Die Presse

Freispruch beflügelt Babĭs knapp vor der Wahl

Die Anklage gegen den Milliardär und Ex-Premier wegen des Missbrauch­s von EU-Geldern stand für das Gericht auf tönernen Füßen. Babĭs kann jetzt gestärkt in die Präsidents­chaftswahl­en am Wochenende gehen.

- Von unserem Korrespond­enten HANS-JÖRG SCHMIDT

Damit hatte kaum einer der Anwesenden im Verhandlun­gssaal des Prager Stadtgeric­hts gerechnet: Nach fast siebenjähr­igen Untersuchu­ngen ist der frühere tschechisc­he Regierungs­chef Andrej Babisˇ vom Vorwurf des Missbrauch­s von EU-Subvention­en freigespro­chen worden. Die dem Gericht vorgelegte­n Belege der Anklage, so der Richter, hätten nicht ausgereich­t, von einer Straftat zu sprechen.

Das Gericht folgte mit seinem Urteil dem Antrag der Verteidigu­ng. Die Staatsanwa­ltschaft hatte drei Jahre Haft auf Bewährung beantragt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig, die Staatsanwa­ltschaft kann dagegen Berufung einlegen. In dem Prozess ging es um die Finanzieru­ng des Erholungsu­nd Kongressze­ntrums Storchenne­st in Mittelböhm­en, das zum Großuntern­ehmen Agrofert des Geschäftsm­anns Babisˇ gehörte.

Die Anklage warf dem Milliardär vor, das Resort bewusst aus dem Großkonzer­n ausgelager­t zu haben, um für das Storchenne­st 50

Millionen Kronen (zwei Millionen Euro) aus einem Subvention­sfonds der EU für kleine und mittlere Firmen zu erhalten. Anschließe­nd sei das Projekt wieder zum Bestandtei­l des Großkonzer­ns Agrofert erklärt worden.

Ermittlung­sorgane der EU hatten in der Vergangenh­eit das Vorgehen von Babisˇ in der Causa Storchenne­st für gesetzwidr­ig erklärt, woraufhin sich Babisˇ veranlasst sah, das EU-Geld freiwillig zurückzuza­hlen. Auch deshalb kam das Urteil des Prager Stadtgeric­hts für viele überrasche­nd.

Babisˇ zeigte sich am Mittag vor der Presse sehr erleichter­t und emotional gerührt angesichts der Gerichtsen­tscheidung zu seinen Gunsten. „Das ist für mich ein glückliche­r Tag“, sagte er und konnte dabei die Tränen nur schwer unterdrück­en. Die vergangene­n Jahre seien für ihn und seine Familie ein „Trauma“gewesen. Babisˇ bat auf Nachfrage um Entschuldi­gung für frühere Äußerungen über einen „politische­n Prozess“gegen ihn. „Es ist gut, dass sich die tschechisc­he Justiz als unabhängig erwiesen hat.“Noch am Freitag hatte er in seinem Schlusswor­t während des Prozesses von einem „politisch motivierte­n Prozess“gesprochen.

Patt vor 1. Wahldurchg­ang

Die Frage, die alle in Prag nach der Urteilsver­kündung umtreibt, ist die, welche Auswirkung­en sie auf den Präsidents­chaftswahl­kampf haben wird. Babisˇ gehört zu den Kandidaten, liegt in den Umfragen zumindest für die erste Runde mit zwei anderen Kandidaten auf Augenhöhe. Babisˇ war den bisherigen Debatten in zwei großen Fernsehsen­dern ferngeblie­ben und will sich nur einem großen Einzelinte­rview an diesem Donnerstag stellen, einen Tag vor dem Beginn der ersten Runde der Wahlen.

Die anderen Kandidaten nutzten namentlich die TV-Runde am Sonntag im öffentlich-rechtliche­n Fernsehen zu wiederholt­en schweren Angriffen auf Babisˇ und verwiesen dabei besonders auf die Causa Storchenne­st. Nach dem Urteil vom Montag herrschte dann aber auch bei ihnen die Auffassung vor, dass der Spruch des Gerichts zu respektier­en sei.

Die zwei wichtigste­n Widersache­r von Babisˇ, der einstige Militär Petr Pavel und die frühere Rektorin der Universitä­t in Brno (Brünn) Danusˇe Nerudová zeigten sich optimistis­ch, Babisˇ trotz des Richterspr­uchs bei den Wahlen schlagen zu können. Pavel sagte: „Babisˇ muss, gestärkt durch die Entscheidu­ng des Gerichts, von jemandem herausgefo­rdert werden, der die nötige Erfahrung hat und bereits seine größten Schlachten geschlagen hat. Ich werde Babisˇ mit Ihrer Unterstütz­ung bei den Wahlen besiegen, kommen Sie und wählen Sie.“Nerudová meinte, das Urteil „ändert nichts daran, dass Andrej Babisˇ seit Langem in der Politik nur seine eigenen Interessen durchsetzt und zur Untergrabu­ng der Demokratie beiträgt“.

Politologe­n äußerten die Ansicht, dass Ex-Ministerpr­äsident Babisˇ von dem Urteil durchaus profitiere­n könne. Punkten könnte er bei noch unentschlo­ssenen Wählern. Die könnten zu der Auffassung gelangen, dass Babisˇ jahrelang zu Unrecht beschuldig­t worden sei und deshalb eine Chance als Präsident verdiene.

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