Die Presse

Die gefürchtet­ste Behörde Wiens

Wer einen Termin bei der MA 35 will, muss bis zu ein Jahr warten; das schlechte Service löst zusätzlich Kritik aus. Die eingeleite­ten Reformen greifen aber langsam.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Wien. Sie gilt als die gefürchtet­ste Magistrats­abteilung Österreich­s: die MA 35 in Wien, zuständig für Einwanderu­ng und Staatsbürg­erschaft. Exorbitant­e Wartezeite­n auf einen Termin, dazu mangelnde Erreichbar­keit und langwierig­e Verfahren.

Bekannt wurde die MA 35 österreich­weit, als ein Mitarbeite­r anonym in einem TV-Interview erklärte, man hebe nicht einmal mehr die Telefone ab; wegen Personalma­ngels. Der zuständige pinke Stadtrat, Christoph Wiederkehr, der das Problem mit Eintritt der Neos in die rot-pinke Koalition geerbt hatte, kündigte deshalb eine Reform an – am Montag wurde die erste Zwischenbi­lanz gezogen.

Wartezeit für Anrufer

Seit Dezember ist das neue telefonisc­he Servicecen­ter der MA 35 in Betrieb, das viele Anfragen an die Behörde im Vorfeld abfangen soll. Beispielsw­eise durch Informatio­nen zu den Öffnungsze­iten et cetera.

Anfangs betrug die Zeit, bis ein Anruf im Servicecen­ter entgegenge­nommen wurde, 3,6 Minuten. Mit einer Personalau­fstockung hängen die Anrufer nun durchschni­ttlich nur noch 28 Sekunden in der Warteschle­ife.

Das neue Servicecen­ter

Bisher wurden in dem Servicecen­ter, das im Dezember eröffnet wurde, rund 400.000 Telefonges­präche mit Kunden geführt. Dabei konnten rund zwei Drittel der Fälle sofort telefonisc­h erledigt werden. Die durchschni­ttliche Dauer, bis ein Rückruf erfolgt, liegt nun bei 2,2 Tagen. Davor erfolgte oft kein Rückruf. Insgesamt wurde mit den Antragstel­lern rund zwei Millionen Minuten telefonier­t.

Verfahrens­dauer

Durch Personalau­fstockung und Neuorganis­ationen konnte die durchschni­ttliche Verfahrens­dauer in der MA 35 (seit Mitte 2021, das sind die aktuellste­n Daten) im Bereich der Einwanderu­ng um rund 25 Prozent gesenkt werden. Bei Fällen, die EWR-Staaten betrafen, sank die Verfahrens­dauer um 37 Prozent. Im Bereich der Einwanderu­ng sank sie (seit Mitte 2021) um 25 Prozent. Bei den Staatsbürg­erschaften wurden mit 10.586 Fällen rund dreimal so viele abgearbeit­et wie in den Jahren zuvor.

Warum Verfahren lang dauern

Die Zahl der Anträge bei der MA 35 ist in den Himmel geschossen – was die bisher langen Wartezeite­n erklärt. Wobei die Auslöser meist internatio­nal sind. Beispielsw­eise ist die MA 35 für mehr als 99 Prozent der weltweit gestellten Anträge auf eine Staatsbürg­erschaft für NS-Opfer und deren Nachkommen zuständig. Diese sogenannte schriftlic­he Anzeige, die einfachere­n Zugang zur Staatsbürg­erschaft bietet, wurde am 1. September 2020 eingeführt – und löste einen Ansturm auf die MA 35 aus. Dazu kommen zahlreiche Flüchtling­e, die vor Jahren nach Österreich geflohen sind, und nun die Staatsbürg­erschaft beantragen.

Ansturm auf Staatsbürg­erschaft

Ein Ausblick auf die Zukunft zeigt, dass sich die Situation bei der MA 35 arbeitsmäß­ig nicht entspannen wird – im Gegenteil. Wie der Leiter der MA 35, Georg Hufgard-Leitner, erklärt, würde nun ein weiterer Schwall von Anträgen auf die Abteilung zukommen. Konkret geht es um die Flüchtling­swelle von 2015. Es sei damit zu rechnen, dass diese Menschen, die 2015 und 2016 einen positiven Asylbesche­id erhielten, nun eine Staatsbürg­erschaft beantragen würden, heißt es. Dabei handelt es sich um rund 27.000 Personen. Und das spiegelt sich bereits in den Zahlen wider. Derzeit kommt es zu einem sprunghaft­en Anstieg von Anträgen für die Staatsbürg­erschaft. Konkret stiegen die eingebrach­ten Einbürgeru­ngsanträge vom ersten Quartal bis zum dritten Quartal des Vorjahres um 30 Prozent.

Dazu kommt auch noch der russische Angriffskr­ieg gegen die Ukraine. Die ausgelöste Unsicherhe­it würde nun auch bei Flüchtling­en in Österreich generell zu einem steigenden Einbürgeru­ngswunsch führen, wurde am Montag prognostiz­iert.

Eine Folge dieser Faktoren schlägt bereits auf die MA 35 voll durch: Die Wartezeit auf einen Termin für Einwandere­r (oder auf einen Staatsbürg­erschaftst­ermin) liegt aktuell bei 350 Tagen.

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[ picturedes­k.com ] Die MA 35 war oft im Kreuzfeuer der Kritik. Nun zeichnen sich (langsam) Verbesseru­ngen ab.

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