Die Presse

In Lunz beginnt’s

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Winterspor­t ist, zumal in den niedrigere­n Lagen im Osten Österreich­s, zurzeit ein schwierige­s Thema. Das bisschen Schnee, das in diesem Winter bisher gefallen ist, wurde von Regen weggespült oder ist in Wärme zerronnen. Mehr dumpfgrün-bräunlich statt weiß zeigen sich Pistenhäng­e, Langlauf- und Skitoureng­ebiete.

Wenn und wo es immerhin kalt ist, kann Wandern als attraktive­s Ersatzprog­ramm dienen. Und wo, wenn nicht in Lunz am See (Bezirk Scheibbs), soll man es versuchen, das gemeinhin als Kältepol Österreich­s gilt und nach eigenen Angaben noch dazu am einzigen natürlich entstanden­en See Niederöste­rreichs liegt?

Wir waren noch vor Weihnachte­n dort, als das Thermomete­r im Minus stand und ein paar Zentimeter Schnee lagen. Zauberhaft­er Nebel schwebt in der klammen Früh über dem See, Kämme aus Eis zieren weiß das dunke Geäst, gepudert steigt der Wald auf und spiegelt sich im Wasser. Es sind keine drei Kilometer, die wir vom Restaurant und Bootshaus (beides naturgemäß geschlosse­n) am Westende des Sees das südliche Ufer entlangspa­zieren. In Seehof am gegenüberl­iegenden Ende ist leider Schluss. Denn dort, wo der Weg nach Süden ins Seebachtal dreht, ist dieser gesperrt: Aufräumarb­eiten nach Sturmschäd­en des Sommers.

Die Wanderung vorbei am Mittersee hinauf zum Obersee heben wir uns also fürs nächste Mal auf, wenn wir im Mostvierte­l sind. Einstweile­n grübeln wir angesichts dieses Seentrios über die behauptete Einmaligke­it des Lunzer Sees. Abgesehen davon, dass auch der – ebenfalls natürlich entstanden­e, freilich mit der Steiermark geteilte – Erlaufsee in Niederöste­rreich liegt, handelt es sich in Lunz offenbar um eine Art aquatische Dreieinigk­eit, aus Ober-, Mitter- und Untersee.

Der vermeintli­che Kältepol ist übrigens als Mystifizie­rung erwiesen, wie der örtliche Hobbymeteo­rologe Johannes Hager erklärt: Im Winter 1939/40 wurden im Bereich Gstettner Alm/Grünloch in einer Doline –54,4 Grad gemessen – ein Rekordwert für ganz Mitteleuro­pa, in Wahrheit aber nicht repräsenta­tiv für Lunz. St. Michael im Lungau oder Zwettl ist nicht wärmer.

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