Causa Niederösterreich unter der Lupe
Am heutigen Montag startet die Kommission, die die Vorwürfe gegen Landesdirektor Robert Ziegler untersuchen wird. Der ORF werde davon in seinen „Grundfesten erschüttert“, sagt Kommissionsvorsitzender Gerhard Draxler.
Die berufliche Zukunft von Robert Ziegler liegt nun in den Händen eines 70-jährigen Steirers: Gerhard Draxler, ehemaliger Informationsdirektor des ORF, ist jener Mann, der als Vorsitzender der internen Kommission die im Dezember bekannt gewordenen Vorwürfe gegen Ziegler, den ehemaligen Chefredakteur des Landesstudios in Niederösterreich und jetzigen Landesdirektor, untersuchen wird. 80 Personen sind ab heute geladen, viele haben bereits einen fixen Befragungstermin.
Zur Erinnerung: Mitte Dezember wurden durch Recherchen der „Presse“, des „Spiegel“und des „Standard“Mails, Chats und Sendelisten öffentlich, die ein Bild von systematischer Intervention der ÖVP im Landesstudio zeichnen. Sie dürfte von Ziegler im Landesstudio jahrelang bereitwillig umgesetzt worden sein, als er dort Chefredakteur war. Mehrere Mitarbeiter
bestätigten die Vorgänge in Gesprächen mit der „Presse“. Seit 2021 ist Ziegler Landesdirektor. Der Forderung des ORF-Redaktionsrats nach seiner Suspendierung kam Generaldirektor Roland Weißmann, selbst lange Jahre im Landesstudio Niederösterreich tätig, vorerst nicht nach. Stattdessen kündigte er abseits der Kommission an, dass Ziegler die aktuelle Berichterstattung an Ingrid Thurnher übergeben soll. Das aber sorgte für Irritationen: Denn dafür zuständig ist ohnehin der aktuelle Chefredakteur, Benedikt Fuchs. Vorerst hat sich an Zieglers Funktion, die er bei vollen Bezügen ausübt, quasi nichts verändert.
Draxler will aufklären
In einem Interview mit der „Kronen Zeitung“und der „Kleinen Zeitung“sprach Draxler am Sonntag über seine Entscheidung, die heikle Angelegenheit zu übernehmen – und ließ dabei keinen Zweifel daran, was auch ORF-intern als wahrscheinlich gilt: Draxler will tatsächlich aufarbeiten und keine „Reinwaschkommission“, wie anfangs befürchtet worden ist. Denn sie war zunächst eigentlich ohne aktive Journalistinnen oder Journalisten geplant. Weißmann aber besserte auf Druck des Redaktionsrats nach: Nun sitzen auch Mitglieder des Ethikrats im Gremium.
Draxler appelliert an die Befragten zu „Mut zur Offenheit“. Es gehe für den ORF immerhin um die Wiederherstellung des Vertrauens, es sei das „höchste Gut seines Handelns“. Den Eindruck, den die Causa vermittelt, benennt er ohne Beschönigung: „Das erschüttert den ORF in seinen Grundfesten.“Die Kommission solle ein „Weckruf“für die Redaktionen sein, aber auch ein Mahnruf an die Politik, die „Finger vom ORF zu lassen“. Einflussnahme, die nach innen dringe, sei wie „schleichendes Gift“, das einsickere.
Scharmützel ante portas
Ziegler selbst wollte auf „Presse“Nachfrage keine Stellung zum Start der Kommission nehmen. Dass er bis dato in Amt und Würden sei, kommentiert Draxler verhalten: Es hätte zur Beruhigung beigetragen, hätte sich der Landesdirektor zu einem „verlängerten Weihnachtsurlaub“durchgerungen. Dennoch werde es keine Schnellschüsse und keine Vorverurteilung geben. „Die Kommission wird vor der Landtagswahl keine
Munition liefern“, zitiert ihn die „Kleine Zeitung“.
Die Causa dürfte nun intern die Grabenkämpfe zwischen dem ORF-Zentrum und den Landesstudios anheizen – die allerdings nicht alle in einen Topf geworfen werden. „Es gibt jedenfalls Abstufungen“, sagte Redaktionsratsvorsitzender Dieter Bornemann im Dezember zur „Presse“. Auch Draxler betont: Der ORF verfüge über exzellente Journalisten und eine hohe Selbstreinigungskraft, „aber die besten Kräfte erlahmen, wenn die Beeinflussung zum Dauerzustand wird“. Einen ORF ohne Landesstudios könne er sich jedenfalls nicht vorstellen, erklärt Bornemann: „Österreich wäre ein braches Land.“
Der Zeitpunkt der Vorwürfe ist jedenfalls alles andere als günstig – weder für die ÖVP, die am 29. Jänner eine Schicksalswahl zu schlagen hat, noch für den ORF. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, mutmaßlich die größte Nutznießerin des Systems Ziegler, nannte die Angelegenheit eine „interne Intrige“.
Wendepunkt für den ORF?
Für den ORF könnte die Causa unterdessen zum Wendepunkt werden: Denn für diesen steht derzeit die Budgetfrage im Raum, die Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) zuletzt betont angriffig beantwortet hat: „Der ORF muss sparen“, sagte sie. Weißmann warnt unterdessen vor der „größten Finanzierungskrise“in der Geschichte des ORF.
Über eine Neuaufstellung der Finanzierung verhandeln ÖVP und Grüne derzeit. Viel Zeit haben die Koalitionspartner dafür nicht mehr: Ein Erkenntnis des VfGH sieht eine Novelle bis 2024 vor, um die „Streaminglücke“zu schließen. Künftig muss auch das Streaming von ORF-Inhalten kostenpflichtig sein. Ob die GIS auf streamingfähige Geräte erweitert, eine Haushaltsabgabe eingeführt oder der ORF per Bundesbudget finanziert werden wird, sei offen, wie Raab in der Vorwoche betont hat: „Alle drei Varianten liegen nach wie vor auf dem Tisch.“