährigen Kurdin Masha Amini im Polizeigewahrsam in Teheran hat den Iran seit vergangenem September zum Pulverfass gemacht. Weite Teile der – überwiegend jungen – Bevölkerung wollen sich mit dem willkürlichen, intoleranten, patriarchalischen Herrschaftssystem der Mullahs nicht mehr länger abfinden.
Noch kann das Regime mit seinem gewaltigen Unterdrückungsapparat dem Aufruhr der Gesellschaft standhalten, zumal der Widerstandsbewegung eine Führung und landesweite Koordinierung fehlt. Aber dass die Unruhen trotz härtester Repressionsmaßnahmen schon seit vier Monaten anhalten, zeigt wie tief die Frustration in der Bevölkerung ist.
Wie im benachbarten Afghanistan sind es die Frauen im Iran, die unter der Fuchtel bärtiger Religionsfanatiker am meisten zu leiden haben und im gesellschaftlichen Leben eingeschränkt sind. Im Iran aber wollen sich das viele Frauen nicht mehr gefallen lassen und begehren auf. Das könnte ihre Geschlechtsgenossinnen in Afghanistan anstacheln. Noch weiter östlich bleibt Pakistan durch politische Grabenkämpfe und religiöse und ethnische Zerwürfnisse ein ständiger Kandidat für einen scheiternden Staat, noch dazu ein atomar bewaffneter.
Wenn Iran sein Atomprogramm ungebremst fortsetzt, Uran bis zur Waffenfähigkeit anreichert, wird ein israelischer oder amerikanischer Angriff auf seine Atomanlagen und Raketenfabriken immer wahrscheinlicher. Das Mullah-Regime kann dabei nicht mehr damit rechnen, dass sich die Bevölkerung im Falle eines solchen Angriffs geschlossen hinter ihm vereint. Anders wäre das wohl, wenn Saudiarabien militärisch gegen seinen schiitischen Erzfeind in der Region losschlägt. An eine Wiederbelebung des Atomabkommens mit Iran wiederum glaubt gegenwärtig ohnedies niemand mehr.
Mit der neuen, streng rechtsgerichteten Regierung in Jerusalem könnte der dahinschwelende palästinensisch-israelische wieder an Schärfe zunehmen. Nichts deutet darauf hin, dass die neue Netanjahu-Regierung mit ausgestreckter Hand auf die Palästinenser zugeht – ganz im Gegenteil. Fraglich dabei, ob es sich Netanjahus neu gewonnene Freunde in der arabischen Welt innenpolitisch leisten können, die immer stärker in Bedrängnis geratenden Palästinenser einfach ihrem Schicksal zu überlassen.
Ostasien
Von den nördlichen Kurilen über die koreanische Halbinsel bis ins Südchinesische Meer zieht sich der ostasiatische Krisenbogen. Das ganze vergangene Jahr über hat Nordkoreas Regime Raketen aller Art getestet. Das Regime von Kim Jong-un ist im Dauerprovokationsmodus und kann sich das leisten, weil ihm die Volksrepublik China weiter Rückendeckung gibt.
Südkorea entwickelt sich derweil zu einem immer bedeutenderen Waffenproduzenten und Rüstungsexporteur. Die jetzige Führung in Seoul gibt sich keinen Illusionen mehr hin, dass man durch Zugeständnisse das aggressive Verhalten der nordkoreanischen Diktatur mildern könnte. Auch Japan reagiert auf Kims Provokationen und plant eine beispiellose Aufrüstung seines Militärs, vor allem seiner Raketenstreitkräfte. Im Streit Tokios mit Moskau um die von Russland nach dem Zweiten Weltkrieg annektieren Kurilen-Inseln haben sich die Fronten zuletzt ebenfalls verhärtet.
Die kommunistischen Machthaber in Peking werden nicht aufhören, die demokratisch regierte Insel Taiwan militärisch und politisch zu bedrängen, einzuschüchtern und zu erpressen. Taipeh konnte 2022 so viele hochrangige Besucher aus der westlichen Welt empfangen wie selten zuvor. Die USA zeigen sich entschlossen, die taiwanesischen Streitkräfte mit modernsten Abwehrwaffen auszustatten. Der Ukraine-Krieg zeigt dabei auch der chinesischen Volksbefreiungsarmee, dass ihre teilweise aus Russland stammenden Rüstungsgüter westlichen Waffensystemen vielfach unterlegen sind. Möglicherweise führt das die chinesischen Kommunisten doch zu einem Innehalten mit ihren Plänen, Taiwan zu erobern.
China befindet sich auch weiter im Konflikt mit Japan um die Senkaku-Inseln (chinesisch: Diaoyu); ein weiterer Grund, warum Japan massiv aufrüsten will. Und China liegt im Dauerstreit mit wegen der Grenzziehung im Himalaya. Immer wieder kommt es im Hochgebirge zu handgreiflichen, ja tödlichen Auseinandersetzungen von Grenzschützern.