„Du kannst die Zufriedenheit nicht erkaufen“
Wer angesichts des aktuellen Arbeitsmarkts glaube, das Problem mit einer Vier-Tage-Woche lösen zu können, „hat kapituliert“, sagt Oberbank-Vorstand Franz Gasselsberger. Stattdessen gelte es, in Führungsqualität zu investieren.
Vor fünf Jahren sei bei ihm der Groschen gefallen, sagt Oberbank-Vorstand Franz Gasselsberger. Damals habe das Thema Diversität Einzug in die Regulatorik und in die Unternehmen gehalten. Weil man gesehen habe, dass Teams, die hinsichtlich Herkunft, Alter und Geschlecht divers zusammengestellt sind, besser arbeiten. Angesichts der demografischen Veränderungen habe er damals Ziele definiert: 80 Prozent der Führungspositionen sollen aus den eigenen Reihen besetzt werden (aktuell sind es 89 Prozent). Und der Anteil der Frauen in Führungspositionen soll von damals 20 Prozent bis 2025 auf 30 und 2030 auf 40 Prozent steigen. Derzeit sind es 27 Prozent. „Wir bekennen uns zur Quote“, sagt Gasselsberger. Diese Haltung sei immer wieder belächelt worden, aber, sagt er: „Wenn du das Verhalten anderer ändern willst und das mit bisheriger Herangehensweise nicht klappt, musst du dein eigenes Verhalten ändern.“
Mehrere Learnings machte seine Organisation bislang in dieser Hinsicht:
Herangehensweise. Frauen müssen eher überzeugt werden, Führungspositionen anzunehmen: Sie wollen tendenziell gut überlegen, wie sie die neue Herausforderung bewältigen und Beruf und Familie in Einklang bringen können. „Sie wollen das Thema mit dem Partner und Freunden reflektieren“, sagt Gasselsberger. Weil Frauen eher an ihren Fähigkeiten zweifelten, müsse man gute Argumente bringen.
Timing. Es sei wichtig, Frauen vor einer allfälligen Babypause in Führungspositionen zu bringen. Einmal mit Führung betraut, würden sie diese Aufgabe eher verteidigen und sie nicht ohne Weiteres aufgeben. Zusätzlich sei es entscheidend, Führung in Teilzeit und flexible Arbeitszeiten anzubieten. „Frauen wollen im Job übererfüllen“, sagt Gasselsberger, „und sich ohne schlechtes Gewissen ihren Kindern widmen können“. Apropos Führung in Teilzeit: Es könne nur eine letztentscheidende Person geben – um sie handlungsfähig zu halten, müsse man Arbeit anders, eben neu organisieren.
Begleitmaßnahmen. Väterkarenz werde zwar stärker angenommen, „von einem
Boom sind wir aber weit entfernt“, sagt Gasselsberger. „Was wir brauchen, ist Kinderbetreuung.“Die öffentliche Hand und die Unternehmen hätten hier Handlungsbedarf. Hier, sagt er, würde er sich mehr lautere Stimmen erwarten – von der Wirtschaft und den Familien.
Auswahl. Wenn Männer in Führungspositionen freie Hand haben, ihren Nachwuchs zu rekrutieren, fällt die Wahl tendenziell wieder auf Männer. Daher ging man dazu über, diese Positionen auszuschreiben und für mehr Transparenz zu sorgen.
Bewertung. Jede Einheit hat ihren Fahrplan, um die gesteckten Ziele zu erreichen: Fluktuation, Potenzialentwicklung, Quote etc. fließen in die variable Vergütung ein.
Er sei, sagt Gasselsberger, Aufsichtsrat in vielen Unternehmen. Sie alle seien beherrscht von Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Doch gute HR-Arbeit sei „die Basis für alles. Viele Unternehmen haben in den Personalabteilungen unglaubliches Potenzial, das sie noch nicht ausgeschöpft haben.“Sie investierten viel ins Recruiting, vernachlässigten aber Fluktuation und Mitarbeiterbindung sowie Überlegungen, wie man mit reiferen Mitarbeitern umgehen soll. Und noch etwas: „Wenn ich höre, die Situation auf dem Arbeitsmarkt sei heftig und man müsse bei den Social Benefits ansetzen, dann hat man das Problem nicht erkannt. Wer glaubt, man kann das Problem mit einer Vier-Tage-Woche lösen, hat kapituliert.“Entscheidend sei vielmehr „qualitativ hochstehende Führungsarbeit – und den HR-Themen Bedeutung zu geben“.
Doppelte Sozialleistung
Sozialleistungen und Mitarbeiterbeteiligung – Vollzeitbeschäftigte erhielten zuletzt 4500 Euro Aktien geschenkt, Teilzeitbeschäftigte den aliquoten Anteil – würden bei der Mitarbeiterbindung unterstützen. Aber: „Wenn wir die Sozialleistungen verdoppeln, würde sich die Zufriedenheit nicht ebenfalls verdoppeln. Du kannst die Zufriedenheit nicht erkaufen. Du musst in die Führungsqualität investieren, musst positive Energie ausstrahlen, Konflikte aushalten.“
Es gehe darum, Arbeit positiv zu besetzen. „Arbeit ist mehr als Karriere und Geld. Es ist Selbstverwirklichung, Freude am Erfolg und daran, einen positiven Beitrag für Unternehmen und Gesellschaft zu leisten.“
Noch etwas: Der Wettbewerb, davon ist er überzeugt, werde weniger über Produkte und Angebote entschieden, sondern darüber, ob ein Unternehmen auf kompetente und loyale Mitarbeiter zählen könne.