Eine Testpflicht für Touristen aus China ist ein Manöver von gestern
Sinnvoller sind nachhaltige Maßnahmen wie beispielsweise der Schutz von Risikopersonen und das Niedrighalten der Zahl der Infektionen insgesamt.
Tests vor der Abreise, Tests nach der Ankunft, die Untersuchung des Abwassers aus den WC-Anlagen der Flugzeuge aus China, um Ausschau nach neuen Varianten zu halten, die sich rasch ausbreiten könnten. Nach dem Ende der NullCovid-Strategie in China und den Lockerungen für Auslandsreisen wie etwa dem Wegfallen der Testpflicht bei der Rückkehr suchen europäische Länder derzeit nach Konzepten, um ihre Bevölkerung zu schützen. Zuletzt empfahl die EU eine Testpflicht für Touristen vor dem Abflug.
Österreich folgt seit Samstag dieser Empfehlung, wie etwa auch Deutschland, Schweden und Belgien. Länder wie Italien, Spanien, Frankreich und Großbritannien haben schon zuvor beschlossen, von Reisenden aus China nach ihrer Ankunft einen negativen Test zu verlangen, der nicht älter als 48 Stunden ist.
Nun ist nach drei Jahren Pandemie jedes gemeinsame Vorgehen der EU zu begrüßen, wenn sich eine neue Herausforderung anbahnt – und Hunderte Millionen potenziell infizierte Urlauber stellen zweifellos eine Herausforderung dar. Und sollten mit verpflichtenden Tests vor dem Abflug oder nach der Ankunft ein paar ansteckende Personen abgefangen und isoliert werden, ist der Nutzen dieser Maßnahme unbestritten – auch, weil eine Testpflicht für Einreisende zu den gelinderen Mitteln der Pandemiebekämpfung gehört.
Aber: All diese Modelle sind nur die zweitbeste Lösung, wenn es darum geht, die Rückkehr zur Normalität nachhaltig zuzulassen und nicht bei jeder neuen Entwicklung die Nerven zu verlieren. Sollte in China eine neue Variante entstehen, die ansteckender und gefährlicher ist, würde sie sich mit Sicherheit weltweit ausbreiten. Das heißt nicht, dass Abwasseranalysen – die in Österreich zuletzt von 24 auf 48 Kläranlagen ausgeweitet wurden – sinnlos sind, durch sie könnte die Ausbreitung neuer Subtypen rasch erkannt werden – aufhalten lassen sie sich dadurch aber nicht. Auch nicht mit Tests, denn frisch infizierte Personen, deren Test noch nicht anschlägt, wird es immer geben.
Für die europäische Bevölkerung, die – anders als die chinesische – durch Impfungen sowie Infektionen über eine sehr hohe Grundimmunität verfügt und somit einen gewissen Schutz vor schweren Verläufen genießt, bedeuten diese Tatsachen, dass von nun an differenzierte und zielgerichtete Konzepte effizienter sind als einschränkende und möglicherweise wirtschaftsfeindliche Maßnahmen wie Testpflichten sowie Einreiseverbote, die zu Beginn der Pandemie ihre Berechtigung hatten. Diese Konzepte umfassen zum einen den Schutz von Personen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für schwere Erkrankungen, weswegen Alten- und Pflegeheime weiterhin besonders geschützt und (nach wie vor bestehende) Impflücken bei Risikogruppen geschlossen werden müssen.
Zu diesem Zweck – das ist der zweite Punkt – ist es erforderlich, die Zahl der Infektionen insgesamt niedrig zu halten. Also keine hohen Wellen mehr entstehen zu lassen, die viele Spitalspatienten auf einmal zur Folge haben und – in Kombination mit der Rückkehr anderer Erkrankungen wie etwa der Grippe – das Gesundheitssystem an seine Kapazitätsgrenzen bringen können.
Wie? Mit Hausverstand, Eigenverantwortung und Gesundheitskompetenz. Das beinhaltet während der Erkältungssaison das (freiwillige und richtige) Tragen einer Maske in stark frequentierten Innenräumen wie etwa öffentlichen Verkehrsmitteln ebenso wie das Meiden von Großveranstaltungen, Familienfeiern und des Arbeitsplatzes mit Symptomen, um Ansteckungen nach Möglichkeit zu vermeiden und die Ausbreitung von Erregern einzudämmen – sämtlichen Erregern, nicht nur des Coronavirus. Europa und die Welt befinden sich in einer Phase, in der die Pandemie zur Endemie wird – mit wiederkehrenden, global zeitversetzten Infektionswellen, die zu bewältigen sein werden.
Die wichtigste Erkenntnis daraus: Es muss nicht mehr jede einzelne Ansteckung verhindert werden. Es reicht, wenn sich ältere und vorerkrankte Personen seltener infizieren, sodass die wegen Personalmangels ohnehin belasteten Spitäler nicht überlastet werden.