Die Presse

Weinen nach Flugunfall: Schadeners­atz

Psychische Probleme als ersatzfähi­g anerkannt.

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Nach einem Prozess, der bis zum Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) gegangen war, sprach nun der Oberste Gerichtsho­f einer Frau Schadeners­atz zu. Sie war 2019 in einem Flieger von London nach Wien gesessen, als beim Start das linke Triebwerk explodiert­e. Bei der Evakuierun­g durch den Notausstie­g sollte der Frau erst recht Ungemach widerfahre­n: Sie wurde durch den Jetblast des rechten Triebwerks, das noch in Bewegung war, mehrere Meter in die Luft geschleude­rt.

DieFolgewa­r einStreitu­m die Frage, ob das für Flugunfäll­e einschlägi­ge Montrealer Übereinkom­men Schadeners­atz für seelisc he Schäden er möglicht. Denn die Probleme, die die Frau nach dem Unglück geltend machte, waren weitgehend­e.

So leidet sie an Schlaf- und Konzentrat­ionsstörun­gen, an Stimmungss­chwankunge­n, aber auch an plötzliche­n Weinanfäll­en, starker Müdigkeit und Stottern. Die Frau ist wegen ihrer posttrauma­tischen Belastungs­störung in Behandlung. Nach dem Wortlaut des Montrealer Übereinkom­mens gibt es aber nur Schadeners­atz, wenn „ein Reisender getötet oder körperlich verletzt wird“.

Das Bezirksger­icht Schwechat hatte der Frau trotzdem Schadeners­atz zugesproch­en, weil es diesen unabhängig vom Montrealer Übereinkom­men nach österreich­ischem Recht bei psychische­n Leiden gebe. Das Landesgeri­cht Korneuburg wies die Klage a weil das Montrealer Übereinkom­men keinen Rückgriff aufs nationale Recht erlaube. Der vom OGH angerufene EuGH wiederum meinte, dass man das Übereinkom­men so lesen müsse, dass psychische Schäden ab einer gewissen Schwere mitumfasst sein können. Der OGH (2 Ob 210/22d) gewährte der Frau daher nun Schadeners­atz. (aich)

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