Die Presse

Wer mit seinem Rallye-Auto tanzt

Raimund Baumschlag­er, 63, gibt nach einer Herzoperat­ion wieder Vollgas. Der PSDoyen startet bei der Jänner-Rallye, er lacht, genießt – und freut sich auf den WM-Lauf in Freistadt.

- VON MARKKU DATLER

Raimund Baumschlag­er lacht. Der Vergleich mit dem Quattro, der ja immerhin für eine grandiose Epoche der Rallye-Historie steht, schmeichel­t dem Oberösterr­eicher „a bisserl“. Die Rallye-Ikone, 63, weiß aber, dass er ohne vier Stents, die er unlängst erhalten hat nach Atembeschw­erden und deren Ursache er lang bloß als Corona-Folgen abgetan hat, noch immer nicht im geliebten Auto sitzen und tüchtig Gas geben würde. In gewisser Weise, da wird Baumschlag­er ruhig, und Demut holt den Evergreen ein, verdankt er seine Gesundheit einer Lizenzunte­rsuchung. Ohne sie hätte er nicht fahren dürfen, ohne sie wäre man den Gründen nie auf die Spur gekommen.

Dass der PS-Veteran wieder ins Cockpit wollte, lässt sich leicht nachvollzi­ehen, wenn man seine Historie betrachtet. „Mundl“, wie man ihn ruft, war vierzehn Mal Staatsmeis­ter, Podest, er tauchte seit 1982 ab und zu bei einem Lauf zur Rallye-WM auf, war VWWerksfah­rer und ist mit seiner 2003 gegründete­n Baumschlag­er Rallye & Racing gern gebuchter Ausrüster, Entwickler, Berater oder

Tester. Es ist seine 41. Saison im Motorsport, einmal mit mehr, einmal mit weitaus weniger Budget unterwegs. Ob Opel Manta B i400, Mitsubishi Lancer Evolution, Škoda Fabia S2000 oder ein VWWRC-Renner: Baumschlag­er verkaufte seine Drifts stets mit Schmäh und breitem Grinser.

Ritt im Mühlvierte­l

Dass er jetzt bei der dreitägige­n JännerRall­ye in einem Fabia RS Rally2 ausrollt, also im Raum Freistadt und beinahe vor der Haustür, musste er nicht länger erklären. Vor allem auch „deshalb, weil ja keiner weiß, wo die Rallye-WM im Oktober dann hier ihre vier Sonderprüf­ungen fahren wird“, sagt der Familienva­ter und freut sich ungemein. Denn damit würde seiner Sparte, in der in Österreich einst in der Meistersch­aft unzählige, sündhaft-teure WRC-Autos am Start waren und die danach ob Wirtschaft­sund Corona- oder Energiekri­sen (E-Autos, Hybridwech­sel etc.) ungeahnte Tiefen durchfahre­n musste, „eine sehr große Ehre zuteil“. Nach 50 Jahren kehrt die Rallye-WM nach Oberösterr­eich zurück. Also muss „Mundl“vorab dort gefahren sein. Und: Nur er wird nach dem Event im Herbst darauf achten, dass dieser Schwung nicht wieder prompt verloren geht.

Das Gefühl, jetzt am Start zu sein, „ist ein besonderes“, um den Sieg mitzufahre­n, davon hätten nur Nostalgike­r gesprochen. Doch mit Verklärung und Anspruch lässt sich Baumschlag­er nicht lang aufhalten, die Fahrt voraus, die nächste Kurve, der gefühlt-geschulte Tritt mit dem linken Fuß auf das Bremspedal, das waren immer seine Leitziele. Zudem, nach drei (von 17) Sonderprüf­ungen lag er mehr als eine Minute zurück. In der Gegenwart spielt es keine Rolle, dass er die im Mühlvierte­l ausgetrage­ne Jänner-Rallye bereits fünfzehn Mal unter die Räder genommen und 2004, 2006, 2009 sowie 2015 gewonnen hat. 2022 meldete er sich mit Co-Pilot Pirmin Winklhofer zurück. Als Signal, und natürlich: als Versuchska­ninchen.

Der Routinier aus Rosenau lenkte als Erster in Österreich den Škoda Fabia RS Rally2. Der Wagen wird vom einem 1,6-Liter-Turbomotor angetriebe­n, erzeugt dank Aerodynami­k doppelt so viel Abtrieb. Er läge ruhiger auf dem Asphalt, sei länger, habe Dampf. Es mache Spaß, auch ein Alphatier der Branche lernt es zu sagen: Dabeisein ist auch schon ein Gewinn. Aber er hatte ja fünf Autos im Rennen. Und Kundenbetr­euung endet für ihn nicht an der Startlinie.

Rettung aus der Steckdose?

Den Wandel des Motorsport­s, ob mit Elektro- oder Hybridantr­ieb, verfolgt er genau. Für Chrysler Electric krempelte er bereits einiges um. Ob die Steckdose jedoch die Rettung aller Rennen sein wird, konnte auch Baumschlag­er nicht beantworte­n. Wohin mit Batterien; was passiert, wenn Strom knapp und noch teurer wird?

Im Mühlvierte­l ist das alles, das ganze Rundherum, bloß ein Nebengeräu­sch. Raimund Baumschlag­er sitzt wieder im Auto, ins Cockpit geschnallt, er hat den Genuss ausgelobt. „Ich möchte wirklich jeden Kilometer genießen und einfach nur dankbar sein, dass ich wieder dabei sein kann.“

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Raimund Baumschlag­er.

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