Wenn zwei dasselbe sollen, ist es, scheint’s, nicht das Gleiche
Thomas (Ränke-)Schmid erhält Kronzeugenstatus. Und wenn’s blöd dahergeht, wird Verbalrabauke Herbert Kickl Bundeskanzler. Ja, es gab schon mehr zu lachen.
Die Chats, die zwischen Wiens Bürgermeister, seinem pinken Vize, dem Finanzstadtrat und den Chefs der Wien Energie kursierten, wären tatsächlich nicht nur für Rathausoppositionelle von Interesse. Doch nach aktuellem Informationsstand wird zumindest Wiens Neos-Chef, Christoph Wiederkehr, seine Handydaten nicht herausrücken. Das mutet seltsam an, denn die Partei des Vizebürgermeisters heftet sich gern Transparenz auf die pinken Fahnen. Aber vermutlich erinnert sich Wiederkehr allzu lebhaft daran, wie aus parlamentarischen Untersuchungsausschüssen selbst private Chats ebenso verlässlich wie illegal in die Medien tropften. Als größtes Loch entpuppten sich damals Wiederkehrs Parteifreundinnen und -freunde; sie verteidigten das Leaken als „im Interesse der Republik“. Gesetzesbruch mit Gesetzesbruch zu verteidigen ist zumindest originell.
Aber wenn zwei dasselbe sollen, ist es offenbar sowieso nie das Gleiche. Datenschutz und dessen Aufweichung bereiten jedenfalls auch dem Wiener Bürgermeister erhebliches Bauchgrimmen. Zwar würde Michael Ludwig der Wien-Energie-Untersuchungskommission seine Handydaten eh gern offenlegen, aber halt mit Einschränkungen: In den nächsten Tagen werde sich herausstellen, welche Informationen er zur Verfügung stellen könne, verwies Ludwig in einem „Wien heute“-Interview völlig zu Recht auf Persönlichkeitsrechte Dritter.
Derartig skrupulöse Um- und Rücksichten plag(t)en Ludwigs Parteikollegen im Bund allerdings eher nicht. Es ist noch keine zwei Jahre her, da begehrten Kai Jan Krainer (SPÖ) und Stephanie Krisper (Neos) für den Ibiza-U-Ausschuss sämtliche Daten von 3000 Novomatic-Mitarbeitern. Was wiegen schließlich schon das österreichische Datenschutzgesetz, die Datenschutz-Grundverordnung der EU, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Europäische Grundrechtecharta im Vergleich zu dem einen oder anderen erhofften Zufallsfundstückerl? Trotz Krainers schwachen Trosts, dass bei dieser „routinemäßigen Abfrage“eh niemand Angst haben müsse, dass seine
Was wiegt schon die Menschenrechtskonvention im Vergleich zu dem einen oder anderen erhofften Zufallsfundstückerl?
Adresse im Ausschuss verlesen werde, hat die Datenschutzbehörde das rot-pinke Ansinnen bekanntlich abgeschmettert.
Vielleicht sind die Sorgen von Ludwig und Co. aber ohnehin überflüssig. Die Vernunftbegabteren unter Österreichs Managern und Politikern (m/w/*) dürften nach multiplen türkisen WhatsApp-Desastern ihre sozialmediale Schwatzsucht weitgehend eingestellt und das rückstandsfreie Löschen unartiger Chats perfektioniert haben. Vielleicht hat sich der eine oder die andere außerdem noch rechtzeitig an eine bessere Kinderstube erinnert. Der an schwerer Chatteritis und Hybris im Endstadium laborierende Thomas Schmid erklärte sein Verpfeifkonzert bei der Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft mit einer Verbalwatschn der Mama, wonach sie ihn „so nicht erzogen“habe. Weshalb das schwärzeste Schaf der türkisen ÖVP-Familie, das sich dereinst die Ausschreibung für den Öbag-Chefposten von anderen Parteifamilienmitgliedern auf seinen Karrieristenleib hat maßschneidern lassen, beherzt Die große Chance ergriffen und beim WKStA-Gesangswettbewerb das jahrelang gehortete Liedgut über Intrigen, Korruption, Macht und Machenschaften vorgetragen hat. 300.000 Chats und schmierige Dick Pics hat die WKStA in Schmids Cloud sichergestellt, viele beweisen abgrundtiefe Dummdreistigkeit, andere ressortieren zu vulgärpornografischen Untergürtelregionen. Etliche aber entpuppten sich als jener hochexplosiver Polit-Sprengstoff, der Sebastian Kurz aus der Regierung, die ÖVP in eine existenzielle Krise – und die FPÖ an die Umfragenspitze katapultierte.
Dass Thomas, der Ränke-Schmid, als Kronzeuge straffrei bleiben und der blaue Verbalrabauke Herbert Kickl dank lädierter ÖVP und einer sich in Flügelkämpfen aufreibenden SPÖ womöglich Bundeskanzler werden könnte, klingt, vorsichtig formuliert, wie die Quersumme aus „Big Brother“und „Dschungelcamp“: ziemlich grauslich.