Chefdirigenten? Schnell verloren, schwer zu ersetzen
Die Aufgabe, einen künstlerischen Leiter für die Wiener Symphoniker zu finden, gehört zu den heikelsten Managementherausforderungen.
Gefragt ist Glamourfaktor, vor allem aber auch Aufbauarbeit.
Während sich die Staubwolke nach dem jüngsten Scharmützel um den Posten des Musikdirektors der Wiener Staatsoper lichtet, wird vielleicht die Sicht frei auf eine andere wichtige musikalische Baustelle: Die Wiener Symphoniker haben mit dem Rücktritt von Andrés Orozco-Estrada im vorigen April ihren Chefdirigenten verloren. Es wird ein Nachfolger gesucht.
Am heutigen Montag beginnt ein kleiner Zyklus im Wiener Konzerthaus mit den Symphonien von Johannes Brahms. Das wäre Chefsache – wird aber nun zwischen zwei Gastdirigenten geteilt: Pablo Heras-Casado dirigiert am Montag und Dienstag. Ende Februar folgt Jaap van Zweden, Chefdirigent der New Yorker Philharmoniker, mit den Symphonien Drei und Vier. Inzwischen wüssten nicht nur die Musiker, sondern wohl auch das Publikum gern, woran sie in den kommenden Jahren sein werden.
Für das Wiener Musikleben ist die Frage essenziell, denn die Symphoniker bestreiten traditionsgemäß die Hauptlast des Orchesterkonzertlebens in der Stadt, auch wenn die philharmonische Konkurrenz mittlerweile viel mehr Konzerte anbietet als einst, als ihre Auftritte – von einigen wenigen Sonderkonzerten abgesehen – dem geschlossenen Zirkel ihrer Abonnenten vorbehalten waren.
Chef der Symphoniker zu sein, ist kein leichtes Amt. Schon deshalb nicht, weil die begehrten Einladungen zu philharmonischen Auftritten selten an Maestri gehen, die den Symphonikern attachiert sind. Es gab und gibt immer wieder exzellente Maestri, die von der philharmonischen Konkurrenz ignoriert worden sind. Die späten Lieben zu bedeutenden Interpreten wie Carlo Maria Giulini oder Georges Prêtre entwickelten sich bei den Philharmonikern erst nach deren Abgang vom Symphoniker-Pult.
Die beiden waren neben Gennadi Roschdestwenski und Wladimir Fedossejew jene Symphoniker-Chefs, mit denen das Orchester dank prägender Kräfte kräftige künstlerische Leuchtzeichen setzte. Zwischendurch gab es „Erholungsphasen“mit guten
Orchesterpädagogen vom Format eines Wolfgang Sawallisch, der einst auf die zehn stürmischen KarajanJahre folgte. Zuletzt ließ man unter Philippe Jordan aber sogar mit weltweit beachteten CD-Produktionen im heiklen Kernrepertoire aufhorchen.
Bleibt zu hoffen, dass das Management nun nicht auf eines jener notorischen „ewigen Talente“hereinfällt, die Agenturen oft an den Mann zu bringen versuchen. Das Scheitern von Jordans international gelobtem Nachfolger zeigt: Es ist Vorsicht geboten. Dass etwa jemand nach viel PRAufwand zu Salzburger-Festspiel-Ehren kommt, bedeutet noch nicht, dass er (oder sie) imstande ist, ein Orchester wirklich grundlegend zu formen.