Krieg, Migration: EU-Chefs im Krisenmodus
Der EU-Kalender ist angesichts der Ukraine-Krise, der Flüchtlingsfrage und des Kampfs gegen den Klimawandel dicht. Im Lichte der Europawahlen 2024 ist der Druck, in diesem Jahr Fortschritte zu erzielen, groß.
Noch befindet sich das Brüsseler Europaviertel im Urlaubsmodus, doch wenn in wenigen Tagen die Lichter in den Büros von EUKommission, Europaparlament und Ratsgebäude wieder angehen, gibt es viel zu tun. Insgesamt 67 Tagungen stehen auf der Agenda der EU-Staats- und Regierungschefs und Minister, die im ersten Halbjahr der schwedische Vorsitz, ab Juli dann Spanien orchestrieren wird – zwei routinierte Mitgliedstaaten also. Die Erwartungen sind entsprechend hoch.
Zu den wichtigsten Themen zählt freilich auch im kommenden Jahr der andauernde russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Neun Sanktionenpakete hat die EU bisher gegen Moskau geschnürt, das letzte am 16. Dezember, als wirtschaftliche Maßnahmen ausgeweitet sowie zusätzliche Banken und Privatpersonen auf die rote
Liste gesetzt wurden. Eine Verlängerung jener Maßnahmen, die Ende Jänner auslaufen – darunter Beschränkungen in den Bereichen Finanzen, Energie, Technologie, Industrie, Verkehr und Luxusgüter –, ist zu erwarten. Am 3. Februar findet ein Gipfeltreffen EU/ Ukraine in Kiew statt. Erst im Dezember hatten die Mitgliedstaaten neue Finanzhilfen in Höhe von bis zu 18 Milliarden Euro für das kriegsgeplagte Land freigegeben.
Als Folge der russischen Invasion stehen freilich auch im kommenden Jahr die Inflation sowie die drohende Energieknappheit auf der Agenda der EU-Chefs.
Dauerbrenner Klimawandel
Dazu kommt das Dauerthema Klimawandel, das rasches Handeln der Politik erforderlich macht. Eine winterliche Wärmewelle und apere Skipisten im gesamten Alpenraum geben den Mahnungen der Klimaschützer recht.
Auch die Chancen auf eine seit Jahren erhoffte Einigung in der EU-Migrationspolitik stehen nach Vorarbeiten durch den tschechischen Ratsvorsitz so gut wie seit der Flüchtlingskrise 2015 nicht – darüber sind sich Experten einig. Am 9. Februar findet in Brüssel ein Sondergipfel zum Thema statt. Das neue Vorsitzland Schweden – selbst ein von irregulärer Migration stark betroffenes EU-Mitglied – wird sein Möglichstes tun, bei diesem Treffen erste Ergebnisse zu erzielen. Kleinster gemeinsamer Nenner der EU-Hauptstädte bleiben die Forderungen nach einem effizienten Außengrenzschutz und raschere Möglichkeiten zur Rückführung von Migranten in ihre Heimatländer.
Österreich will – wie einige EUPartnerländer – Asylzentren in Drittstaaten schaffen sowie die „rasche Abhandlung von Asylverfahren an den Außengrenzen“, wie Europaministerin Karoline Edtstadler
betont hat. Dann könnte Österreich seine Blockade des Schengenbeitritts von Rumänien und Bulgarien fallen lassen, die zuletzt zu diplomatischen Differenzen zwischen Bukarest und Sofia auf der einen und Wien auf der anderen Seite geführt hat. Kroatien dagegen ist seit 1. Jänner neues Mitglied des Schengenraums.
Der spanische EU-Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr wiederum könnte von der dortigen Parlamentswahl überschattet werden. Auch in Polen wird das Parlament im November neu gewählt.
2023 ist zudem das letzte volle Jahr der aktuellen EU-Legislaturperiode, finden doch im Frühjahr 2024 die Neuwahlen zum Europaparlament statt. Da dann auch EUKommission und EU-Ratspräsident neu bestellt werden, ist die EU-Politik damit über mehrere Monate praktisch gelähmt. Umso größer ist der Druck, noch 2023 etwas weiterzubringen.