„Standardfragen reichen nicht aus“
Sie wollte ins Investmentbanking, ehe sie an der Beratung Gefallen fand. Marie-Therese Marek ist Partnerin bei Bain & Company und baut mit einem Team den Standort Wien auf.
Vor einem Jahr war nicht unbedingt damit zu rechnen gewesen, dass sich der Luxusgütermarkt so rasant entwickeln würde. Letztlich hat er im Vergleich zum Vorjahr gut 20 Prozent zugelegt und das Vor-CoronaNiveau deutlich überflügelt. Es habe aufseiten der Kunden gewisse Reserven und Nachholbedarf gegeben, sagt Marie-Therese Marek, „man möchte sich etwas gönnen“. Die 37-Jährige ist Partnerin im Wiener Büro der Unternehmensberatung Bain & Company und Expertin für Konsumgüter, Luxury und Einzelhandel. „Die Luxusmarken haben gelernt, die Gen Z über Social Media anzusprechen“, sagt Marek. „Früher war Luxus ein Ausdruck des Status, heute ist es eine Form von Self-Expression.“Beautyartikel und Accessoires sind demnach auch die Einstiegsprodukte in das Luxussegment, von dem Luxusautomobile mehr als 40 Prozent des Umsatzes ausmachen, gefolgt von persönlichen Luxusgütern wie Mode und Schmuck, Hospitality ist das drittgrößte Segment.
Was den Handel und hier speziell die Luxusgüterschiene aktuell bewegt, sind drei große strategische Themenfelder, sagt Marek. Erstens Fragen rund um ESG (Environmental, Social, Governance) und damit die Fragen: Was sind hinsichtlich Nachhaltigkeit unsere Ziele, und wie sind sie messbar?
Wie umgehen mit den VIC?
Das zweite große Thema sei der Channel-Shift: War es vor Corona für viele unvorstellbar, hochpreisige Produkte online zu vertreiben, hat sich das mittlerweile gedreht. Auch jene Luxusmarken, die vor Kurzem noch keinen Onlineshop hatten, haben aufgeholt. Das Thema der Beratung und des Wunschs, die Artikel genau ansehen und angreifen zu können, aber bleibt. Und drittens beschäftigt der Umgang mit den VIC, den Very Important Clients: Wie muss man eine Klientel bedienen, die keine persönlichen Daten preisgeben will, nicht erkannt werden will, die aber gleichzeitig erwartet,
im Shop sehr persönlich und individuell angesprochen zu werden?
Dass sie thematisch beim Handel und bei den Konsum- und Luxusgütern gelandet sei, war weniger Absicht als Zufall. Ursprünglich hatte sie einen Job im Investmentbanking und Private Equity angestrebt, denn „Zahlen sind handfest“, sagt sie. Bis Sommer war sie für Bain am Münchner Standort angestellt, im Juli wechselte sie als Partnerin in ihre Heimatstadt Wien. Um hier ein neues Büro aufzubauen: „Wien hat sich gewandelt, ist offener und internationaler geworden, seit ich weggegangen bin“, sagt sie.
Was ihr Freude bereitet, ist, mit Kunden etwas gemeinsam zu
erarbeiten und langfristige Beziehungen zu pflegen, unabhängig davon, ob es unmittelbar ein Mandat gebe. Und, das sagt sie ganz offen, die inhaltliche Arbeit „ist weniger als die halbe Miete“. Nicht, dass sie nicht große Bedeutung hätte. Aber es gehe sehr stark darum, die Antworten auf inhaltliche Herausforderungen so zu geben, dass sie von der Organisation mitgetragen werden können.
Daher sei es auch wichtig, die die richtigen Fragen zu stellen, um zu den entscheidenden Punkten vorstoßen zu können. Drei Komponenten machen es aus, sagt Marek. Erstens Verständnis der Sache und Intellekt. Zweitens, „die Haltung“, wie Marek es nennt: passioniert und neugierig zu sein. „Standardfragen reichen nicht aus.“Und drittens: Erfahrung. Seien früher ausschließlich Berater ausgerückt, würden heute breit aufgestellte Teams eingesetzt: je nach Bedarf mit Data Scientists, Customer-Experience-Designern, Programmierern und jedenfalls einem erfahrenen Partnerteam.
Präsenz drückt Respekt aus
Dass sie so früh – im gesamten Bain-Konzern mit rund 18.000 Mitarbeitenden weltweit gibt es im D-A-CH-Raum nur zwei weitere Partnerinnen, die so jung sind wie sie – Partnerin wurde, liege auch an der gelebten Transparenz: Es sei klar, welche Kriterien erwartet werden, und dazu gebe es kontinuierliches Feedback – inklusive der Schulung, Feedback zu geben und zu nehmen. Zudem habe sie sich immer wieder einmal eine Auszeit genommen – und sich danach bewusst wieder für das Unternehmen entschieden. Was außerdem unterstützend sei: eine Meinung zu haben und sie auch zu vertreten.
Und zu spüren, was Energie gibt und was nicht, und zu prüfen, ob die Balance passt. Sie habe gelernt, sich zu fragen: „Bin ich hier? Präsent zu sein, ist eine Frage des Respekts“, sagt Marek.
Das sei ihr auch wichtig, wenn es um Führung geht: „Bestleistung ist dann möglich, wenn man sich wohlfühle.“Dazu gehöre auch, Interessen und Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit anzusprechen. Und zuzuhören.