Von den Ergebnissen des toxikologischen Gutachtens erhofft man sich Antworten. Etwa, warum der getötete 20-Jährige aggressiv wurde – der Familie fehlt jede Erklärung dafür.
wien. Im Fall eines getöteten Wachsoldaten in der Flugfeldkaserne Wiener Neustadt lag am Montag das erste vorläufige Obduktionsergebnis vor. Der 20-Jährige wurde vergangene Woche nach einer Auseinandersetzung von einem Unteroffizier erschossen.
Im Gespräch mit der „Presse“erklärt ein enges Familienmitglied: „Wir können uns absolut nicht vorstellen, dass er aggressiv wurde. Er war ein ruhiger, ausgeglichener Bursch.“
1 wie kam es zu dem tödlichen schuss in der Flugfeldkaserne?
Laut Aussagen der Kameraden des Getöteten und des Offiziers vom Tag, die sich laut Bundesheersprecher Michael Bauer „alle im Wesentlichen decken“, dürfte der 20-jährige Wachsoldat Freitagfrüh einen Streit angezettelt haben. Dabei soll er ein Sturmgewehr genommen, es entsichert, damit auf die Füße eines Kameraden gezielt und abgedrückt haben, wie Bauer der „Presse“erzählt. Nachdem aber im Wachlokal die Waffe entladen sein muss, fehlte die Munition für einen Schuss. Daraufhin wollte er die Waffe laden, worauf seine Kameraden fluchtartig das Gebäude verlassen haben. Der Offizier vom Tag, ein 54-jähriger Unteroffizier, wurde auf den Streit aufmerksam: „Er ist in dieses Wachlokal gegangen und hat sich damit in die Gefahrenzone begeben. Er hätte
natürlich auch die Polizei rufen können“, sagt Bauer. Der Unteroffizier habe den Wachsoldaten beruhigen wollen. Dieser hätte aber sofort mit der Waffe auf dessen Brust gezielt, ihn getreten und mit dem Lauf des Gewehrs mehrmals auf den Ko pf geschlagen. „Er hat den Lauf des Gewehrs wie eine Lanze verwen det,auchalsderUnteroffizier bereits am Boden gelegen ist“, so Bauer. Mit dem Gewehr auf den Kopf gerichtet – nicht wissend, ob es geladen ist – ergriff er seine Pistole und erschoss den Soldaten. Nach vorläufigem Obduktionsergebnis starb der 20-Jährige durch einen Lungendurchschuss. Ob die Waffe des Rekruten tatsächlich geladen war, „wird die Staatsanwaltschaft feststellen“. Und: „Einer der Wachsoldaten hat
mit den Worten ,Er hat uns das Leben gerettet‘ ausgesagt“, sagt der Heeressprecher.
2 welche Konsequenzen erwarten den unteroffizier?
Aktuell befindet sich der Unteroffizier im Krankenstand und wird wie die anderen Wachsoldaten von einem Heerespsychologen betreut. „Er hat einerseits körperliche Verletzungen davon getragen, andererseits unter Todesangst gestanden und gleichzeitig jemanden erschossen. Das ist eine traumatische Belastung“, sagt Bauer. Ein Waffenverbot stehe nicht im Raum, „weil überhaupt keine Notwendigkeit dafür besteht“. Nachdem er in einer Verwaltungsfunktion tätig sei, trage er normalerweise keine Waffe. Nur wenn er Offizier vom Tag sei. Das sei eine freiwillige Entscheidung und bleibe weiterhin ihm überlassen.
3 welchen schluss zieht das Bundesheer aus der Misere?
Derzeit gebe es „überhaupt keine Erkenntnisse“. Lediglich einer der beteiligten Wachsoldaten habe im Nachhinein ausgesagt, dass der Getötete am Vorabend „eigenartig, auffällig und ein bisschen neben der Spur“gewesen sein soll. Das toxikologische Gutachten soll Aufschluss darüber geben, ob der 20-Jährige Alkohol oder Suchtmittel im Blut hatte. Es wird allerdings erst in mehreren Wochen vorliegen.
4 sollten künftig Berufssoldaten als wachen eingesetzt werden?
Dass ein Berufssoldat aufgrund seiner Erfahrung den Wachdienst besser ausführen könnte als ein Grundwehrdiener, verneinte Bauer: „Jeder Mensch weiß, dass man eine Waffe nicht auf jemand anderen richten darf. Das ist keine Frage der Erfahrung.“Um jemanden zu erschießen, müssten drei Handlungen außerdem ganz bewusst gesetzt werden: das Magazin setzen, den Spannschieber zurückziehen und entsichern. „Wenn jemand eine Waffe auf jemanden richtet, hat er die Vorschrift des Bundesheers missachtet. Und zwar nicht, weil er zu wenig Routine hat, sondern weil er es bewusst gem achthat.“