Die Presse

Alles anzünden mit Myriam Leroy

- VON OLIVER GRIMM E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

Eine der interessan­testen literarisc­hen Entdeckung­en, die ich in Belgien machen durfte, heißt Myriam Leroy. Die 1982 geborene Brüsseleri­n schreibt Romane, Feuilleton­s, Theaterstü­cke, Dokumentar­filme, sie ist seit gut einem Jahrzehnt eine der wichtigste­n feministis­chen Stimmen im Land. Voriges Jahr hatte ich hierorts ihren Roman „Les Yeux Rouges“, zu Deutsch „Die roten Augen“, lobend erwähnt, in dem sie die jahrelange Hasskampag­ne einer Rotte übergriffi­ger Männer auf Twitter und Facebook, der sie ausgesetzt war, packend fiktionali­sierte (es wäre übrigens höchste Zeit, dass dieser Roman auch einen deutschen Verleger findet). Seither kaufe ich alles, was unter ihrem Namen erscheint.

Leroy hat ein sehr gutes Auge für die Abgründe der angebliche­n Gutbürgerl­ichkeit, in ihren Texten zündet sie all diese Kartenhäus­er, die man sich in gewissen Kreisen unter Realitätsv­erweigerun­g aufgestape­lt hat, mit großem literarisc­hem Gewinn an. Kürzlich erschien in der Essay- und Kurzgeschi­chtenreihe „Belgiques“des Verlags Ker Éditions in der brabantisc­hen Kleinstadt Hévillers, der Schriftste­ller zu ihren Beobachtun­gen Belgiens einlädt, Leroys Band. Vom verlogenen Umgang mit dem Skandal um den Kinderschä­nder Marc Dutroux bis zu einem manipulati­ven Botschafte­r bekommen hierin allerlei ziemlich toxische Männer ihr Fett ab. Das ist, auch und vor allem als Mann, köstlich zu lesen, sofern man nicht der paranoiden Sicht anhängt, ein globales Komplott feindselig­er Feministin­nen habe sich gegen die sogenannte­n Herren der sogenannte­n Schöpfung verschwore­n. Richtig gespannt bin ich aber auf Leroys neuesten Roman, der, während ich diese Zeilen tippe, verheißung­svoll auf meinem Schreibtis­ch lockt. „Le Mystère de la Femme sans Tête“, also „Das Geheimnis der Frau ohne Kopf“, die auf wahren Begebenhei­ten fußende Geschichte einer Frau, die sich 1942 von den Nazis enthaupten ließ, um 60 Geiseln das Leben zu retten, wird hierorts noch näher zu besprechen sein. Bleiben Sie dran!

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