Kein Blick in Rückspiegel: Fahrerflucht
Der Verwaltungsgerichtshof bekräftigt die Pflicht von Lenkern, sich nach riskanten Fahrmanövern zu vergewissern, dass nichts passiert ist. Auch auf der Gegenfahrbahn.
Er habe vom Unfall weder gewusst noch wissen müssen: So rechtfertigte sich ein Lkw-Fahrer, dem Fahrerflucht vorgeworfen wurde. Das Bemerkenswerte an dem Vorfall ist, dass sich die Kollision auf der Gegenfahrbahn ereignet hatte, ausgelöst allerdings durch ein Fahrmanöver des LkwLenkers.
Kann er sich mit seinem Unwissen der Strafe entziehen? Mit dieser Frage hatte sich nun der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zu beschäftigen, nachdem der Mann mit einer Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg gescheitert war.
Fest steht, dass der Lkw nicht direkt an der Kollision beteiligt war. Der Fahrer hatte an einer Stelle, wo in seiner Fahrtrichtung eine zweite Spur begann, auf diese gewechselt. Ein bisschen vorschnell, denn er hatte dabei die Sperrlinie überfahren und war zum Teil auf die Gegenfahrbahn geraten. Das veranlasste eine entgegenkommende Lenkerin abrupt zu bremsen, woraufhin ein Motorradfahrer hinter ihr nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte und auf sie auffuhr. Das Auto und das Motorrad wurden beschädigt, Verletzungen sind keine überliefert.
Der Lkw-Fahrer fuhr mittlerweile weiter, als wäre nichts geschehen. Allerdings merkte sich die Lenkerin von vis-a`-vis den Firmennamen des Lkw, und so machte die Polizei den Berufsfahrer ausfindig. Die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung bestrafte ihn wegen Fahrerflucht: Wiewohl in einem ursächlichen Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall gestanden, habe er nicht angehalten und auch weder die Polizei verständigt noch den Geschädigten seinen Namen und seine Anschrift mitgeteilt.
Der Mann wandte sich ans Verwaltungsgericht, um die Bestrafung
zu bekämpfen, eben mit der erwähnten Begründung, von dem Unfall nichts gewusst zu haben. Das nahm das Gericht ihm auch ab, schon deshalb, weil er selbst aussagte, darauf nicht geachtet zu haben.
Erhöhte Aufmerksamkeit nötig
Genau das war dem Lkw-Fahrer nach Meinung des Verwaltungsgerichts aber vorzuwerfen: Denn wesentlich sei, ob er vom Unfall hätte wissen müssen. Nach dem verfrühten Spurwechsel hätte er besonders auf den Gegenverkehr achten müssen, befand das Gericht. Es sei ihm zumutbar gewesen, „spätestens durch einen Blick in den Außenspiegel
die Vorgänge auf der Gegenseite zu erkennen“.
Für das Höchstgericht bewegte sich das Verwaltungsgericht damit ganz auf der richtigen Linie. Die Anforderungen an die Sorgfalt von Lenkern sei nämlich umso höher, je riskanter das verhängnisvolle Fahrmanöver sei. „Insofern ist dem Verwaltungsgericht nicht entgegenzutreten, wenn es davon ausging, dass das Überfahren einer Sperrlinie und das daraus folgende Fahren auf der Gegenfahrbahn ein riskantes Fahrmanöver darstellt, welches mit der dringenden Gefahr eines Verkehrsunfalls, wie er dem festgestellten Sachverhalt zufolge im konkreten Fall auch tatsächlich
eintrat, verbunden ist“(Ra 2022/02/0195).
Der VwGH konnte nicht finden, dass der Lkw-Fahrer mit seiner außerordentlichen Revision eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen hätte: „Die Unterlassung dieser erhöhten Aufmerksamkeit – etwa fallbezogen durch Blicke in den Außenspiegel oder über die Schulter – bildete jenes fahrlässige Verhalten, welches die Wahrnehmung des Verkehrsunfalls verhinderte.“
Es bleibt daher bei der Strafe – mit zehn Prozent des Strafrahmens bis 2180 Euro „ohnehin im unteren Bereich“angesiedelt, so der Gerichtshof.