Die Presse

Das verflixte zweite Bärenmarkt-Jahr

Zwei Jahre Aktienkurs­rückgang in Folge sind zum Glück selten. Doch wenn so etwas eintritt, dann wird es häufig richtig schlimm.

- VON BEATE LAMMER E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

1929 endete mit einem harmlosen Minus von zwölf Prozent. Erst dann zeigte der Crash, was er draufhatte.

Das vergangene Jahr hat wieder vor Augen geführt, dass Aktien auch fallen können, und zwar durchaus über einen längeren Zeitraum. Der US-amerikanis­che S&P 500 hat letztlich 19 Prozent verloren. Zwischendu­rch war er sogar um 25 Prozent gefallen, bevor er sich wieder ein wenig erholte. Zum Glück ist die Wahrschein­lichkeit, dass gleich noch so ein Jahr folgt, gering. Nicht einmal infolge der Finanzkris­e ist das passiert. 2008 gab der Index zwar um 38 Prozent nach und damit so stark wie davor seit 70 Jahren nicht, in den Folgejahre­n ging es aber wieder bergauf.

Dazu ist allerdings anzumerken, dass sich der Kursrückga­ng damals von Oktober 2007 bis März 2009 hinzog, also fast eineinhalb Jahre. Betrachtet man die Zeiträume von September

bis September, kommt man auch auf zwei negative Jahre in Folge. Diesmal haben die Kurse erst mit Jahresbegi­nn 2022 zu fallen begonnen. Es ist durchaus möglich, dass das Tief noch bevorsteht (viele Experten erwarten es zur Jahresmitt­e, wenn die Notenbanke­n beginnen, ihre Geldpoliti­k zu lockern, und die Rezession bereits voll im Gang ist) und das Jahr dennoch positiv endet.

Es kann aber auch anders kommen: In den vorigen hundert Jahren ist es vier Mal vorgekomme­n, dass sich ein Rückgang über mehr als zwei Kalenderja­hre hinzog: im Zuge der Weltwirtsc­haftskrise 1929 bis 1932, zu Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 bis 1941, infolge der Ölkrise 1973/74 und schließlic­h nach dem Platzen der Dotcom-Blase 2000 bis 2002. Das Unangenehm­e in allen Fällen: Stets war das zweite Jahr schlimmer als das erste – und das dritte Jahr (falls es ein solches gab) noch schlimmer als das zweite.

So endete das Jahr 1929, in dem es rund um den „Schwarzen Donnerstag“einen Börsencras­h gab, mit einem harmlosen Minus des S&P von zwölf Prozent. Es gab eine kräftige Scheinerho­lung, die bis Mitte 1930 anhalten sollte. Dann ging es erneut nach unten, das Jahr wurde mit einem Minus von 28 Prozent beschlosse­n. 1931 kam es dann mit minus 47 Prozent ganz dick. Der Abschwung wurde mehrmals von trügerisch­en Scheinerho­lungen unterbroch­en. Erst 1932, als die Kurse in Summe 86 Prozent verloren hatten, kam die Erholung, und das Jahr 1932 endete schließlic­h mit einem Minus von „nur“15 Prozent.

Das nächste Rekordhoch sollte erst 1954 kommen. Dazwischen ging es zu Beginn des Zweiten Weltkriegs noch einmal nach unten: 1939 um fünf Prozent, 1940 um 15 und 1941 – dem Jahr, an dessen Ende auch die USA in den Krieg eintraten – um 18 Prozent. Dann ging es wieder nach oben. Die 1950er-Jahre waren gute Börsenjahr­e, die 1960erJahr­e ganz leidliche. Doch dann kamen die von Stagflatio­n (hohen Inflations­raten bei mäßigem Wirtschaft­swachstum) geprägten 1970er. 1973 drosselten die Opec-Länder aus Ärger über die israelfreu­ndliche Haltung des Westens im Jom-Kippur-Krieg die Ölförderun­g, was eine Wirtschaft­skrise nach sich zog. 1973 fielen die Kurse um 17 Prozent, 1974 um fast 30.

Im März 2000 schließlic­h hatten die Börsen, angeheizt von der Internetfa­ntasie, wieder schwindele­rregende Höhen erreicht. Dann platzte die Blase, 2000 fielen die Kurse um elf Prozent, 2001 um 13 und 2002 schließlic­h um 23 Prozent.

Die nächsten Monate werden zeigen, ob die gegenwärti­ge Erholung eine Scheinerho­lung war – oder ob die Börsen schon bald wieder tun, was sie langfristi­g doch dann immer wieder machen: steigen.

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