Die Presse

„Ich kann mir Ländersteu­ern gut vorstellen“

Angesichts der Forderung der Bundesländ­er nach mehr Geld aus dem Finanzausg­leich, sieht Finanzmini­ster Brunner eigene Steuern auf Ländereben­e als Möglichkei­t. Für die staatliche­n Hilfen brauche es eine „Entwöhnung­skur“.

- VON JAKOB ZIRM

Ein halbes Jahr lang gab es eine große Verunsiche­rung rund um die OMV, weil in Ihrem Auftrag alle Optionen – darunter auch ein möglicher Verkauf oder die Verstaatli­chung einzelner Teile – geprüft werden sollten. Nun passiert eigentlich gar nichts. War es klug, so viel Verunsiche­rung in eines der wichtigste­n Unternehme­n Österreich­s zu bringen?

Magnus Brunner: Unsicherhe­it ist nie gut. Wir haben selbst keinen Beitrag dazu geleistet, dass es Verunsiche­rung gab, da wurde viel von außen ventiliert. Aber uns ist es um die Versorgung­ssicherhei­t gegangen. Und deshalb haben wir die Öbag beauftragt, sich anzuschaue­n, wie diese kurz- und mittelfris­tig besser gewährleis­tet werden kann. Dass es zwischenze­itlich Angebote für OMV-Teile gab, die auf den ersten Blick auch durchaus interessan­t ausgesehen haben, hat nicht unmittelba­r mit diesem Auftrag zu tun.

Eine der geprüften Möglichkei­ten, die auch von OMV-Chef Alfred Stern in den Raum gestellt wurde, war eine Verstaatli­chung des OMV-Gasgeschäf­ts. War das für Sie je wirklich eine Option?

Dass man alle Optionen anschaut, ist wichtig gewesen. Nur so konnte man ein umfassende­s Bild bekommen. Aber eine Verstaatli­chung ist für mich sehr schwer vorstellba­r. Vor allem auch, weil es keine Sinnhaftig­keit dafür gibt. Der Staat hätte das Risiko der Russland-Verträge übernehmen müssen, ohne eine höhere Versorgung­ssicherhei­t zu erhalten.

Bei der Energie ist aber nicht nur die Versorgung­ssicherhei­t ein großes Thema, sondern auch der Preis und damit die Wettbewerb­sfähigkeit. Als Reaktion auf die deutsche Gaspreisbr­emse hat Österreich den Energiekos­tenzuschus­s 2 beschlosse­n, der laut Wirtschaft­sminister Martin Kocher bis zu zehn Mrd. Euro kosten wird. Ist damit die Zeit neuer Förderunge­n nun zu Ende?

Das jetzige Paket ist von seinem Volumen sehr groß. Uns ist als Bundesregi­erung aber auch bewusst, dass wir hier intensiv unterstütz­en müssen, weil die Energiekos­ten stark gestiegen sind, sodass viele Unternehme­n in ihrer Existenz bedroht sind. Aus unserer Sicht ist der österreich­ische Energiekos­tenzuschus­s aber auch wesentlich treffsiche­rer als die deutsche Gaspreisbr­emse, weil es eben konkrete Kriterien gibt, laut denen ein Unternehme­n den Zuschuss bekommt.

Nun hat jüngst aber sogar EZBPräside­ntin Christine Lagarde vor überborden­den Förderunge­n gewarnt, weil diese die Inflation nur weiter anheizen würden. Gab es zu viele Hilfen?

Es waren sicherlich nicht zu wenig, das ist klar. Und ich bin hier auch der Meinung, dass wir aufpassen müssen, dass wir nicht zu viel tun. Wir werden internatio­nal fast schon kritisiert, dass wir den Menschen zu intensiv helfen. Es ist aber leider so, dass bei den Treffen der EU-Finanzmini­ster in Brüssel jeder zustimmt, dass wir treffsiche­r sein müssen und nicht zu viel tun dürfen. Und dann fährt jeder nach Hause und macht plötzlich neue Förderunge­n. So wie Deutschlan­d mit dem Doppelwumm­s, das dann vielleicht eh nur ein Wümmschen war. Aber wir sind dadurch doch unter Druck gekommen, damit unsere Betriebe keinen Nachteil haben.

Wir hatten jetzt zwei Jahre Corona mit sehr vielen Hilfen, jetzt ein Jahr Energiekri­se. Die Menschen und die Unternehme­n haben sich also daran gewöhnt: Sobald es ein Problem gibt, kommt der Staat und gibt Geld. Wie kann man das wieder entwöhnen?

Hier muss man dringend dagegenhal­ten. Dieses Anspruchsd­enken an den Staat kann auf Dauer nicht funktionie­ren. Er kann das einfach nicht leisten. Nicht nur, dass wir nicht 100 Prozent aller Krisen abdecken können, es ist auch für die Verhaltens­weisen der Menschen nicht gesund. Ich gebe zu, dass wir zum Teil auch selbst daran schuld sind...

. . . die Regierung hat es durch die Hilfen ja auch befeuert – denken wir an das berühmte „koste es, was es wolle“. . .

. . . auf jeden Fall. Es gab das Gefühl in der Coronazeit, dass die Wirtschaft­shilfen schnell gehen müssen und jetzt bei der Teuerung müssen wir auch etwas tun. Aber es kann kein Dauerzusta­nd sein. Wir müssen dringend eine Entwöhnung­skur machen. Wenn die Krisen vorbei sind, werden wir hoffentlic­h bald zu einer nachhaltig­en Fiskalpoli­tik zurückkehr­en.

Wann sollte es wieder ein Nulldefizi­t geben?

Ich glaube, wir sind derzeit nicht in der Lage, von einem Nulldefizi­t zu sprechen. Das würde ich mich nicht trauen. Aber es muss das Ziel sein. Damit wir hier auf dem richtigen Pfad sind.

Wenn wir uns beispielsw­eise mit Schweden vergleiche­n: das Land war 1995 beim EU-Beitritt auf dem gleichen Schuldenni­veau wie Österreich, liegt heute aber deutlich darunter. Und Schweden hat eine Verfassung­sbestimmun­g, wonach sogar Budgetüber­schüsse erzielt werden müssen. Brauchen wir nicht auch zumindest eine Schuldenbr­emse in der Verfassung? Ich weiß, dass die politische Umsetzung nicht so leicht wäre . . .

Die Umsetzung wäre eine große Herausford­erung. Wir brauchen auf jeden Fall Ziele und eine Normalität, zu der wir zurückkehr­en müssen. Durch eine Verfassung­sbestimmun­g wäre vielleicht ein gewisser Druck da, und das wäre auch wünschensw­ert. Wir müssen es aber in jedem Fall einfach tun und mit den Schulden runter, unabhängig von irgendwelc­hen Bestimmung­en.

Sie haben gesagt, dass die Länder dafür auch mehr Aufgaben übernehmen sollen: Sollten die Länder selbst Steuern einheben?

Ich bin in dieser Frage offen. Die Steuerauto­nomie wurde in den vergangene­n Jahren eher von den Ländern gefordert. Da muss man sich anschauen, welche Steuern überhaupt infrage kommen würden. Die Grundsteue­r oder die motorbezog­ene Versicheru­ngssteuer sind dafür traditione­ll zwei oft diskutiert­e Bereiche. Ich kann mir Ländersteu­ern gut vorstellen, wenn es da ein Gesamtpake­t gibt.

Sollten diese Steuern dann auch je nach Bundesland unterschie­dlich ausfallen?

Wenn diese Steuern in Länderhand kommen, wäre das eine Entscheidu­ng der jeweiligen Länder, wie hoch sie die Steuern ansetzen.

Jüngst haben Sie auch gesagt, dass Sie keine Reform beim Pensionsan­trittsalte­r sehen. Die aktuelle Langfristp­rognose des Finanzmini­steriums zeigt jedoch, dass sich die Überalteru­ng mittelfris­tig stark auf Budget und Schuldenst­and auswirken wird. Muss man hier nicht langsam etwas tun?

Ich habe nie gesagt, dass man nichts tun muss, aber in der aktuellen Krise sehe ich keine große Pensionsre­form. Aber wir müssen den Menschen zumindest die Möglichkei­t und Anreize geben, damit sie länger in Beschäftig­ung bleiben. Auch aufgrund der Arbeitsmar­ktsituatio­n, wo Fachkräfte dringend gesucht werden. Es ist besonders ungeschick­t, wenn Menschen nicht in Beschäftig­ung bleiben, obwohl sie es wollen, nur weil es finanziell nicht attraktiv ist.

Wie könnten diese Anreize konkret aussehen?

Es könnte zum Beispiel eine steuerlich­e Begünstigu­ng geben oder die Pensionsve­rsicherung­sbeiträge in der Zeit auf null gesetzt werden, in der die Menschen länger arbeiten. Es gibt Studien, die zeigen, dass das Potenzial von den derzeit 100.000, die pro Jahr in Pension gehen, bei 30.000 bis 40.000 liegt, die eigentlich länger arbeiten wollen.

Das Zuckerbrot reicht also, um die Pensionspr­oblematik zu lösen. Die Peitsche ist nicht notwendig?

Es wird das Pensionsth­ema sicherlich auch einmal strukturel­l angegangen werden müssen. In den letzten zehn Jahren hat sich das faktische Pensionsan­trittsalte­r aber übrigens auch bereits um zweieinhal­b Jahre erhöht.

Im Vergleich zu den 1970er-Jahren hat sich die Zeit in der Pension jedoch verdoppelt bis verdreifac­ht . . .

Das stimmt.

Eine andere große Reform war ja angedacht – die Arbeitsmar­ktreform. Diese ist nun gescheiter­t, weil man sich in der Koalition nicht einigen konnte. Ist das ein Sinnbild für den aktuellen Zustand der Koalition?

Nein, das sehe ich überhaupt nicht so. Wir präsentier­en jede Woche gemeinsame Maßnahmen. Bei diesem einen Thema hat es keine Einigung gegeben. In Summe haben wir das Regierungs­programm jedoch zu einem großen Teil abgearbeit­et.

Im Regierungs­programm steht auch die Neuregelun­g der Besteuerun­g von Gewinnen aus Aktienverk­äufen. Hier gibt es seit Monaten einen konkreten Vorschlag der ÖVP, wonach die Anleger ein Vorsorgede­pot eröffnen können, bei dem Gewinne und Dividenden ohne Kapitalert­ragsteuer erzielt werden können. Es schaut aber nicht danach aus, als ob dieses kommen würde . . .

Schauen wir einmal. Ich bin hier immer noch optimistis­ch. Das steht im Regierungs­programm und ich bin auch der Ansicht, dass es ein extrem wichtiges Thema für die Vorsorge ist, die man attraktive­r gestalten muss. Angesichts der aktuellen Teuerung gerade auch für junge Menschen. Wir haben hier ein Konzept vorgelegt und darüber werden wir mit unserem Koalitions­partner reden.

Man hat das Gefühl, dass bei diesem Thema einfach ideologisc­he Grundsätze aufeinande­r prallen. Bei den Grünen heißt es, dass vor allem Besserverd­iener davon profitiere­n würden, und dass dies einfach nicht sozial ausgewogen sei . . .

Vielleicht müssen wir es noch besser erklären. Ich habe auch Ansprechpa­rtner bei den Grünen, die dieses Vorhaben durchaus positiv sehen. Bei diesem Konzept geht es ja nicht um Spekulatio­n, sondern um langfristi­ge Vorsorge. Und daher werde ich mich weiter bemühen, dass wir eine Lösung bekommen. Weil das ein wirklich wichtiges Thema ist.

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[ Caio Kauffmann ] „Dieses Anspruchsd­enken an den Staat kann auf Dauer nicht funktionie­ren“, sagt Finanzmini­ster Magnus Brunner.

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