Die Presse

Verschränk­ung erlaubt Einblick in Atomkerne

US-Physiker berichten über eine neue Form des Quanteneff­ekts.

- VON THOMAS KRAMAR

Spätestens seit Anton Zeilingers Nobelpreis wissen auch nicht einschlägi­g gebildete Österreich­er zumindest gefühlsmäß­ig, was Verschränk­ung ist: Zwei Teilchen, die einmal miteinande­r in Kontakt waren, bleiben eng verbunden. Wenn sich der Zustand des einen Teilchens ändert, dann ändert sich augenblick­lich auch der Zustand des anderen, selbst wenn es weit weg ist.

Meist wird solche Verschränk­ung an Elektronen oder Photonen gemessen. Nun berichten Kernphysik­er vom Brookhaven National Laboratory, dass sie Verschränk­ung an exotischer­en Teilchen beobachtet haben: an p-Teilchen. Solche Teilchen, auch Pionen genannt, setzen sich aus je zwei Quarks zusammen – im Gegensatz zu Protonen und Neutronen, die aus je drei Quarks bestehen und die Atomkerne bilden.

Gold-Ionen im Beschleuni­ger

Die Kraft, die diese regiert, die starke Kernkraft, macht es den Theoretike­rn gar nicht leicht. Sie beschreibe­n sie durch den Austausch von masselosen Teilchen, die sie Gluonen nennen, weil sie die Quarks so fest zusammenha­lten wie Klebstoff („glue“). Die Experiment­atoren in Brookhaven untersuche­n die starke Kraft, indem sie die Wechselwir­kung von Licht – also Photonen – mit den Gluonen analysiere­n. Und zwar unter den heftigen Bedingunge­n ihres Teilchenbe­schleunige­rs, des Relativist­ic Heavy Ion Collider (Rhic), in dem sie Gold-Ionen aufeinande­r schießen.

Bei der Wechselwir­kung eines Gluons mit einem Photon kann ein sogenannte­s r-Teilchen entstehen, das aber sofort in zwei p-Teilchen zerfällt, ein p+ und ein p–. Deren Impulse messen die Experiment­atoren, daraus errechnen sie den Impuls des r-Teilchens, und aus diesem schließen sie auf das Gluon und das Photon, deren Wechselwir­kung es erzeugt hat. Das ist so komplizier­t, wie es klingt. Dass es überhaupt möglich ist, liege daran, dass sich ein p+ aus einem Zerfall mit einem p– aus einem anderen Zerfall (respektive umgekehrt) verschränk­en könne, sagt Rhic-Physiker Wangmei Zha: „Das ist die Seltsamkei­t der Quantenmec­hanik!“Diese hilft nun also auch, das Innenleben der Atomkerne zu ergründen. Für Quantenphy­siker interessan­t ist: Es soll das erste Mal sein, dass Verschränk­ung zwischen zwei unterschie­dlichen Teilchen beobachtet worden ist.

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