Die Presse

Beförderun­g im Aktenbergw­erk Finanzgeri­cht

- VON BENEDIKT KOMMENDA benedikt.kommenda@diepresse.com

Andrea MüllerDobl­er setzte sich in Hearings mit sechs Personen durch.

Es war der letzte Punkt im Beschlussp­rotokoll des letzten türkis-grünen Ministerra­ts vor Weihnachte­n und schrie nicht gerade nach Aufmerksam­keit: der Bericht von Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne) „betreffend Besetzung der Planstelle des Vizepräsid­enten beziehungs­weise der Vizepräsid­entin des Bundesfina­nzgerichts“. Geworden ist es, das hat Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen mittlerwei­le unterschri­eben, Andrea Müller-Dobler.

Die Juristin mit zwei Mastertite­ln (MSc, MBA) war bisher Richterin an dem Verwaltung­sgericht, hat sich um die seit mehr als einem Jahr freie Stelle im Präsidium beworben und sich nach Hearings mit ihr und fünf weiteren Interessie­rten als Erstgereih­te durchgeset­zt: vor einer Kommission bestehend aus Angehörige­n der drei

Höchstgeri­chte, zwei Universitä­tsprofesso­rinnen und Angelika Schätz, Sektionsch­efin im Finanzmini­sterium.

Müller-Doblers fachliche Qualifikat­ion steht außer Zweifel. Im Vergleich zum Zweit- und zur Drittgerei­hten ortete die Kommission auch eine längere Erfahrung und „die höchsten Erledigung­szahlen an Akten im vergangene­n Jahr“. Dazu muss man wissen, dass Aktenrücks­tände von zum Teil vielen Jahren ein massives Problem am Bundesfina­nzgericht sind; der um den Ruf seines Hauses bemühte Präsident Peter Unger – seine Nominierun­g 2021 fiel gemäß türkis-grünem Sideletter der ÖVP zu – sieht den Abbau der Berge von Altakten als eines seiner wichtigste­n Ziele. Vergleichs­weise schnelle Erledigung­en können dabei nur helfen.

Müller-Dobler ist die Ehefrau von Eduard Müller, ehemals Sektionsch­ef im Finanzmini­sterium, Kurzzeitre­ssortchef der Expertenre­gierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein und heute einer der Vorstände der Finanzmark­taufsicht. Die Opposition will Müller im Jänner noch einmal im ÖVP-Korruption­s-U-Ausschuss zu Vorgängen im Finanzmini­sterium befragen.

Mit alldem hat Müller-Dobler nichts zu tun. Ihre Spitzenste­llung hat dennoch gewisse Irritation am Gericht ausgelöst. Von jener „erfolgreic­hen Führungser­fahrung“, die in der Ausschreib­ung unter anderem gefordert war, ist dort bisher wenig aufgefalle­n. Auf „Presse“-Anfrage gibt das Gericht keinen Kommentar dazu ab, warum diese Führungser­fahrung offenbar keine allzu große Rolle spielt. Anscheinen­d waren einschlägi­g erfahrener­e Bewerber aber mit größeren Aktenrücks­tänden belastet.

Deren Dimension wiederum hat manche in der Kommission sehr verwundert, heißt es. Müller-Doblers frühere familiäre Verbindung ins Ministeriu­m habe aber keine Rolle gespielt.

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