„Ich kann mir Ländersteuern gut vorstellen“
Angesichts der Forderung der Bundesländer nach mehr Geld aus dem Finanzausgleich, sieht Finanzminister Brunner eigene Steuern auf Länderebene als Möglichkeit. Für die staatlichen Hilfen brauche es eine „Entwöhnungskur“.
Ein halbes Jahr lang gab es eine große Verunsicherung rund um die OMV, weil in Ihrem Auftrag alle Optionen – darunter auch ein möglicher Verkauf oder die Verstaatlichung einzelner Teile – geprüft werden sollten. Nun passiert eigentlich gar nichts. War es klug, so viel Verunsicherung in eines der wichtigsten Unternehmen Österreichs zu bringen?
Magnus Brunner: Unsicherheit ist nie gut. Wir haben selbst keinen Beitrag dazu geleistet, dass es Verunsicherung gab, da wurde viel von außen ventiliert. Aber uns ist es um die Versorgungssicherheit gegangen. Und deshalb haben wir die Öbag beauftragt, sich anzuschauen, wie diese kurz- und mittelfristig besser gewährleistet werden kann. Dass es zwischenzeitlich Angebote für OMV-Teile gab, die auf den ersten Blick auch durchaus interessant ausgesehen haben, hat nicht unmittelbar mit diesem Auftrag zu tun.
Eine der geprüften Möglichkeiten, die auch von OMV-Chef Alfred Stern in den Raum gestellt wurde, war eine Verstaatlichung des OMV-Gasgeschäfts. War das für Sie je wirklich eine Option?
Dass man alle Optionen anschaut, ist wichtig gewesen. Nur so konnte man ein umfassendes Bild bekommen. Aber eine Verstaatlichung ist für mich sehr schwer vorstellbar. Vor allem auch, weil es keine Sinnhaftigkeit dafür gibt. Der Staat hätte das Risiko der Russland-Verträge übernehmen müssen, ohne eine höhere Versorgungssicherheit zu erhalten.
Bei der Energie ist aber nicht nur die Versorgungssicherheit ein großes Thema, sondern auch der Preis und damit die Wettbewerbsfähigkeit. Als Reaktion auf die deutsche Gaspreisbremse hat Österreich den Energiekostenzuschuss 2 beschlossen, der laut Wirtschaftsminister Martin Kocher bis zu zehn Mrd. Euro kosten wird. Ist damit die Zeit neuer Förderungen nun zu Ende?
Das jetzige Paket ist von seinem Volumen sehr groß. Uns ist als Bundesregierung aber auch bewusst, dass wir hier intensiv unterstützen müssen, weil die Energiekosten stark gestiegen sind, sodass viele Unternehmen in ihrer Existenz bedroht sind. Aus unserer Sicht ist der österreichische Energiekostenzuschuss aber auch wesentlich treffsicherer als die deutsche Gaspreisbremse, weil es eben konkrete Kriterien gibt, laut denen ein Unternehmen den Zuschuss bekommt.
Nun hat jüngst aber sogar EZBPräsidentin Christine Lagarde vor überbordenden Förderungen gewarnt, weil diese die Inflation nur weiter anheizen würden. Gab es zu viele Hilfen?
Es waren sicherlich nicht zu wenig, das ist klar. Und ich bin hier auch der Meinung, dass wir aufpassen müssen, dass wir nicht zu viel tun. Wir werden international fast schon kritisiert, dass wir den Menschen zu intensiv helfen. Es ist aber leider so, dass bei den Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel jeder zustimmt, dass wir treffsicher sein müssen und nicht zu viel tun dürfen. Und dann fährt jeder nach Hause und macht plötzlich neue Förderungen. So wie Deutschland mit dem Doppelwumms, das dann vielleicht eh nur ein Wümmschen war. Aber wir sind dadurch doch unter Druck gekommen, damit unsere Betriebe keinen Nachteil haben.
Wir hatten jetzt zwei Jahre Corona mit sehr vielen Hilfen, jetzt ein Jahr Energiekrise. Die Menschen und die Unternehmen haben sich also daran gewöhnt: Sobald es ein Problem gibt, kommt der Staat und gibt Geld. Wie kann man das wieder entwöhnen?
Hier muss man dringend dagegenhalten. Dieses Anspruchsdenken an den Staat kann auf Dauer nicht funktionieren. Er kann das einfach nicht leisten. Nicht nur, dass wir nicht 100 Prozent aller Krisen abdecken können, es ist auch für die Verhaltensweisen der Menschen nicht gesund. Ich gebe zu, dass wir zum Teil auch selbst daran schuld sind...
. . . die Regierung hat es durch die Hilfen ja auch befeuert – denken wir an das berühmte „koste es, was es wolle“. . .
. . . auf jeden Fall. Es gab das Gefühl in der Coronazeit, dass die Wirtschaftshilfen schnell gehen müssen und jetzt bei der Teuerung müssen wir auch etwas tun. Aber es kann kein Dauerzustand sein. Wir müssen dringend eine Entwöhnungskur machen. Wenn die Krisen vorbei sind, werden wir hoffentlich bald zu einer nachhaltigen Fiskalpolitik zurückkehren.
Wann sollte es wieder ein Nulldefizit geben?
Ich glaube, wir sind derzeit nicht in der Lage, von einem Nulldefizit zu sprechen. Das würde ich mich nicht trauen. Aber es muss das Ziel sein. Damit wir hier auf dem richtigen Pfad sind.
Wenn wir uns beispielsweise mit Schweden vergleichen: das Land war 1995 beim EU-Beitritt auf dem gleichen Schuldenniveau wie Österreich, liegt heute aber deutlich darunter. Und Schweden hat eine Verfassungsbestimmung, wonach sogar Budgetüberschüsse erzielt werden müssen. Brauchen wir nicht auch zumindest eine Schuldenbremse in der Verfassung? Ich weiß, dass die politische Umsetzung nicht so leicht wäre . . .
Die Umsetzung wäre eine große Herausforderung. Wir brauchen auf jeden Fall Ziele und eine Normalität, zu der wir zurückkehren müssen. Durch eine Verfassungsbestimmung wäre vielleicht ein gewisser Druck da, und das wäre auch wünschenswert. Wir müssen es aber in jedem Fall einfach tun und mit den Schulden runter, unabhängig von irgendwelchen Bestimmungen.
Sie haben gesagt, dass die Länder dafür auch mehr Aufgaben übernehmen sollen: Sollten die Länder selbst Steuern einheben?
Ich bin in dieser Frage offen. Die Steuerautonomie wurde in den vergangenen Jahren eher von den Ländern gefordert. Da muss man sich anschauen, welche Steuern überhaupt infrage kommen würden. Die Grundsteuer oder die motorbezogene Versicherungssteuer sind dafür traditionell zwei oft diskutierte Bereiche. Ich kann mir Ländersteuern gut vorstellen, wenn es da ein Gesamtpaket gibt.
Sollten diese Steuern dann auch je nach Bundesland unterschiedlich ausfallen?
Wenn diese Steuern in Länderhand kommen, wäre das eine Entscheidung der jeweiligen Länder, wie hoch sie die Steuern ansetzen.
Jüngst haben Sie auch gesagt, dass Sie keine Reform beim Pensionsantrittsalter sehen. Die aktuelle Langfristprognose des Finanzministeriums zeigt jedoch, dass sich die Überalterung mittelfristig stark auf Budget und Schuldenstand auswirken wird. Muss man hier nicht langsam etwas tun?
Ich habe nie gesagt, dass man nichts tun muss, aber in der aktuellen Krise sehe ich keine große Pensionsreform. Aber wir müssen den Menschen zumindest die Möglichkeit und Anreize geben, damit sie länger in Beschäftigung bleiben. Auch aufgrund der Arbeitsmarktsituation, wo Fachkräfte dringend gesucht werden. Es ist besonders ungeschickt, wenn Menschen nicht in Beschäftigung bleiben, obwohl sie es wollen, nur weil es finanziell nicht attraktiv ist.
Wie könnten diese Anreize konkret aussehen?
Es könnte zum Beispiel eine steuerliche Begünstigung geben oder die Pensionsversicherungsbeiträge in der Zeit auf null gesetzt werden, in der die Menschen länger arbeiten. Es gibt Studien, die zeigen, dass das Potenzial von den derzeit 100.000, die pro Jahr in Pension gehen, bei 30.000 bis 40.000 liegt, die eigentlich länger arbeiten wollen.
Das Zuckerbrot reicht also, um die Pensionsproblematik zu lösen. Die Peitsche ist nicht notwendig?
Es wird das Pensionsthema sicherlich auch einmal strukturell angegangen werden müssen. In den letzten zehn Jahren hat sich das faktische Pensionsantrittsalter aber übrigens auch bereits um zweieinhalb Jahre erhöht.
Im Vergleich zu den 1970er-Jahren hat sich die Zeit in der Pension jedoch verdoppelt bis verdreifacht . . .
Das stimmt.
Eine andere große Reform war ja angedacht – die Arbeitsmarktreform. Diese ist nun gescheitert, weil man sich in der Koalition nicht einigen konnte. Ist das ein Sinnbild für den aktuellen Zustand der Koalition?
Nein, das sehe ich überhaupt nicht so. Wir präsentieren jede Woche gemeinsame Maßnahmen. Bei diesem einen Thema hat es keine Einigung gegeben. In Summe haben wir das Regierungsprogramm jedoch zu einem großen Teil abgearbeitet.
Im Regierungsprogramm steht auch die Neuregelung der Besteuerung von Gewinnen aus Aktienverkäufen. Hier gibt es seit Monaten einen konkreten Vorschlag der ÖVP, wonach die Anleger ein Vorsorgedepot eröffnen können, bei dem Gewinne und Dividenden ohne Kapitalertragsteuer erzielt werden können. Es schaut aber nicht danach aus, als ob dieses kommen würde . . .
Schauen wir einmal. Ich bin hier immer noch optimistisch. Das steht im Regierungsprogramm und ich bin auch der Ansicht, dass es ein extrem wichtiges Thema für die Vorsorge ist, die man attraktiver gestalten muss. Angesichts der aktuellen Teuerung gerade auch für junge Menschen. Wir haben hier ein Konzept vorgelegt und darüber werden wir mit unserem Koalitionspartner reden.
Man hat das Gefühl, dass bei diesem Thema einfach ideologische Grundsätze aufeinander prallen. Bei den Grünen heißt es, dass vor allem Besserverdiener davon profitieren würden, und dass dies einfach nicht sozial ausgewogen sei . . .
Vielleicht müssen wir es noch besser erklären. Ich habe auch Ansprechpartner bei den Grünen, die dieses Vorhaben durchaus positiv sehen. Bei diesem Konzept geht es ja nicht um Spekulation, sondern um langfristige Vorsorge. Und daher werde ich mich weiter bemühen, dass wir eine Lösung bekommen. Weil das ein wirklich wichtiges Thema ist.