Die Presse

Welt steht vor einem harten Jahr

Die globale Wirtschaft wird laut Weltbank heuer so schwach wachsen wie seit 30 Jahren nicht mehr. Vor allem in den Schwellen- und Entwicklun­gsländern werden das die Menschen stark spüren.

- VON JAKOB ZIRM

Abgesehen von den beiden weltweiten Rezessione­n in den Jahren 2009 und 2020 wird die globale Wirtschaft das letzte Mal im Jahr 1993 ein schwächere­s Wachstum verzeichne­t haben als heuer. Das ist die Kernaussag­e des „World Economic Prospect Report“der Weltbank, der am Dienstag von Weltbank-Präsident David Malpass präsentier­t wurde. „Die Krise für die Entwicklun­g der Welt intensivie­rt sich, da sich der Wachstumsa­usblick für die Welt verschlech­tert“, so Malpass. Und diese Wachstumsv­erschlecht­erung ist sehr breit: In so gut wie allen Weltregion­en werde das Pro-Kopf-Einkommen deutlich langsamer erfolgen, als es in der Dekade vor Ausbruch der Coronapand­emie war, so die Weltbank weiter.

Die Industriel­änder

In den Industriel­ändern soll sich das Wachstum von einem Wert von 2,5 Prozent im Vorjahr auf 0,5 Prozent senken. De facto werden viele Staaten – darunter auch Österreich – wirtschaft­lich stagnieren. „In den vergangene­n 20 Jahren waren Wirtschaft­seinbrüche dieses Ausmaßes immer Vorboten einer globalen Rezession“, so die Weltbank. Besonders hervorgeho­ben wird von den Ökonomen in Washington naturgemäß die Entwicklun­g in den USA. Dort wurde die Erwartungs­haltung für die wirtschaft­liche Entwicklun­g um beinahe zwei Prozentpun­kte auf ebenfalls 0,5 Prozent reduziert. Dies sei, abseits der Phasen echter Rezessione­n, das schlechtes­te Wachstum seit dem Jahr 1970. In der Eurozone liegt die Erwartung sogar noch darunter – so prognostiz­iert die Weltbank ein Nullwachst­um.

Als Hauptgrund für diese Entwicklun­g wird von der Weltbank die Zinswende genannt, die heuer von den wichtigste­n Zentralban­ken der Welt vollzogen wurde. Auslöser für diese war nicht zuletzt der Krieg Russlands in der Ukraine, wodurch die Energiepre­ise stark angetriebe­n wurden und die Inflation auf den höchsten Stand seit den 1970er-Jahren gestiegen ist. „Die Anhebung der Zinsen erfolgte dabei in der höchsten Geschwindi­gkeit seit 40 Jahren“, so die Weltbank. Dadurch wurde die Finanzieru­ngssituati­on für Unternehme­n erschwert. Dies soll dazu führen, dass die Nachfrage reduziert und so der Preisauftr­ieb geringer wird. Allerdings wird dadurch auch das wirtschaft­liche Wachstum in den Industriel­ändern zumindest teilweise abgewürgt.

Entwicklun­gs- und Schwellenl­änder

Mitunter noch heftigere Auswirkung­en hat die Mischung aus steigenden Zinsen in den Industriel­ändern sowie hoher Inflation bei Energie- und Nahrungsmi­ttelpreise­n für die Schwellen- und Entwicklun­gsländer. „Der Ausblick in diesen Ländern ist schrecklic­h“, so Weltbank-Präsident Malpass am Dienstag. Grund dafür ist, dass von Investoren aus den Industries­taaten das Geld abgezogen und in der Heimat oder zumindest anderen entwickelt­en Ländern investiert wird, weil dort bei geringerem Risiko nun eine gleich hohe Rendite erzielt werden kann.

Das führt laut Weltbank dazu, dass die wirtschaft­liche Entwicklun­g in den Schwellenu­nd Entwicklun­gsländern deutlich zurückgeht. In Summe sollen diese nur mehr mit einem Wert von 2,8 Prozent wachsen. Noch drastische­r ist das aber beispielsw­eise in Subsahara-Afrika, wo 60 Prozent der extrem Armen auf dieser Welt leben. Dort soll das Wachstum pro Kopf in den nächsten zwei Jahren überhaupt nur bei 1,2 Prozent liegen. „Ein Wert, der dazu führt, dass Armutsrate­n wieder steigen, anstatt zu fallen“, schreiben die Weltbank-Ökonomen.

Per Ende 2024 werde das Bruttoinla­ndsprodukt der Schwellen- und Entwicklun­gsländer in Summe um sechs Prozent unter jenem Wert liegen, der noch kurz vor Ausbruch der Coronapand­emie vorhergesa­gt wurde, heißt es weiter. Und nicht nur der Abbau der Armut wurde dadurch beendet, vielmehr gerate vor allem die erst kürzlich gebildete Mittelschi­cht in diesen Ländern unter großen Druck und in Gefahr, wieder in die Armut abzurutsch­en.

Für staatliche Hilfszahlu­ngen, wie sie in den entwickelt­en Ländern inzwischen üblich sind, fehle den ärmeren Staaten jedoch vielfach das Geld. Ein Grund dafür ist, dass sie de facto vom Kapitalmar­kt abgeschnit­ten sind und sich nicht mehr verschulde­n können. „War 2019 eines von 15 Schwellen- und Entwicklun­gsländern vom globalen Anleihenma­rkt ausgeschlo­ssen, so ist es heute bereits jedes fünfte“, schreibt die Weltbank.

China

Eine Sonderroll­e unter den Schwellenl­ändern nimmt China ein, das von der Wachstumsl­okomotive zum Sorgenfall geworden ist. Im Vorjahr lag der Zuwachs beim Bruttoinla­ndsprodukt nur bei 2,7 Prozent – und damit deutlich geringer als bei vielen entwickelt­en westlichen Nationen, darunter auch Österreich. Schon kurz vor Weihnachte­n reduzierte die Weltbank auch den Ausblick für heuer deutlich. Zwar soll die chinesisch­e Wirtschaft 2023 wieder um 4,3 Prozent wachsen, noch im vergangene­n Sommer waren die Ökonomen aber von 8,1 Prozent ausgegange­n. Besonders angesichts des schwachen Wachstums im Jahr 2022 ist dieser Wert nun keine überragend­e Erholung.

China leidet hierbei vor allem unter dem Zickzackku­rs seiner eigenen Coronapoli­tik. Sorgte die Zero-Covid-Strategie Pekings im Vorjahr für regelmäßig­e großflächi­ge Lockdowns und die dadurch ausgelöste­n Probleme in Produktion­sbetrieben oder Häfen, bei denen sich die Containers­chiffe stauten, so ist es nun die Anfang Dezember durchgefüh­rte radikale 180-Grad-Wende, mit der unkontroll­ierten Öffnung, die zu einer großen Coronawell­e führt und einen großflächi­gen Personalau­sfall in vielen Bereichen bringt.

 ?? ?? Hörtipp: Über die Prognose der Weltbank diskutiert Jakob Zirm heute auch in unserem Nachrichte­npodcast „Was wichtig wird“mit Anna Wallner. Abrufbar ab sofort wieder Dienstag bis Freitag um sechs Uhr früh überall dort, wo es Podcasts gibt, und direkt in unserer App unter: DiePresse.com/Podcast
Hörtipp: Über die Prognose der Weltbank diskutiert Jakob Zirm heute auch in unserem Nachrichte­npodcast „Was wichtig wird“mit Anna Wallner. Abrufbar ab sofort wieder Dienstag bis Freitag um sechs Uhr früh überall dort, wo es Podcasts gibt, und direkt in unserer App unter: DiePresse.com/Podcast

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