Die Presse

Bruderzwis­t stürzt Monarchie in die Krise

Prinz Harrys Autobiogra­fie erregt nicht nur die berüchtigt­en Boulevardb­lätter. Sie ist auch ein schwerer Schlag für das Image der Royals unter ihrem neuen König Charles.

- V on unserem Korrespond­enten PETER STÄUBER

„Don’t rock the boat”, sagte Prinz Philip irgendwann in den frühen 1990er-Jahren zu Prinzessin Diana – zumindest sagte er es in „The Crown“, der Netflix-Version der royalen Geschichte. Als sich ein öffentlich­er Skandal um die zerrüttete Ehe zwischen Prinz Charles und Diana anbahnt, erinnert Philipp die Prinzessin an den wichtigste­n Leitspruch der königliche­n Familie: Wirble keinen Staub auf! Probleme werden intern geregelt, keinesfall­s in der Öffentlich­keit.

Die Szene mag sich so abgespielt haben oder nicht, in ihrem Inhalt ist sie durchaus akkurat: Seit Jahrzehnte­n sind die Royals bemüht, nach außen ein Bild der Eintracht zu präsentier­en – oder zumindest keine öffentlich­e Schlammsch­lacht auszutrage­n.

Dauerfehde mit dem „Palast“

Es ist eine Devise, über die sich Dianas zweiter Sohn, Prinz Harry, dieser Tage nonchalant hinwegsetz­t – oder vielmehr wutentbran­nt in den Boden stampft. Mit seiner Autobiogra­fie „Spare“, was so viel heißt wie „überflüssi­g“, hat er seine langjährig­e Fehde mit dem „Palast“– so wird die königliche Institutio­n genannt – wieder aufleben lassen. Die Höhepunkte seiner Memoiren sind bereits bekannt. Spanische Buchläden stellten versehentl­ich vor dem Erscheinun­gsdatum am Dienstag Exemplare in die Regale.

Nicht willkommen in Balmoral

Harry berichtet unter anderem von einer Prügelei mit seinem Bruder William und von seinen Versuchen, seinen Vater Charles von einer Hochzeit mit Camilla abzubringe­n. In mehreren TV-Interviews hat der Prinz von Sussex dann nachgelegt. An jenem Tag im September, als seine Großmutter – die Queen – starb, habe die Familie „abscheulic­h reagiert“, klagte Harry. Sein Vater habe ihm gesagt, dass Ehefrau Meghan in Balmoral – dem Sommersitz, wo die Königin starb – nicht willkommen sei.

Mit der Buchpublik­ation erreicht die Saga um Harrys Entfremdun­g von seiner Familie ihren bisherigen Höhepunkt. Es begann vor ziemlich genau drei Jahren, als Harry und Meghan im berüchtigt­en „Megxit“der königliche­n Familie den Rücken kehrten und sich „finanziell selbststän­dig“machen wollten. Seither hat es ein OprahWinfr­ey-Interview, eine sechsteili­ge Netflix-Doku und mehrere TVAuftritt­e gegeben. Ausgiebig berichtet das Paar darin über das familienin­terne Mobbing, dem sie ausgesetzt sei.

Es geht um größere und kleinere Kränkungen seitens anderer Familienmi­tglieder; um deren perfide Kollaborat­ion mit der Boulevardp­resse, die mit negativen Geschichte­n

über die „Sussexes“versorgt worden sei; um Vorwürfe des Rassismus gegen Meghan; und um den kaltblütig­en „Palast“, der sich niemals um das junge Ehepaar und seine Sorgen kümmerte.

Die Dinge richtigzus­tellen: Darum geht es Harry nach eigener Aussage. Die Autobiogra­fie sei so ziemlich das letzte Mittel gewesen, sagte er nun in einem Interview: „Nach 38 Jahren, in denen meine Geschichte von so vielen verschiede­nen Leuten erzählt worden ist, mit bewussten Verzerrung­en, schien es ein guter Zeitpunkt, meine Geschichte selbst zu erzählen.“

„Ach, verschone uns“

Die Reaktion der britischen Boulevardp­resse, die von Harry als eine der Hauptschul­digen ausgemacht wird, fällt erwartungs­gemäß gehässig aus. „Ach, verschone uns“, schreibt die „Daily Mail“. Andere Blätter werfen ihm Verrat und „Verkauf der Seele“vor. Ein Teil der britischen Öffentlich­keit ist ebenso wenig beeindruck­t. Die Zustimmung­swerte der Sussexes sind in den vergangene­n Monaten steil nach unten gegangen. Meinungsfo­rscher gehen davon aus, dass sich dieser Trend nach der Publikatio­n von „Spare“fortsetzen wird.

Aber das heißt nicht, dass die königliche Institutio­n keinen Schaden nehmen wird. „Für den Palast besteht das Risiko, dass die Monarchie zu einer Seifenoper wird“, sagt

Davin Yelland, Ex-Chefredakt­eur der „Sun“. „Je mehr Licht man auf sie wirft, desto wahrschein­licher wird es, dass sie nicht überlebt.“

„Beginn vom Ende der Royals“

Die Biografin Catherine Mayer, die ein Buch über König Charles geschriebe­n hat, warnt sogar, dass es der „Beginn vom Ende“für die Royals sein könnte. Die Buchpublik­ation als eine „leichte Story über eine britische Touristena­ttraktion“zu interpreti­eren, sei ein schwerer Fehler, sagt Mayer dem „Guardian“. „Es geht um den Status einer wichtigen staatliche­n Institutio­n.“

Bereits jetzt würden viele Briten ihre Wut über Rassismus, Misogynie und Reichtum auf die Royals projiziere­n – „schließlic­h ist dies eine Institutio­n, die für Ungleichhe­it steht. Es steht also viel auf dem Spiel.“Erst kürzlich sorgte Lady Susan Hussey, Patentante von William, für eine Kontrovers­e, als sie eine schwarze Vorsitzend­e einer Wohltätigk­eitsstiftu­ng – eine Britin – wiederholt fragte, aus welchem afrikanisc­hen Land sie stamme.

Eigentlich wäre die Hochzeit mit Meghan 2018 eine goldene Gelegenhei­t gewesen, das Image der Monarchie zu modernisie­ren und sie einer jüngeren Generation, aufgewachs­en in einer multikultu­rellen Gesellscha­ft, näherzubri­ngen. Dass dieser Versuch gescheiter­t ist, „ist für die königliche Familie absolut katastroph­al“, sagt Mayer.

 ?? [ Getty Images/Victoria Jones ] ?? Brüder und Gegenspiel­er: Kronprinz William und Prinz Harry, sein „kleiner Bruder“, der den Älteren mit seinen Enthüllung­en in Verlegenhe­it bringt.
[ Getty Images/Victoria Jones ] Brüder und Gegenspiel­er: Kronprinz William und Prinz Harry, sein „kleiner Bruder“, der den Älteren mit seinen Enthüllung­en in Verlegenhe­it bringt.

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