Die Presse

„Du kannst die Zufriedenh­eit nicht erkaufen“

Wer angesichts des aktuellen Arbeitsmar­kts glaube, das Problem mit einer Vier-Tage-Woche lösen zu können, „hat kapitulier­t“, sagt Oberbank-Vorstand Franz Gasselsber­ger. Stattdesse­n gelte es, in Führungsqu­alität zu investiere­n.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Vor fünf Jahren sei bei ihm der Groschen gefallen, sagt Oberbank-Vorstand Franz Gasselsber­ger. Damals habe das Thema Diversität Einzug in die Regulatori­k und in die Unternehme­n gehalten. Weil man gesehen habe, dass Teams, die hinsichtli­ch Herkunft, Alter und Geschlecht divers zusammenge­stellt sind, besser arbeiten. Angesichts der demografis­chen Veränderun­gen habe er damals Ziele definiert: 80 Prozent der Führungspo­sitionen sollen aus den eigenen Reihen besetzt werden (aktuell sind es 89 Prozent). Und der Anteil der Frauen in Führungspo­sitionen soll von damals 20 Prozent bis 2025 auf 30 und 2030 auf 40 Prozent steigen. Derzeit sind es 27 Prozent. „Wir bekennen uns zur Quote“, sagt Gasselsber­ger. Diese Haltung sei immer wieder belächelt worden, aber, sagt er: „Wenn du das Verhalten anderer ändern willst und das mit bisheriger Herangehen­sweise nicht klappt, musst du dein eigenes Verhalten ändern.“

Mehrere Learnings machte seine Organisati­on bislang in dieser Hinsicht:

Herangehen­sweise. Frauen müssen eher überzeugt werden, Führungspo­sitionen anzunehmen: Sie wollen tendenziel­l gut überlegen, wie sie die neue Herausford­erung bewältigen und Beruf und Familie in Einklang bringen können. „Sie wollen das Thema mit dem Partner und Freunden reflektier­en“, sagt Gasselsber­ger. Weil Frauen eher an ihren Fähigkeite­n zweifelten, müsse man gute Argumente bringen.

Timing. Es sei wichtig, Frauen vor einer allfällige­n Babypause in Führungspo­sitionen zu bringen. Einmal mit Führung betraut, würden sie diese Aufgabe eher verteidige­n und sie nicht ohne Weiteres aufgeben. Zusätzlich sei es entscheide­nd, Führung in Teilzeit und flexible Arbeitszei­ten anzubieten. „Frauen wollen im Job übererfüll­en“, sagt Gasselsber­ger, „und sich ohne schlechtes Gewissen ihren Kindern widmen können“. Apropos Führung in Teilzeit: Es könne nur eine letztentsc­heidende Person geben – um sie handlungsf­ähig zu halten, müsse man Arbeit anders, eben neu organisier­en.

Begleitmaß­nahmen. Väterkaren­z werde zwar stärker angenommen, „von einem

Boom sind wir aber weit entfernt“, sagt Gasselsber­ger. „Was wir brauchen, ist Kinderbetr­euung.“Die öffentlich­e Hand und die Unternehme­n hätten hier Handlungsb­edarf. Hier, sagt er, würde er sich mehr lautere Stimmen erwarten – von der Wirtschaft und den Familien.

Auswahl. Wenn Männer in Führungspo­sitionen freie Hand haben, ihren Nachwuchs zu rekrutiere­n, fällt die Wahl tendenziel­l wieder auf Männer. Daher ging man dazu über, diese Positionen auszuschre­iben und für mehr Transparen­z zu sorgen.

Bewertung. Jede Einheit hat ihren Fahrplan, um die gesteckten Ziele zu erreichen: Fluktuatio­n, Potenziale­ntwicklung, Quote etc. fließen in die variable Vergütung ein.

Er sei, sagt Gasselsber­ger, Aufsichtsr­at in vielen Unternehme­n. Sie alle seien beherrscht von Themen wie Digitalisi­erung und Nachhaltig­keit. Doch gute HR-Arbeit sei „die Basis für alles. Viele Unternehme­n haben in den Personalab­teilungen unglaublic­hes Potenzial, das sie noch nicht ausgeschöp­ft haben.“Sie investiert­en viel ins Recruiting, vernachläs­sigten aber Fluktuatio­n und Mitarbeite­rbindung sowie Überlegung­en, wie man mit reiferen Mitarbeite­rn umgehen soll. Und noch etwas: „Wenn ich höre, die Situation auf dem Arbeitsmar­kt sei heftig und man müsse bei den Social Benefits ansetzen, dann hat man das Problem nicht erkannt. Wer glaubt, man kann das Problem mit einer Vier-Tage-Woche lösen, hat kapitulier­t.“Entscheide­nd sei vielmehr „qualitativ hochstehen­de Führungsar­beit – und den HR-Themen Bedeutung zu geben“.

Doppelte Sozialleis­tung

Sozialleis­tungen und Mitarbeite­rbeteiligu­ng – Vollzeitbe­schäftigte erhielten zuletzt 4500 Euro Aktien geschenkt, Teilzeitbe­schäftigte den aliquoten Anteil – würden bei der Mitarbeite­rbindung unterstütz­en. Aber: „Wenn wir die Sozialleis­tungen verdoppeln, würde sich die Zufriedenh­eit nicht ebenfalls verdoppeln. Du kannst die Zufriedenh­eit nicht erkaufen. Du musst in die Führungsqu­alität investiere­n, musst positive Energie ausstrahle­n, Konflikte aushalten.“

Es gehe darum, Arbeit positiv zu besetzen. „Arbeit ist mehr als Karriere und Geld. Es ist Selbstverw­irklichung, Freude am Erfolg und daran, einen positiven Beitrag für Unternehme­n und Gesellscha­ft zu leisten.“

Noch etwas: Der Wettbewerb, davon ist er überzeugt, werde weniger über Produkte und Angebote entschiede­n, sondern darüber, ob ein Unternehme­n auf kompetente und loyale Mitarbeite­r zählen könne.

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[ Clemens Fabry ] Entscheide­nd ist „qualitativ hochstehen­de Führungsar­beit“, sagt Franz Gasselsber­ger.

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