Der Louvre setzt Meisterwerke in den Sand
Ausstellung in Abu Dhabi. Der Louvre in den Emiraten verlängert den Leihgaben-Vertrag mit Frankreich. Zum FünfJahres-Jubiläum von Jean Nouvels spektakulärem Museumsbau zeigt man eine grandiose Impressionisten-Schau.
Nichts als Sand war auf der Insel Saadiyat, als 2007 die große Ankündigung kam: Hier werde der Louvre Abu Dhabi entstehen. ein Vertrag des emirats mit Frankreich über kolportierte 1,5 Milliarden euro garantierte dafür Leihgaben aus französischen Museen und einen konstanten Wissensaustausch bis zum Jahr 2037. einige Finanz- und Baukrisen später folgte ende 2017 die eröffnung. Seither kamen mehr als drei Millionen Besucher, um in der atemberaubend schönen Architektur von Jean Nouvel ein Museum zu erkunden, das mit einem zukunftsweisenden Konzept die Gemeinsamkeiten der Kulturen in unserer Menschheitsgeschichte betont.
Das Museum auf der mittlerweile dicht bebauten Insel ist so erfolgreich, dass nun zum fünfjährigen Jubiläum der Vertrag mit Frankreich bis 2047 verlängert wurde. Zur großen Feier leiht der Pariser Louvre der arabischen Schwester für zwei Jahre eines seiner Meisterwerke: Leonardo da Vincis „Johannes der Täufer“(1508–1519). es ist eine für ein islamisches Land gewagte, erotisch-genderfluide Darstellung eines sehr mädchenhaften Jünglings, dessen Zeigefinger auf ein Kreuz deutet, das zart aus dem dunklen Hintergrund herausleuchtet. Louvre-Abu-Dhabi-Direktor Manuel Rabaté nennt das Ölbild ein „Kronjuwel“des Pariser Louvre. Jetzt hängt es im Saal Sieben der permanenten Sammlung. Motive auf Bildern, Teppichen und Porzellantellern erzählen hier vom transkulturellen Austausch rund um den Globus im 16. bis 18. Jahrhundert. Der Neuzugang aktualisiert das Thema durch den spektakulären Transfer.
Als zweiter Höhepunkt der Jubiläumsfeier läuft noch bis Anfang Februar eine grandiose Impressionismus-Ausstellung mit
rund 200 Werken von 40 Künstlern, darunter 120 Leihgaben aus dem berühmten Musée d’Orsay. Derartig viele Meisterwerke sind heute nur noch selten zusammen zu sehen – die Versicherungskosten kann kaum ein westliches Museum mehr aufbringen.
Eine behutsame Einführung
Aber es ist keine simple Blockbuster-Ausstellung mit aneinandergereihten Star-Namen, sondern eine behutsame einführung in eine der wichtigsten epochen der jüngeren Kunstgeschichte. Sie zeigt „Wege in die Moderne“, so der Untertitel – eine Schau, die eine Welt im Umbruch zeigt. Mit einem filmischen Zeitraffer wird zunächst der gesellschaftspolitische
Kontext des 19. Jahrhunderts erzählt: Industrialisierung, technologische Innovationen, wachsende Mobilität, das Leben in der Großstadt und ein verändertes Zeitempfinden revolutionieren das Leben der Menschen. In der Kunst bedeutet das den Bruch mit dem damals herrschenden Akademismus und den Beginn einer rebellischen Generation junger Maler, die auch verrauchte Zugstationen und müde Frauen beim Bügeln für bildwürdig hielten.
Mit dem Beginn der Moderne verschwinden die heroischen und religiösen Motive zugunsten der Impressionen von Lichtspielen, sinnlichen eindrücken und flüchtigen Augenblicken. Im Louvre Abu
Dhabi beginnt diese neue Welt mit é douard Manets „Bohémien“(1867). Gemalt Anfang der 1860er-Jahre, zerschnitt Manet das ursprünglich größere Bild „Die Zigeuner“in drei unabhängige Teile. Ohne klare Geschichte blickt uns jetzt der junge Mann aus dem Bild heraus radikal isoliert an – die Impressionisten brauchten keine Narrationen mehr, ihr Thema war die Malerei.
In einer lose chronologischen Ordnung treffen hier die großen Meister Pissaro, Sisley, Degas, Cezanne auf weniger bekannte Zeitgenossen wie Berthe Morisot. Sie thematisiert in ihrem Werk „Die Wiege“(1872) die Mutterschaft, was zu ihrer Zeit als „Kriegserklärung an die Schönheit“bezeichnet wurde. Gegen ende der Ausstellung wird der Übergang der Kunst ins Bürgertum betont: Bürgerliche Porträts als Auftragsarbeiten zeugen von der zunehmenden Kommerzialisierung. Neben Menschen der höheren Gesellschaft wird auch das einfache Volk bildwürdig, wenn etwa Paul Cézanne in „Frau mit Kaffeekanne“(1890–95) eine bäuerliche Frau mit einem groben Kaffeebecher darstellt – welch Kontrast zu Auguste Renoirs „eine Tasse Schokolade“(1878) wenige Jahre früher! Renoir zeigt das als „Margot“bekannte Modell, wie sie aus einer feinen, blau-weißen Tasse trinkt, die den damaligen Trend zum Japonismus widerspiegelt.
Die Ausstellung endet mit einem unvollendeten Werk Monets aus seiner Reihe „Trauerweide“, das er fast vollständig erblindet aus der erinnerung malte. Mit heutigen Augen gesehen ist es pure abstrakte Malerei – der Beginn eines neuen Kapitels. es soll im nur wenige Schritte entfernten Guggenheim Abu Dhabi thematisiert werden, dessen eröffnung für 2025 geplant ist.
Vereinigte Arabische Emirate, noch bis zum 5. Februar 2023.