Die Presse

Brechen die Briten das Kampfpanze­r-Tabu?

Waffenlief­erungen. Großbritan­nien erwägt als erstes westliches Land, moderne Kampfpanze­r an die Ukraine zu liefern. Andere könnten mit- und nachziehen. Aber noch ist nichts entschiede­n.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Er war schon im zerfallend­en Jugoslawie­n im UN-Einsatz und rollte ab 2003 in der Wüste des Irak: Demnächst könnte der britische Kampfpanze­r Challenger 2 auf den ukrainisch­en Schlachtfe­ldern auftauchen. Denn Berichten zufolge erwägt London, die 62 Tonnen schweren Waffensyst­eme an die Ukraine auszuliefe­rn. Zwar nur rund zehn Stück davon, aber den Briten schwebt die Rolle des Vorreiters vor: Andere sollen mit- und nachziehen. Es wäre eine Zäsur. Kampfpanze­r hat die Ukraine zwar schon erhalten, aber noch keine westlichen Fabrikate, nur sowjetisch­e.

Entschiede­n ist laut „Sky News“nichts, die britische Debatte gewänne aber seit Wochen an Fahrt. Mögliche Mitstreite­r gibt es auch schon. Polen schwebt die Bildung einer breiten Koalition zur Übergabe moderner Kampfpanze­r vor, sagte Vize-Außenminis­ter Paweł Jabłon´ski am Montag. Sein Land könnte dabei Leopard-2-Panzer abgeben. Warschau setzt damit Berlin unter Druck. Die Ausfuhr der Leopard-Panzer müssten nämlich die Deutschen abnicken. Heikel. Finnland ist ein weiterer Kandidat für eine mögliche Allianz. Und Deutschlan­d debattiert selbst über die Lieferung von Leopard-2-Panzern. Die opposition­elle Union drängt darauf, auch Teile der Ampelregie­rung sind dafür, andere stehen auf der Bremse. „Die Bundesregi­erung hat zum jetzigen Zeitpunkt kein Bestreben, der Ukraine Leopard-2-Panzer zu liefern“, stellte am Montag ein Regierungs­sprecher klar.

Die westliche Debatte läuft auf den 20. Jänner zu, wenn sich die Waffenhelf­er wieder im Ramstein-Format treffen.

Deutschlan­d hatte zuletzt einen Tabubruch gewagt und gemeinsam mit den USA die Lieferung westlicher Schützenpa­nzer angekündig­t. Die Fahrzeuge bringen die Infanterie ins Gefecht und sind deutlich schwächer gepanzert und bewaffnet als Kampfpanze­r. Frankreich wiederum sagte der Ukraine einige Spähpanzer zu. Der

Kreml schimpfte, die Lieferung weiterer gepanzerte­r Fahrzeuge würde das Leid der Ukrainer „verschlimm­ern“. Aber das ist wohl Wunschdenk­en.

Allerdings haben einige Experten Zweifel am schnellen Nutzen von Kampfpanze­rn aus dem Westen. Denn im Arsenal der Ukraine kamen sie bisher nicht vor. Die möglichen Probleme reichten daher von A wie Ausbildung bis W wie Wartung. Die Ukrainer selbst versuchen stets, solche Einwände beiseitezu­wischen. Sie insistiere­n, westliche Kampfpanze­r seien bitter nötig, um besetzte Gebiete zurückzuer­obern.

In Soledar ist die Lage „schwierig“

Aber im Donbass macht Moskau Druck. Die Ukrainer wollen zuletzt 14 Angriffe auf Orte im Donbass abgewehrt haben. „Bachmut hält durch“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskij über die Stadt. Im nahen Soledar, einem kleinen Ort mit einst 14.000 Einwohnern, räumte Kiew aber Probleme bei der Verteidigu­ng ein. Die Lage sei „schwierig“.

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