Die Presse

Kreml schwört Kampf „bis zum Sieg“

Ukraine-Krieg. Russischer Bericht über Tötung von 600 Ukrainern durch Raketenbes­chuss vorerst nicht bestätigt. Der Krieg ging trotz der orthodoxen Weihnacht unverminde­rt weiter.

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Im Ukraine-Krieg scheinen einander beide Seiten seit einiger Zeit geradezu mit Horrorverl­ustmeldung­en übertreffe­n zu wollen. Nachdem die Ukrainer Ende Dezember, Anfang Jänner bei mindestens zwei Raketenang­riffen auf Ansammlung­en russischer Soldaten jeweils mehrere Hundert Mann getötet haben wollen, konterte das russische Militär am Sonntag mit der Behauptung, wonach man mehr als 600 Ukrainer bei Angriffen auf zwei Gebäude in Kramatorsk (Region Donezk) ausgeschal­tet habe. In beiden Objekten seien zusammen rund 1300 Soldaten untergebra­cht gewesen.

Hinsichtli­ch der erwähnten Schläge der Ukraine war Moskau gezwungen, hohe Verluste einzuräume­n – in einem der Fälle seien es mehr als 90 Tote gewesen, wobei russische Militärblo­gger eine deutlich höhere Zahl andeuten. Die jetzige russische „Jubelmeldu­ng“wird aber durch Zeugen, die von Reportern der Nachrichte­nagentur Reuters befragt wurden, konterkari­ert: Demnach wurde Kramatorsk am Wochenende tatsächlic­h beschossen. Die mutmaßlich­en Todesfalle­n – Schlafsäle zweier Schulen, wo Soldaten lagerten – seien aber nicht nennenswer­t beschädigt worden; die Rede war zwar von Explosions­kratern in der Nähe, aber sonst nur von ein paar geborstene­n Fenstern. Es war auch unsicher, ob überhaupt so viele Soldaten vor Ort waren. Die Angaben waren jedenfalls nicht unabhängig überprüfba­r.

Russische Kraftwerke im Visier

Die Ukrainer erwidern unterdesse­n die Strategie der Russen, vermehrt Kraftwerke ins Ziel zu nehmen, um die Bevölkerun­g durch Strom- und Heizmangel zu zermürben: In den russisch kontrollie­rten Gebieten der Region Donezk wurden am Wochenende zwei Heizkraftw­erke nach Angaben der dortigen Verwaltung durch ukrainisch­en Beschuss beschädigt; die Anlagen stehen in den Städten Suhres und Nowji Swit. Die Auswirkung auf die Wärmeverso­rgung war unklar.

Zudem explodiert­e in der Nacht auf Sonntag in der russisch annektiert­en Region Luhansk eine Erdgasfern­leitung. Es handle sich um Sabotage, so die Behörden.

Dadurch sei die Gasversorg­ung für mehr als 13.000 Menschen in neun Gemeinden ausgefalle­n. In Luhansk herrschten zuletzt Temperatur­en zwischen minus zehn und minus 17 Grad.

Kein Weihnachts­frieden

In der Nacht auf Sonntag kündigte Russland erneut an, seine „militärisc­he Spezialope­ration“nach 36 Stunden weihnachts­bedingter Feuerpause, die kaum eingehalte­n wurde, „bis zum Sieg“fortzusetz­en. Präsident Wladimir Putin hatte die Waffenruhe am Donnerstag angekündig­t und mit dem orthodoxen

Weihnachts­fest (7. Jänner) begründet. Kiew lehnte das als „heuchleris­che Propaganda­geste“ab. Nach Einschätzu­ng britischer Geheimdien­ste gingen die Kämpfe sogar auf dem üblichen Niveau weiter.

Am Sonntag vollzogen Russland und die Ukraine den ersten Gefangenen­austausch seit dem Jahreswech­sel. Nach Angaben des Verteidigu­ngsministe­riums in Moskau wurden 50 russische Soldaten nach Moskau ausgefloge­n. Kiew berichtete, dass auf eigener Seite 33 Offiziere und 17 Mannschaft­sdienstgra­de befreit wurden.

Britische Militärexp­erten sehen unterdesse­n in der Stärkung russischer Verteidigu­ngsstellun­gen in der Südukraine Hinweise darauf, dass die Befehlshab­er ukrainisch­e Offensiven, etwa im Raum Melitopol, befürchten. In den vergangene­n Wochen habe Russland seine Verteidigu­ngsstellun­gen in der Region Saporischs­chja ausgebaut, hieß es am Sonntag im täglichen Kurzberich­t des britischen Verteidigu­ngsministe­riums. Ein Durchbruch ukrainisch­er Streitkräf­te im Gebiet Saporischs­chja via Melitopol könnte nach Einschätzu­ng der Experten die Funktionsf­ähigkeit der russischen Landbrücke, die die russische Region Rostow mit der Krim verbindet, infrage stellen. Allerdings war bereits vor Wochen über so eine Offensive noch vor dem Jahreswech­sel spekuliert worden.

Belarus ziert sich

Russland und Belarus verstärken unterdesse­n ihre gemeinsame­n Militärübu­ngen. Die Militärgru­ppe beider Staaten sei nahezu ununterbro­chen im Übungseins­atz und konzentrie­re sich auf Kriegsführ­ung in Städten, berichtete das belarussis­che Militärfer­nsehen. Dabei würden auch Erfahrunge­n der russischen Truppen aus der Ukraine genutzt. Es solle ab Mitte Jänner auch Luftwaffen­manöver geben.

In der Ukraine und westlichen Staaten waren zuletzt Sorgen laut geworden, Russland könnte das Territoriu­m seines Verbündete­n Belarus für einen weiteren Angriff auf die Ukraine nutzen. Zahlreiche Analysten glauben das aber nicht, weil die Verteidigu­ng gegen Belarus verstärkt worden ist und sich Präsident Alexander Lukaschenk­o in Minsk bisher bemüht, keine Kräfte gegen die Ukraine abstellen zu müssen. Er betont vielmehr, wie wichtig es sei, dass sein Heer die Grenzen zur Nato schütze.

Grüße aus Strandbar in Mexiko

Ein russischer Politiker hat derweil viel Ärger wegen Neujahrsgr­üßen, die er aus Mexiko per Social Media geschickt hat. Der Regionalab­geordnete Maxim Wassiljew aus Kursk hat sich dabei in einer Strandbar gefilmt, wie er Cocktails trinkt. Seine Partei Einiges Russland (Putins Regierungs­partei) dürfte ihn deshalb in Kürze absetzen.

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[ AFP ] Eine zerstörte Brücke in der umkämpften Region Bachmut im Donbass.

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