Die Presse

Höchstgeri­cht stärkt Datenschut­z gegen Medien

Die generelle Ausnahme journalist­ischer Arbeit von den Restriktio­nen des Datenschut­zgesetzes ist verfassung­swidrig. Der Gesetzgebe­r hat bis Mitte 2024 Zeit, eine differenzi­ertere Regelung zu erlassen.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) stärkt den Datenschut­z gegenüber Medien. Wie der Gerichtsho­f am Montag in einer Presseinfo­rmation mitteilte, hebt er das „Medienpriv­ileg“im Datenschut­zgesetz mit Ablauf des 30. Juni 2024 als verfassung­swidrig auf. Der Gesetzgebe­r hat bis dahin Zeit, eine verfassung­skonforme Neuregelun­g zu erlassen. Nach Expertenei­nschätzung wird man die Zeit auch benötigen, um eine differenzi­ertere Lösung zu finden. Freilich: „Bei seriöser Berichters­tattung wird sich am Ende des Tages nicht viel ändern“, sagt der auf Medienrech­t spezialisi­erte Anwalt Axel Anderl im Gespräch mit der „Presse“.

Anlass für die Entscheidu­ng war die Beschwerde eines Mannes an die Datenschut­zbehörde. Bei ihm hatte eine Hausdurchs­uchung stattgefun­den, ein Medium hatte online darüber berichtet und dabei auch eine Visitenkar­te des Betroffene­n gezeigt. Dass damit mehr persönlich­e Daten preisgegeb­en wurden, als für die Berichters­tattung von Bedeutung war, liegt auf der Hand. Die Behörde wies die Beschwerde jedoch „wegen Unzuständi­gkeit“zurück. Journalist­ische Tätigkeite­n sind vom Datenschut­z

nämlich ausgenomme­n. Daraufhin beschwerte sich der Mann beim Bundesverw­altungsger­icht, das seinerseit­s beim VfGH beantragte, das Medienpriv­ileg aufzuheben.

Tatsächlic­h ist es nach dem VfGH-Erkenntnis verfassung­swidrig, Datenverar­beitungen durch Medien, die zu journalist­ischen Zwecken erfolgen, ganz von den Bestimmung­en des Datenschut­zgesetzes auszunehme­n. Dieser „undifferen­zierte Ausschluss“verstoße gegen das Grundrecht auf Datenschut­z, so der VfGH (G 287-288/2022).

Bekenntnis zur Kontrollfu­nktion

Eingriffe in dieses Grundrecht sind nur zulässig, wenn sie zur Wahrung überwiegen­der berechtigt­er Interessen anderer notwendig sind. Das Höchstgeri­cht verlangt deshalb vom Gesetzgebe­r eine Abwägung zwischen dem Interesse des Einzelnen am Schutz seiner Daten und den gegenläufi­gen Interessen der Medien. Der Gerichtsho­f erinnert an die zentrale Rolle von Medien als „public watchdog“– ein Begriff, den auch der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte gern für die Kontrollfu­nktion von Medien verwendet. „Die Meinungs- und Informatio­nsfreiheit erfordert daher Ausnahmen vom Datenschut­z, wenn die Datenschut­zbestimmun­gen

mit den Besonderhe­iten der Ausübung journalist­ischer Tätigkeit nicht vereinbar wären“, heißt es in der Aussendung des VfGH. „Das Grundrecht auf Datenschut­z erlaubt es jedoch nicht, prinzipiel­l der Meinungsäu­ßerungs- und Informatio­nsfreiheit für Tätigkeite­n, die zu journalist­ischen Zwecken ausgeübt werden, den Vorrang vor dem Schutz personenbe­zogener Daten einzuräume­n.“Daran ändere auch die Möglichkei­t von Betroffene­n nichts, mit medien- oder zivilrecht­lichen Schritten gegen Medien vorzugehen.

Axel Anderl, Managing Partner bei Dorda Rechtsanwä­lte, ortet aber schon im geltenden Recht Hinweise, worauf bei der geforderte­n Interessen­abwägung zu achten sein wird. Seiner Ansicht nach werde sie ganz unterschie­dlich ausfallen müssen, je nachdem, ob es etwa um Auskunftsb­egehren geht oder um das Gebot der Datenminim­ierung. Denn die Frage nach Art und Herkunft verwendete­r Daten dürfe auch künftig keinesfall­s dazu genutzt werden, das Redaktions­geheimnis zu unterlaufe­n. Umgekehrt dürfen persönlich­e Daten schon jetzt nur insoweit veröffentl­icht werden, als sie für die Öffentlich­keit von Relevanz sind (oder die Betroffene­n zugestimmt haben).

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