Die Presse

Großprotes­te gegen neue Regierung

Tausende Menschen gingen in Tel Aviv gegen extrem rechtsnati­onal und religiös gefärbte Koalition von Premier Netanjahu auf die Straße. Sie plant heikle Reformen.

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In der israelisch­en Metropole Tel Aviv haben am Wochenende Tausende Menschen gegen die neue Regierung von Premiermin­ister Benjamin Netanjahu mit ultrarecht­en Koalitions­partnern demonstrie­rt. Die Demonstrat­ionen richteten sich laut Organisato­ren unter anderem gegen die Pläne des neuen Justizmini­sters, Yariv Levin, die das Justizsyst­em gezielt schwächen sollen. Die Demonstran­ten sammelten sich am Samstagabe­nd im Stadtzentr­um, zogen durch die Straßen und schwenkten israelisch­e Fahnen. Einige Teilnehmer nannten die neue Regierung „korrupt“und „kriminell“.

Die neue Regierung des wiedergewä­hlten Ministerpr­äsidenten Netanjahu (73) war Ende Dezember vereidigt worden. Es ist die bisher am weitesten rechtsnati­onal stehende und religiös gefärbte Regierung, die Israel seit seiner Gründung anno 1948 je hatte. Und es werden offenbar umfassende und zum Teil sehr heikle Reformen geplant: So soll etwa eine parlamenta­rische Mehrheit ein Gesetz auch dann verabschie­den können und dieses in Kraft bleiben, wenn es nach Ansicht des Obersten Gerichtsho­fs gegen die Verfassung und andere Grundrecht­e verstößt. Justizmini­ster Levin will zudem die Zusammense­tzung des Gremiums zur Ernennung von Richtern ändern, um der Regierung mehr Einfluss dabei zu geben.

Alarmruf von Ex-Höchstrich­ter

Netanjahu verteidigt­e am Sonntag die geplanten Änderungen. „Die Behauptung, dass diese Reform das Ende der Demokratie bedeutet, entbehrt jeglicher Grundlage“, sagte er zu Beginn der wöchentlic­hen Kabinettss­itzung. Er sprach von der „Notwendigk­eit, das Gleichgewi­cht zwischen den drei Staatsgewa­lten wiederherz­ustellen“. Stark rechts orientiert­e Politiker werfen dem Höchstgeri­cht seit Langem übertriebe­ne Einmischun­g in politische Angelegenh­eiten und Linkslasti­gkeit vor.

Aharon Barak, ehemaliger Vorsitzend­er des Gerichts, sagte israelisch­en Medien, die drohende Justizrefo­rm sei „vergleichb­ar mit einem Umsturz mit Panzern“und werde Israel in eine „ausgehöhlt­e Demokratie“verwandeln.

„Wir werden nicht zulassen, dass unser Land zerstört wird! Wir werden für unsere Demokratie kämpfen“, schrieb Merav Michaeli, Vorsitzend­e der sozialdemo­kratischen Arbeitspar­tei, auf Twitter. Ihre Partei hat bei der Wahl allerdings bloß 3,7 Prozent der Stimmen bekommen und stellt vier der 120 Sitze in der Knesset. Netanjahus Likud-Partei indes kam auf mehr als 23 Prozent und hat samt der Partner 64 Sitze im Parlament, eine klare Mehrheit. (APA/DPA)

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