Misstrauen trifft auf Willkür, beide auf Grenzen der Belastbarkeit
Toxische Situation für die Demokratie: Wenn Konsumenten Kostenexplosionen bei der Energie nicht nachvollziehen können und es keine überzeugende Erklärung gibt.
Zu Beginn dieses neuen Jahres kann man die sogenannte Politikpolitik auf und ab kommentieren: dass SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner bei ihrer den abwesenden Hans Peter Doskozil als „weißen Elefanten im Raum“zugelassen hat; dass bei der Regierungsklausur nächste Woche die Öffentlichkeit über Regierungsmitglieder staunen wird, die seit einem Jahr im Amt sind und an die sich kaum jemand erinnert; dass es der FPÖ umso besser in den Umfragen geht, je weniger man von Herbert Kickl hört und so weiter.
Aber damit ist schon zu viel Platz verschwendet. Die Menschen betreffen zwar die Beschlüsse, aber betroffen sind sie von anderen Sorgen – aktuell von den explodierenden Energiekosten und der Frage, wann für den Einzelnen die Grenze der Belastbarkeit erreicht ist.
In dieser Hinsicht sind wir in einer toxischen Gesamtsituation, also in einer für die Demokratie gefährlichen. Der Vertrauensverlust in die Politik ist bei vielen in offenes Misstrauen umgeschlagen. Verstärkt wird es durch undurchschaubare, für viele unverständliche Begründungen der Regierung und Energiekonzerne im Stakkatotempo.
Ein besonders anschauliches Beispiel flatterte dieser Tage – „Sehr geehrte Wohnungsnutzer/in“(sic!) – ins Haus. In dem Brief des „Energiepartners“Meßtechnik erfährt man, dass es „leider heuer nicht möglich ist, eine Abrechnung im Dezember noch zu legen“: „Grund dafür ist die Wien Energie, welche für die Erstellung der Fernwärmeabrechnung noch etwas Zeit benötigt. Wir wurden jedoch von der Wien Energie verständigt, die Teilzahlungen bis zur Erstellung der Abrechnung zu verdoppeln.“Dabei handelt es sich um einen für viele „exklusiven“Energiepartner, alternativlos eben.
Das muss man sich vor Augen führen: Die Heizkosten werden verdoppelt, was für viele Haushalte wahrscheinlich akut kaum leistbar ist. Der Zahlschein liegt bei. Der Konsument hat keine Möglichkeit zu erfahren, wie es zur Verdoppelung, etwa von 250 auf 500 Euro pro Monat, gekommen ist. Es sei nur ein Schätzwert, sagt die Firma. Wer aber sagt, dass Überzahlungen später refundiert werden? Der Pegel des Misstrauens steigt. Warum sollte die Wien Energie auf vorhandene Einnahmen verzichten? Sie könnte sie einbehalten und mit unsicheren Zeiten argumentieren. Wer sagt, wie korrekt die Abrechnung sein wird? Dass es keine Fehler geben wird?
In dieser Situation darf es nicht verwundern, wenn das Gespenst der Willkür umgeht. Wer keinen Durchblick hat und nichts verständlich erklärt bekommt, wird zu jeder Zeit misstrauisch, aber jetzt besonders. Das Ganze bekommt irgendwie den Charakter einer Vorfinanzierung. Später wird die Regierung dann durch Abschöpfung der Übergewinne der Energiekonzerne das angebliche Steuergeld der Konzerne, gespeist durch Überzahlungen der Konsumenten, wieder mit der Gießkanne ausschütten. Für die Bürger gilt also: Frag nicht, warum du jetzt zahlen musst, frag lieber, warum du dir die Wohltaten per Kostenzuschüsse der Regierung etc. später vielleicht selbst bezahlst.
Gut, es gibt die Verbraucherschlichtung Austria. Dort hat man einen starken Zuwachs an Fällen verzeichnet, wofür die Vorschreibungen der Fernwärmeversorger verantwortlich sind. Man kann sich vorstellen, dass vor allem sozial schwache Familien nur darauf warten, der Schlichtungsstelle die Tür einzurennen – in genauer Kenntnis aller Informationen. Denn noch etwas wird vorausgesetzt: „Dass die Betroffenen zumindest einen Versuch unternommen haben, sich selbst mit dem Unternehmen zu einigen.“Manchmal ist es schwer, nicht sarkastisch zu werden.
Der Verdacht der Willkür von Politik und Konzernen ist Gift für die Gesellschaft am Beginn eines ohnehin nicht leichten Jahres. Selbst wenn er unbegründet sein sollte. Aber danach sieht es im Moment nicht aus.
Wer keinen Durchblick hat und nichts verständlich erklärt bekommt, wird zu jeder Zeit misstrauisch, aber jetzt besonders.