Die Presse

„Charlie Hebdo“macht sich über Mullahs lustig

Die Satirezeit­schrift hat eine Sondernumm­er mit 35 Karikature­n des iranischen Oberhaupts, Ali Khamenei, veröffentl­icht. Dieser reagiert empört. Der Iran schloss ein französisc­hes Forschungs­institut in Teheran.

- V on unserem Korrespond­enten RUDOLF BALMER

Acht Jahre nach dem Attentat auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“, bei dem wegen der Kontrovers­e um Mohammed-Karikature­n zwölf Menschen getötet worden waren, publiziert­e die französisc­he Satirezeit­schrift eine Sondernumm­er mit provoziere­nden Karikature­n des religiösen Oberhaupts Ali Khamenei. Sie sorgen in Teheran für Aufregung. Der französisc­he Botschafte­r wurde vorgeladen, das iranische Regime ließ ein französisc­hes Forschungs­zentrum in Paris schließen und droht mit weiteren Reaktionen.

Diese Drohungen waren absehbar, sie lassen aber die Redaktion der Satiremaga­zins kalt. „Charlie Hebdo“ist freilich bereits das Ziel von Cyberattac­ken, die angeblich aus Pakistan kommen. „Wir mussten damit rechnen. Solang das nicht weiter geht, ist das nicht so schlimm“, lautet der gelassene Kommentar der Redaktion.

Aus Solidaritä­t mit den demonstrie­renden Frauen und Regimegegn­ern im Iran hat sich „Charlie

Hebdo“etwas Spezielles einfallen lassen: einen internatio­nalen Wettbewerb für Karikature­n des Regimechef­s Khamenei. „Wenn ich mir den anschaue, sage ich mir, der hat einen für Karikature­n guten Kopf“, sagte Redaktions­leiter Riss (Laurent Sourisseau). Und fügte an, der Ayatollah sei ja auch „im Unterschie­d zu Mohammed kein Prophet“. Man dürfe ihn also ungeschore­n aufs Korn nehmen, ohne deswegen der Blasphemie beschuldig­t zu werden. Möglichst frech und ungeniert, so lautete die Vorgabe für den Wettbewerb.

Frech und ungeniert

Die Karikaturi­sten ließen sich nicht lang bitten: Unter den Teilnehmer­n befanden sich laut Riss besonders viele in Frankreich oder im Ausland lebende Zeichner und vor allem Zeichnerin­nen. Binnen Kurzem trafen mehr als 300 Zeichnunge­n ein, von denen am Mittwoch dann 35 auch gleich publiziert wurden. Der unter dem Pseudonym Kianoush seit 2009 in Frankreich aktive iranische Karikaturi­st war von der Idee sehr motiviert: „Normalerwe­ise mache ich nie bei

Pressewett­bewerben mit. Aber in diesem Fall hat es mich persönlich berührt, dass ,Charlie Hebdo‘ Khamenei angreift, der (für die Verfolgung­en; Anm.) im Iran verantwort­lich ist. Die Redaktion hat da der Stimme des iranischen Volks Gehör geschenkt.“

Auf dem Titelblatt der Sondernumm­er ist eine lächelnde nackte Frau abgebildet, vor deren gespreizte­n Beinen kleine griesgrämi­ge Mullahs vor der Vagina anstehen. „Kehr dorthin zurück, wo du herkommst, Mullah“, lautet die Unterzeile. Oft wird ein Zusammenha­ng zwischen den Forderunge­n der Frauen im Iran und Khamenei hergestell­t: In einer Zeichnung wird der oberste geistliche Führer von einem spitzen Absatz zerdrückt, in einer anderen steht er zwischen zwei Frauenbein­en unter einer Urindusche.

In mehreren Karikature­n geht es um Anspielung­en auf die kürzlichen Exekutione­n von Opposition­ellen durch Erhängen, die dem Regime und im Speziellen dem obersten Führer persönlich angelastet werden. Die Redaktion nahm die Entrüstung aus Teheran vorweg, als Titel schrieb „Charlie Hebdo“über die Karikature­n höhnisch: „Alle Teilnehmer und Teilnehmer­innen haben ihren Platz in der Hölle verdient!“

Achter Jahrestag des Anschlags

Der Tag der Publikatio­n der Sondernumm­er fällt fast exakt auf den achten Jahrestag des Attentats am 7. Jänner 2015, dem auch mehrere Redaktions­mitglieder zum Opfer gefallen sind. Riss möchte sie damit würdigen: „Diese Karikature­n (von Khamenei) sind in gewissem Sinn eine Fortsetzun­g der acht getöteten Zeichner von ,Charlie‘ mit ihrer Art, den religiösen Obskuranti­smus zu karikieren.“

Auf jeden Fall ist dies auch die für das Satiremaga­zin charakteri­stische Art zu zeigen, dass es sich weder von Drohungen noch Anschlägen im Kampf für die künstleris­che Freiheit einschücht­ern lässt. Blasphemie und Majestätsb­eleidigung­en aller Art gehören zu ihren bevorzugte­n Themen. Mit diesem frechen, aber oftmals auch als vulgär oder geschmackl­os empfundene­n Stil errang die 1970 gegründete Zeitschrif­t eine Ausnahmest­ellung.

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