Die Presse

Ist Tschechien reif für eine Präsidenti­n?

Im Dreikampf für die Präsidents­chaft auf der Prager Burg mischt die frühere Uni-Rektorin Danŭse Nerudov´a die Republik auf – und setzt ihren Kontrahent­en zu.

- V on unserem Korrespond­enten HANS-JÖRG SCHMIDT

Tschechien­s Regierungs­chef, Petr Fiala, hatte eine illustre Runde eingeladen: Zum 30. Jahrestag der Selbststän­digkeit Tschechien­s versammelt­e er um sich seine lebenden Amtsvorgän­ger. Darunter auch Václav Klaus und Milosˇ Zeman, die in dieser Zeit nicht nur Ministerpr­äsidenten waren, sondern auch Staatspräs­identen.

Das Foto des Abends zeigt, dass im neuen Tschechien bisher ausschließ­lich Männer das Sagen hatten. Bei den Damen auf dem Bild handelte es sich durchwegs um deren Ehegattinn­en. Eine Frau hat sich auch noch nie ernsthaft um die höchsten Posten im Nachbarlan­d beworben. Kein Wunder: Sie wäre chancenlos geblieben. Tschechien­s Gesellscha­ft ist eine Machogesel­lschaft.

Modell Slowakei

Doch damit scheint es vorbei zu sein. Viele Tschechen haben mit Begeisteru­ng verfolgt, wie in der benachbart­en Slowakei die einstige Rechtsanwä­ltin und politische Quereinste­igerin Zuzana Cˇ aputová seit ihrer Wahl zur Präsidenti­n für Furore gesorgtˇha­t. Wann immer die Tschechen Caputová mit ihrem eigenen Präsidente­n, Zeman, verglichen, kam der sehr schlecht dabei weg.

„Vor allem die jungen Tschechen sind es leid, dass sie nach zehn Jahren Klaus auch noch zehn Jahre Zeman auf der Burg ertragen mussten“, analysiert­e eine große Prager Zeitung. „Sie wollen endlich Leute in Spitzenämt­ern sehen, die die Gesellscha­ft einen statt spalten, die aufgeschlo­ssen für Neues sind und für die sie sich im Ausland nicht schämen müssen.“

Die Parlaments­wahl hat einen ersten Wechsel gebracht, hin zu einer Regierung mit einem weithin geachteten Premier Fiala. „Mit dem Ende der Ära Zeman auf dem Hradschin, der Prager Burg, Anfang März könnte endlich ein dicker Schlussstr­ich unter die ,Nachwendez­eit‘ in Tschechien gezogen werden“, betonen Politologe­n.

Tschechisc­he Cˇ aputova´

Wären nur Schüler und Studenten ab dem Alter von 15 Jahren wahlberech­tigt, dann würde die vermeintli­che „tschechisc­he Cˇ aputová“, Danusˇe Nerudová, die Präsidents­chaftswahl­en schon im ersten Durchgang gewinnen. Die 44-jährige Ökonomin, die von 2018 bis 2022 Rektorin der Universitä­t Brno (Brünn) war, bekam bei den „Studentenw­ahlen“mehr als 54 Prozent der Stimmen.

Nerudová vertritt soziallibe­rale Ansichten, unterstütz­t die Ehe für alle und steht klar zur Westausric­htung des Landes und gegen Russlands Ukraine-Krieg. Ihr schwebt mehr Solidaritä­t innerhalb der Gesellscha­ft vor, vor allem mit den wirklich Bedürftige­n.

Nerudová ist zu jung, um vor der „Wende“mit der kommunisti­schen Partei oder der Stasi verbandelt gewesen zu sein. Gänzlich weiß ist ihre Weste aber nicht: Die Uni in Brünn war eine Zeit lang bei Ausländern beliebt, um sich einen Doktortite­l zu „erkaufen“. Nerudová soll zu spät dagegen eingeschri­tten sein.

Seit Wochen ist Nerudová in den Umfragen Teil eines Dreikampfs. Mit ihr gleichauf liegen der frühere Premier und des Betrugs mit EU-Geldern angeklagte Oligarch Andrej Babisˇ und der einstige Armeegener­al Petr Pavel. Pavel (63), ein schneidige­r Typ mit weißem Haar und gestutztem Bart, blickt auf einen 40-jährigen Dienst in der Armee zurück, bis hoch zum Chef des Generalsta­bs. Als erster Offizier aus dem früheren „Ostblock“schaffte er es bis zum Vorsitzend­en des Militäraus­schusses der Nato. Pavel möchte den Tschechen gern ein bisschen mehr Ordnung und Disziplin beibringen, was sich aus seiner Armeezeit erklärt. Dass er in der kommunisti­schen Partei war, führt er auf sein Elternhaus zurück. Auf seine Kariere habe das keinen Einfluss gehabt, sagt er und fügt hinzu: „Ich habe die Wende als Befreiung betrachtet.“

Der umstritten­e Ex-Premier

Babisˇ kennen die Tschechen am besten von allen Favoriten. Logisch, er war viele Jahre Premier, bis er bei den letzten Parlaments­wahlen in die Opposition geschickt wurde. Das neue Amt würde ihm weitere Jahre strafrecht­liche Immunität bescheren.

Mit Jahresbegi­nn setzte das Wahlkampf-Finish für die Wahl am kommenden Freitag und Samstag ein. Es erinnert ein wenig an „Tschechien sucht den Superstar“. Die TV-Auftritte werden wohl darüber entscheide­n, ob das Land einen Burgherrn oder erstmals eine Burgdame bekommen wird.

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[ AFP/Michal Cizek] Die frühere Uni-Rektorin Danuˇse Nerudova´ hat im Dreikampf um den Hradschin für Furore gesorgt.

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