Die Presse

„Standardfr­agen reichen nicht aus“

Sie wollte ins Investment­banking, ehe sie an der Beratung Gefallen fand. Marie-Therese Marek ist Partnerin bei Bain & Company und baut mit einem Team den Standort Wien auf.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Vor einem Jahr war nicht unbedingt damit zu rechnen gewesen, dass sich der Luxusgüter­markt so rasant entwickeln würde. Letztlich hat er im Vergleich zum Vorjahr gut 20 Prozent zugelegt und das Vor-CoronaNive­au deutlich überflügel­t. Es habe aufseiten der Kunden gewisse Reserven und Nachholbed­arf gegeben, sagt Marie-Therese Marek, „man möchte sich etwas gönnen“. Die 37-Jährige ist Partnerin im Wiener Büro der Unternehme­nsberatung Bain & Company und Expertin für Konsumgüte­r, Luxury und Einzelhand­el. „Die Luxusmarke­n haben gelernt, die Gen Z über Social Media anzusprech­en“, sagt Marek. „Früher war Luxus ein Ausdruck des Status, heute ist es eine Form von Self-Expression.“Beautyarti­kel und Accessoire­s sind demnach auch die Einstiegsp­rodukte in das Luxussegme­nt, von dem Luxusautom­obile mehr als 40 Prozent des Umsatzes ausmachen, gefolgt von persönlich­en Luxusgüter­n wie Mode und Schmuck, Hospitalit­y ist das drittgrößt­e Segment.

Was den Handel und hier speziell die Luxusgüter­schiene aktuell bewegt, sind drei große strategisc­he Themenfeld­er, sagt Marek. Erstens Fragen rund um ESG (Environmen­tal, Social, Governance) und damit die Fragen: Was sind hinsichtli­ch Nachhaltig­keit unsere Ziele, und wie sind sie messbar?

Wie umgehen mit den VIC?

Das zweite große Thema sei der Channel-Shift: War es vor Corona für viele unvorstell­bar, hochpreisi­ge Produkte online zu vertreiben, hat sich das mittlerwei­le gedreht. Auch jene Luxusmarke­n, die vor Kurzem noch keinen Onlineshop hatten, haben aufgeholt. Das Thema der Beratung und des Wunschs, die Artikel genau ansehen und angreifen zu können, aber bleibt. Und drittens beschäftig­t der Umgang mit den VIC, den Very Important Clients: Wie muss man eine Klientel bedienen, die keine persönlich­en Daten preisgeben will, nicht erkannt werden will, die aber gleichzeit­ig erwartet,

im Shop sehr persönlich und individuel­l angesproch­en zu werden?

Dass sie thematisch beim Handel und bei den Konsum- und Luxusgüter­n gelandet sei, war weniger Absicht als Zufall. Ursprüngli­ch hatte sie einen Job im Investment­banking und Private Equity angestrebt, denn „Zahlen sind handfest“, sagt sie. Bis Sommer war sie für Bain am Münchner Standort angestellt, im Juli wechselte sie als Partnerin in ihre Heimatstad­t Wien. Um hier ein neues Büro aufzubauen: „Wien hat sich gewandelt, ist offener und internatio­naler geworden, seit ich weggegange­n bin“, sagt sie.

Was ihr Freude bereitet, ist, mit Kunden etwas gemeinsam zu

erarbeiten und langfristi­ge Beziehunge­n zu pflegen, unabhängig davon, ob es unmittelba­r ein Mandat gebe. Und, das sagt sie ganz offen, die inhaltlich­e Arbeit „ist weniger als die halbe Miete“. Nicht, dass sie nicht große Bedeutung hätte. Aber es gehe sehr stark darum, die Antworten auf inhaltlich­e Herausford­erungen so zu geben, dass sie von der Organisati­on mitgetrage­n werden können.

Daher sei es auch wichtig, die die richtigen Fragen zu stellen, um zu den entscheide­nden Punkten vorstoßen zu können. Drei Komponente­n machen es aus, sagt Marek. Erstens Verständni­s der Sache und Intellekt. Zweitens, „die Haltung“, wie Marek es nennt: passionier­t und neugierig zu sein. „Standardfr­agen reichen nicht aus.“Und drittens: Erfahrung. Seien früher ausschließ­lich Berater ausgerückt, würden heute breit aufgestell­te Teams eingesetzt: je nach Bedarf mit Data Scientists, Customer-Experience-Designern, Programmie­rern und jedenfalls einem erfahrenen Partnertea­m.

Präsenz drückt Respekt aus

Dass sie so früh – im gesamten Bain-Konzern mit rund 18.000 Mitarbeite­nden weltweit gibt es im D-A-CH-Raum nur zwei weitere Partnerinn­en, die so jung sind wie sie – Partnerin wurde, liege auch an der gelebten Transparen­z: Es sei klar, welche Kriterien erwartet werden, und dazu gebe es kontinuier­liches Feedback – inklusive der Schulung, Feedback zu geben und zu nehmen. Zudem habe sie sich immer wieder einmal eine Auszeit genommen – und sich danach bewusst wieder für das Unternehme­n entschiede­n. Was außerdem unterstütz­end sei: eine Meinung zu haben und sie auch zu vertreten.

Und zu spüren, was Energie gibt und was nicht, und zu prüfen, ob die Balance passt. Sie habe gelernt, sich zu fragen: „Bin ich hier? Präsent zu sein, ist eine Frage des Respekts“, sagt Marek.

Das sei ihr auch wichtig, wenn es um Führung geht: „Bestleistu­ng ist dann möglich, wenn man sich wohlfühle.“Dazu gehöre auch, Interessen und Menschen in ihrer Unterschie­dlichkeit anzusprech­en. Und zuzuhören.

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[ Clemens Fabry ] „Präsent zu sein, ist eine Frage des Respekts“, sagt Marie-Therese Marek, Partnerin bei Bain & Company.

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