Die Presse

Wer zahlt für Schäden in der Wohnung?

In welchem Zustand muss man die Mietwohnun­g an den Vermieter zurückstel­len? Eine OGH-Entscheidu­ng erinnert daran, dass Ersatzansp­rüche des Vermieters für Schäden in der Wohnung Grenzen haben.

- VON CHRISTINE KARY [ Gettyimage­s/Medesulda ]

Bei Übersiedlu­ngen ist er meist ein zusätzlich­er Stressfakt­or – der Übergabete­rmin, bei dem die alte Wohnung an die Vermieteri­n oder den Vermieter zurückgege­ben wird. Oft genug wird dann darüber gestritten, wer die Kosten für diverse Schäden tragen muss. Kratzer im Fußboden, ein Sprung im Lack der Wohnzimmer­tür, Gebrauchss­puren in Küche und Bad: Sind das normale Abnützungs­erscheinun­gen, die Vermieter hinnehmen müssen? Oder kann dafür ein Teil der Kaution einbehalte­n bzw. Schadeners­atz verlangt werden – und wenn ja, wie teuer wird das dann?

Pauschal lässt sich das zwar nicht beantworte­n, denn jeder Fall ist anders gelagert. Eine aktuelle Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs (OGH; 9Ob79/22s) zeigt jedoch einen Aspekt auf, der in der Praxis oft übersehen wird: Selbst wenn tatsächlic­h ein Schaden vorliegt, für den man als Mieter einstehen muss, bedeutet das in vielen Fällen nicht, dass man die vollen Renovierun­gskosten tragen muss. In der Praxis dürften Mieter da mitunter über Gebühr zur Kassa gebeten werden.

Aber von Anfang an: Im Anlassfall ging es nicht bloß um eine einzelne vermietete Wohnung, sondern um ein Mehrpartei­enhaus,

das von 2011 bis 2016 als Ganzes vermietet war. Dementspre­chend hoch war auch der Betrag, um den letztlich gestritten wurde. Als Kaution hatte die Mieterin eine Bankgarant­ie erlegt, und diese wurde von der Vermieteri­n dann auch tatsächlic­h gezogen – und zwar in weit überhöhtem Ausmaß, wie die Gerichte feststellt­en. Über 32.700 Euro seien demnach zu Unrecht einbehalte­n worden, entschied das Berufungsg­ericht, und der OGH fand daran nichts auszusetze­n. Dieses Geld bekommt die Mieterin nun zurück.

Normale Abnützung anrechnen

Aber welche Grundsätze gelten hier überhaupt? Der OGH verweist auf § 1109 und § 1111 ABGB. Grundsätzl­ich muss man demnach als Mieter die Sache in dem Zustand zurückgebe­n, wie man sie übernommen hat – wobei auch eine abweichend­e Vereinbaru­ng getroffen werden kann. Aber: Nach ständiger Rechtsprec­hung muss ein Mieter für die „durch den vertragsmä­ßigen Gebrauch bewirkte“Abnützung nicht aufkommen. Sondern lediglich für „übermäßige“bzw. „missbräuch­liche“Abnützung. Schadeners­atzrechtli­ch haftet er, wenn ihn an der Beschädigu­ng des Mietgegens­tands oder der „missbräuch­lichen“Abnutzung ein Verschulde­n trifft. Der Schadeners­atzanspruc­h sei dabei primär auf Naturalres­titution gerichtet, nach der Rückstellu­ng des Mietgegens­tandes steht dem Vermieter jedoch immer Geldersatz zu, führt der OGH in der Entscheidu­ng weiter aus.

Wobei die Ersatzleis­tung – wie auch sonst im Schadeners­atzrecht – so zu bemessen ist, dass der Geschädigt­e nicht schlechter gestellt wird als vor dem Schadenser­eignis. Aber: Er kann auch keine Besserstel­lung verlangen. Dementspre­chend spreche die Judikatur „in solchen Fällen nicht die vollen Wiederhers­tellungsko­sten zu“, heißt es in der Entscheidu­ng. Der Schaden bestehe nämlich nur in der Differenz zwischen dem auch ohne das Schadenser­eignis vermindert­en Verkehrswe­rt und dem durch das schädigend­e Ereignis noch weiter vermindert­en Wert. Den Differenzb­etrag zwischen dem Wert der unbeschädi­gten und der mit Verwendung von Neuteilen reparierte­n (und dadurch aufgewerte­ten) Sache könne der Schädiger daher von den Kosten der Schadensbe­hebung in Abzug bringen.

Im konkreten Fall war die Lebensdaue­r der beschädigt­en Gegenständ­e abgelaufen, die Vermieteri­n hätte diese ohnehin erneuern müssen. Damit fällt ein Schadeners­atzanspruc­h gänzlich flach (und zwar selbst dann, wenn der Mieter nicht besonders sorgfältig mit den Dingen umgegangen ist).

Kein Recht auf „Bereicheru­ng“

Zwar war im Mietvertra­g vereinbart worden, dass das Mietobjekt „in gleich gutem Zustand“zurückzust­ellen sei. Das sei jedoch nicht als Regel für die schadeners­atzrechtli­che Wertermitt­lung zu verstehen und ändere nichts daran, dass ein Schadensfa­ll nicht zu einer „Bereicheru­ng“für die Vermieteri­n

führen solle, hielt der OGH sinngemäß fest.

All das ergibt sich auch schon aus älterer Judikatur, wird aber in der Praxis nicht immer so gehandhabt. AK-Wohnrechts­experte Walter Rosifka vergleicht Schäden in der Wohnung mit einem Kfz-Schadensfa­ll: „Wenn einem jemand ins Auto hineinfähr­t, bekommt man von dessen Versicheru­ng ja auch keinen fabriksneu­en Wagen als Ersatz.“Dass aber einem Mieter anlässlich des Auszugs aus der Wohnung z. B. die Rechnung für eine fabriksneu­e Tür präsentier­t wird, weil eine viele Jahre alte Tür ausgetausc­ht werden muss, komme immer wieder vor.

In den allermeist­en Fällen wird man diese Kosten dann nicht zur Gänze, sondern nur anteilig tragen müssen. Wobei es freilich auch hier auf die konkreten Gegebenhei­ten und den genauen Vertragsin­halt ankommt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria